Chodorkowskij:"Putin weiß, wie schwach seine Herrschaft ist"

Ex-Ölmagnat Chodorkowskij ist überzeugt, dass ihn Intimfeind Putin aus Angst vor Machtverlust hinter Gittern behalten will.

Sonja Zekri, Moskau

Der inhaftierte Yukos-Gründer Michail Chodorkowskij hat im ersten Interview seit seiner neuerlichen Verurteilung den russischen Premier Wladimir Putin und Präsident Dmitrij Medwedjew angegriffen. Putin wolle ihn "bis in alle Ewigkeit" einsperren, sagte Chodorkowskij der Süddeutschen Zeitung, und Präsident Medwedjew habe das Urteil eines "abhängigen Gerichtes" gebilligt. Er trage persönlich die Verantwortung für ein Scheitern der Justizreform.

Mikhail Khodorkovsky

Ende 2010 wurde der frühere Oligarch Michail Chodorkowskij zu 14 weiteren Jahren Haft verurteilt. Nach Anrechnung seiner Strafe aus dem ersten Prozess könnte der Yukos-Gründer 2017 freikommen.

(Foto: AP)

In dem Interview, das Chodorkowskij vier ausländischen Zeitungen, darunter der SZ gab, zeigte er sich enttäuscht von Medwedjew. Dieser sei zwar ein "politischer Pragmatiker" mit Idealen, doch habe er seine Versprechen nicht eingelöst. Chodorkowskij war mit seinem Geschäftspartner Platon Lebedew Ende Dezember wegen Diebstahl und Geldwäsche zu 14 Jahren Haft verurteilt worden, sodass er nach Anrechnung der Strafe aus einem ersten Prozess 2017 aus dem Gefängnis käme. Das harte Urteil, bei dem der Richter den Forderungen der Staatsanwaltschaft folgte, war in vielen europäischen Ländern als politisch motiviert kritisiert worden.

Absurde Vorwürfe

Nun würdigte Chodorkowskij diese Zeichen von Solidarität. Die öffentliche Meinung des Westens sei für Russland sehr wichtig, deshalb sei er froh, dass viele Menschen das, was mit ihm geschehe, "als Barbarei" bezeichneten. Moskau hatte sich jeden Kommentar zum Fall Chodorkowskij mit dem Hinweis verbeten, es handele sich um eine "innere Angelegenheit", außerdem gebe es ja die Möglichkeit der Revision. Tatsächlich haben Chodorkowskijs Anwälte Berufung eingelegt.

Zwar sei der zweite Prozess besser abgelaufen als der erste, sagte Chodorkowskij, beispielsweise hätten sich die Angeklagten selbst äußern können; auch die Presse sei zugelassen worden. Die Vorwürfe gegen ihn seien jedoch absurd, schließlich habe ihm das Gericht zwischendurch vorgeworfen, mehr Öl aus dem Yukos-Konzern gestohlen zu haben, als dieser überhaupt produziert hatte. Auf Richter Wiktor Danilkin sei überdies enormer Druck ausgeübt worden, erst versteckt, schließlich ganz offen. Das habe dieser offenbar nicht ausgehalten und "einen fertig vorbereiteten Text unterschrieben", so Chodorkowskij.

Kein Interesse an politischer Macht

Offenbar wolle Putin ihn im Gefängnis behalten, da dessen Herrschaft schwach sei und ein Stoß genüge, um sie zum Einsturz zu bringen, sagte Chodorkowskij. Putin hatte Mitte Dezember in einer Fernsehsprechstunde in Anspielung auf Chodorkowskij gesagt: "Ein Dieb gehört ins Gefängnis." Vielleicht, so Chodorkowskij, sei der russische Premierminister aber auch von Beamten manipuliert worden, "die durch die Plünderung des Yukos-Konzerns reich geworden sind". Yukos, früher eines der erfolgreichsten Unternehmen Russlands, war während des ersten Prozesses zerschlagen worden. Das Herzstück des Unternehmens, Yuganskneftegas, war später an den staatlichen Energiekonzern Rosneft gegangen, der unlängst mit BP die gemeinsame Ölförderung in der Arktis vereinbart hat.

Er selbst könne sich seine Freilassung kaum noch vorstellen, sagte Chodorkowskij. Sollte er tatsächlich entlassen werden, werde er sich aber nicht als Unternehmer betätigen, sondern sich sozialen Zielen widmen. Politische Macht habe ihn nie interessiert, allerdings habe er aus seiner Abneigung gegen die autoritäre Tendenz nie einen Hehl gemacht und die Opposition unterstützt. Unter Präsident Boris Jelzin sei das kein Problem gewesen, für Putin aber offenbar nicht hinnehmbar.

Lesen Sie das ganze Interview mit Michail Chodorkoskij im Wortlaut in der Mittwochsausgabe der Süddeutschen Zeitung.

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