FDP in der Corona-Krise:Der ungeduldige Christian Lindner

FDP in der Corona-Krise: Christian Lindner ist derzeit "nahezu pausenlos in Videokonferenzen".

Christian Lindner ist derzeit "nahezu pausenlos in Videokonferenzen".

(Foto: ODD ANDERSEN/AFP)
  • FDP-Chef Lindner meldet sich mit wachsender Ungeduld zu Wort und fordert eine Lockerung der Schutzmaßnahmen.
  • Lindner versucht einen schwierigen Spagat: Einerseits will er jene ansprechen, die von den Einschränkungen die Nase voll haben.
  • Andererseits will er auch solche Bürger nicht verprellen, die in Zeiten der Pandemie Gemeinsamkeit erwarten.

Von Daniel Brössler, Berlin

Christian Lindner hat in einem Interview kürzlich Einblicke in sein Leben in Zeiten von Corona gegeben. Ja, er verbringe seine Tage fast ausschließlich zu Hause, aber von "Entschleunigung" könne keine Rede sein, stellte der FDP-Chef klar. Zwar sei er ständig im Homeoffice, "aber zugleich permanent und nahezu pausenlos in Videokonferenzen", sagte er zu T-Online. Außerdem kämen "fortwährend neue Gesetzesvorschläge oder politische Maßnahmen, die wir bewerten müssen".

Tatsächlich erweckt Lindner den Eindruck, dass er sich keine ruhige Minute gönnt. Der Partei- und Fraktionschef meldet sich in Interviews, Beiträgen und in den sozialen Netzwerken mit wachsender Ungeduld zu Wort. "Den Zustand, den wir jetzt haben, brauchen wir nicht mehr, um den Gesundheitsschutz sicherzustellen", sagte er am Dienstag im Fernsehsender Phönix. Schrittweise Lockerungen der Schutzmaßnahmen seien nun möglich. Derlei Ungeduld gehöre zu den "Aufgaben einer liberalen Partei".

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Was die eigenen Aufgaben und die eigene Rolle betrifft, so hatte für die FDP so wie für die anderen Oppositionsparteien mit der Corona-Krise ein schwieriger Prozess der Selbstverortung begonnen. Anfangs stand dabei die Betonung der staatstragenden Mitverantwortung im Vordergrund. Die FDP trug sowohl die Beschlüsse von Bund und Ländern zur Einschränkung des öffentlichen Lebens als auch zum Schutz der Wirtschaft mit. Früh schon aber zeigte sich deutlicher als bei Grünen und Linken wachsendes Unbehagen.

Den Ton setzte schon Ende März der sonst eher abwägend argumentierende Erste Parlamentarische Geschäftsführer der FDP im Bundestag, Marco Buschmann, als er vor einem Aufstand des Mittelstandes warnte, wenn dieser die wirtschaftlichen Folgen der Krise zu tragen haben werde. "Bald könnte Revolution in der Luft liegen, wenn das so weitergeht. Stellt die deutsche Mittelschicht irgendwann fest, dass ihr Betrieb pleite, ihr Arbeitsplatz verloren oder ihr Aktiensparplan wertlos ist, dann wird sie sich radikalisieren", warnte er.

"Schutzmasken sind sinnvoll, Maulkörbe nicht", twittert die Partei

Lindner griff das in dieser Schärfe nicht auf, suchte aber erkennbar nach Mitteln und Wegen heraus aus der großen Corona-Koalition. Dabei betonte er - wie viele andere FDP-Politiker - wie sensibel eine liberale Partei auf die Einschränkung der Freiheit reagiere. Wiederholt griff Lindner zusätzlich ein Motiv auf, mit dem er schon in Vor-Krisen-Zeiten gespielt hatte: den Vorwurf, es dürfe nicht alles gesagt werden.

So verband er sein Plädoyer für eine Lockerung der Kontaktbeschränkungen vor Ostern mit Kritik an der Kommunikation der Bundesregierung. "Die Regieanweisungen aus der Regierung, darüber öffentlich nicht zu sprechen, überzeugen uns schon einige Zeit nicht mehr", klagte er. "Schutzmasken sind sinnvoll, Maulkörbe nicht" twitterte die FDP mit einem Konterfei des Parteichefs.

Postwendende Kritik auf Twitter, die FDP agiere "hysterisch", um wahrgenommen zu werden, konterte Lindner mit dem Hinweis, er fordere lediglich eine "transparente Kommunikation und Debatte". Am Dienstag betonte er noch einmal, jetzt sei "nicht der Zeitpunkt für parteipolitische Kritik". Lindner versucht, wie so oft, beides: Er will einerseits jene ansprechen, die von den einschränkenden Maßnahmen die Nase voll haben. Andererseits will er auch solche Bürger nicht verprellen, die in Zeiten in der Pandemie staatstragende Gemeinsamkeit erwarten.

In der Tat kann die FDP derzeit auf keinen potenziellen Wähler verzichten. Schon vor der Corona-Krise hatte ihr die Affäre um die Wahl des FDP-Politikers Thomas Kemmerich mit Stimmen der AfD zum Thüringer Ministerpräsidenten zu schaffen gemacht, nun ist sie noch weiter abgesackt auf Werte, die nur noch knapp über der Fünf-Prozent-Hürde liegen. Wenn Lindner nun eine Lockerung der Maßnahmen fordert, verbindet er das gerne mit Lob für Ministerpräsident Armin Laschet und dem Verweis auf Vorschläge aus Nordrhein-Westfalen. Dort sitzt die FDP in der Landesregierung.

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