Chris Christie im Präsidentschaftsrennen:Warum die Republikaner diesen Kandidaten wollen

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Chris Christie ist die jüngste und mutmaßlich letzte große Hoffnung der Republikaner, einen Kandidaten ins Präsidentschaftsrennen gegen Barack Obama schicken zu können, der die Partei elektrisiert. Doch der 49-Jährige ziert sich - und könnte den Republikanern ein ernsthaftes Problem bescheren.

Reymer Klüver

Noch eine Woche geben sie ihm. Dann, da sind sich die Kommentatoren in den US-Medien einig, muss Chris Christie sich wirklich entscheiden, ob er am Ende doch den Sprung wagen will.

Politisches Schwergewicht: Christie während seiner Ansprache in der Ronald-Reagan-Library. (Foto: AFP)

Der 49 Jahre alte Gouverneur des Ostküstenbundesstaates New Jersey ist die jüngste und mutmaßlich letzte große Hoffnung der Republikaner, einen Kandidaten ins Präsidentschaftsrennen gegen Barack Obama schicken zu können, der die konservative Parteibasis elektrisiert. Er soll aber auch so verbindlich und vertrauenswürdig wirken, dass er über Parteigrenzen hinweg wählbar wäre - kurz: ein chancenreicher Herausforderer des angezählten Präsidenten sein.

Seit Monaten ziert sich Christie. Hat immer wieder zu verstehen gegeben, dass ihn eine Kandidatur schon reize, er aber erst einmal seine erste Amtszeit als Gouverneur zu Ende bringen wolle. Hat, was für andere politischer Selbstmord wäre, öffentlich und das mehrmals erklärt, dass er nicht "reif" sei für eine Kandidatur, nicht genug vorbereitet auf das Präsidentenamt.

Da ist etwas dran: Christie war sechs Jahre Bundesstaatsanwalt in seinem Heimatstaat, also oberster Strafverfolger im Auftrag Washingtons, ehe er vor knapp zwei Jahren zum Gouverneur von New Jersey gewählt wurde. Das ist nicht sonderlich viel Erfahrung in hohen politischen Ämtern - aber die hatte Obama ja auch nicht.

Und viel Expertise in innenpolitischen Fragen jenseits von New Jersey hat Christie ebenfalls nicht vorzuweisen, Erfahrung in außenpolitischen Dingen schon gar nicht. Das schreckt seine politischen Fans nicht ab. Genauso wenig wie seine wiederholten, augenzwinkernden Absagen: "Was außer meinem Selbstmord kann Sie noch überzeugen, dass ich nicht kandidieren will?", hatte er im Frühjahr bei einer Veranstaltung in Washington gesagt.

Der neue Wirbel hatte Ende vergangener Woche eingesetzt nach einem abermals missglückten Auftritt des texanischen Gouverneurs (und bisherigen Favoriten in den Umfragen zu den republikanischen Präsidentschaftsbewerbern) Rick Perry in einer TV-Debatte. Schon in zwei vorangegangenen Fernsehrunden war Perry nicht als der stärkste Debattierer aufgefallen. Diesmal wirkte er teilweise verwirrt und warf zu allem Überfluss den Konkurrenten Herzlosigkeit in der Debatte über die illegalen Einwanderer in den USA vor. Das ist unter Republikanern ein großes "No-No".

Der konservative Weekly Standard, ein Leitmedium der Rechten, ließ daraufhin Perry fallen und forderte Christie explizit zur Kandidatur auf. Hinter den Kulissen sicherte mindestens eine Handvoll schwerreicher Geldgeber Christie zu, dass sie ihn im Wahlkampf unterstützen würden. Und am Dienstag sprach er in der Ronald-Reagan-Library in Kalifornien, sozusagen im Heiligen Gral konservativer Republikaner. Eine Frau bettelte nach seiner Rede geradezu, unter rauschendem Beifall des Publikums, dass er kandidieren möge.

Woher kommt der Enthusiasmus für den Mann? Zum einen ist Christie nicht nur seiner ungeheuren Leibesfülle wegen ein Schwergewicht. Er kokettiert gerne mit seiner Herkunft aus New Jersey. Nennt sich selbst einen Jersey Boy, der weiß, dass auf der anderen Seite des Flusses eine ganz andere Welt liegt (also in New York), die nicht die seine ist. Mit Werten, die - so die dahinter stehende Anspielung - nichts mit den traditionellen Grundsätzen von Anstand, Mäßigkeit und Bescheidenheit zu tun haben, die dort gelten, wo er groß geworden ist.

Im persönlichen Gespräch wirkt er charmant und gewinnend, kein radikaler Keulenschwinger, wie es die Tea-Party-Leute sind. In Diskussionen ist er schlagfertig, und im politischen Alltagsgeschäft geht er keinem Händel aus dem Weg. In New Jersey hat er sich im Streit um Einschnitte in den Haushalt des Bundesstaates weitgehend durchgesetzt gegen die demokratische Mehrheit in New Jerseys Parlament. Damit ist er ganz auf der Linie der Sparpolitiker seiner Partei. Und seine Opposition zu Abtreibung und Schwulenehe machen ihn auch für erzkonservative Republikaner wählbar.

Zum anderen hat der Rummel nicht nur mit Christie selbst zu tun, sondern auch mit der Unzufriedenheit in der Republikanischen Partei über ihre Präsidentschaftskandidaten. Rick Perry, der bisherige Liebling der Rechten, neigt dazu, sich selbst ins Knie zu schießen. Mitt Romney, der es schon vor vier Jahren probiert hatte und sich seither als unvermeidlicher Kandidat aufzubauen suchte, wirkt für viele zu glatt und zu uninspirierend, und für die Parteirechte ist er nicht konservativ genug. Die anderen Kandidaten, das weiß jeder, hätten ohnehin keine Chance. Bliebe also eine große Leerstelle, die der Last-Minute-Kandidat Christie geradezu ideal ausfüllen könnte.

Dass die Gangart indes ungleich härter werden würde, sollte er tatsächlich kandidieren, ließ sich am Freitag nach der Lektüre der New York Times ahnen. Die Zeitung berichtete in aller Ausführlichkeit, dass es mit der selbst attestierten Fähigkeit Christies zur Zusammenarbeit mit dem politischen Gegner nicht allzu weit her sein kann. Zumindest legt sein Umgang mit den beiden - demokratischen - Vertretern New Jerseys im US-Senat diesen Schluss nahe: Mit keinem hat er bisher auch nur ein Wort jenseits von Belanglosigkeiten gewechselt.

© SZ vom 01.10.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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