Süddeutsche Zeitung

Chinas Präsident Xi bei Barack Obama:Mehr Nettigkeiten, mehr Konfliktstoff

Lesezeit: 3 min

Ohne Formalien und Floskeln: In betont lockerer Atmosphäre empfängt US-Präsident Obama seinen chinesischen Kollegen Xi. Beim Klimaschutz kommen sich die beiden näher - doch in Sachen Cybersicherheit droht dauerhafter Konfliktstoff.

Von Nicolas Richter, Washington

Etwas ist auf der Strecke geblieben beim Gipfeltreffen zwischen den beiden mächtigsten Männern der Welt: die Kleiderordnung. Barack Obama und sein Gast Xi Jinping zeigten sich ohne Krawatte, ja sogar ohne Jackett und mit hochgekrempelten Ärmeln.

Die lässige Kleiderordnung war Teil einer größeren Anstrengung, auf dem kalifornischen Anwesen Sunnylands eine unverkrampfte, gar entspannte Stimmung zwischen den Präsidenten der USA und Chinas herzustellen. Während der Vorbereitungen hatten die Hintersassen Obamas so viel vom Zwischenmenschlichen geredet, dass man den Eindruck hatte, sie wollten Obama und Xi verkuppeln. Die verbrachten am Freitag und Samstag dann insgesamt acht Stunden miteinander, darunter 5o Minuten bei einem Spaziergang zu zweit, wobei sie allerdings auf die Dolmetscher nicht verzichten konnten.

Wie nah sich die Männer gekommen sind, ist unklar, denn letztlich offenbart sich diese Nähe allein in einem Gefühl der beiden Präsidenten, dass sie einander vertrauen können. Reagan und Gorbatschow spürten das bei ihren Begegnungen in den letzten Jahren des Kalten Kriegs von Anfang an. Obama schien sich immerhin in der Nähe seines Kollegen Xi deutlich wohler zu fühlen als noch mit dessen Vorgänger Hu Jintao. Die von Höflichkeits- und anderen Floskeln gefüllten, förmlich starren und inhaltsleeren Gespräche mit Hu trieben Obama beinahe zur Verzweiflung.

Allerdings ist in jüngster Zeit mit den Nettigkeiten auch der Konfliktstoff angewachsen. Der größte hat mit den chinesischen Hackerangriffen zu tun, die Washington seit Monaten offen beklagt. Die US-Regierung macht Peking dafür neuerdings sogar unmittelbar verantwortlich, zumindest deswegen, weil es die Angriffe geschehen lasse. Vor dem Gipfel hatten Experten im Weißen Haus erklärt, dass jedes Land für das verantwortlich sei, was auf seinem Staatsgebiet geschehe.

Bei einer kurzen Pressekonferenz zu Beginn hatte Obama noch beschwichtigt: Das Hacker-Problem sei nicht kennzeichnend für das amerikanisch-chinesische Verhältnis, es bestehe auch zwischen anderen Staaten, und oft gehe es auch von Privatpersonen aus, nicht von Regierungen.

Die deutlichen Worte kamen dafür aus der zweiten Reihe. Nach dem Gipfeltreffen berichtete Obamas Nationaler Sicherheitsberater Thomas Donilon, wie sehr der Online-Diebstahl von Staats- und Industriegeheimnissen die Agenda beherrscht habe. Dies stehe jetzt "im Mittelpunkt" des Verhältnisses beider Länder. "Es ist kein Randthema mehr", sagte Donilon, und er warnte, dass es die Beziehungen insgesamt gefährden könne. Dies klingt nicht gerade so, als sei es Präsident Xi in Kalifornien gelungen, neues Vertrauen zu schaffen.

Obama hat ihm offenbar Beweise für Datendiebstähle vorgelegt, die von chinesischem Boden ausgingen. Die chinesische Delegation aber war offenbar nicht bereit, sich schuldig zu bekennen, sie beteuerte stattdessen, selbst Opfer von Hackern zu sein. Peking fühlt sich auch im weiteren Sinne von den USA angegriffen, vor allem durch Obamas Werben um asiatische Verbündete in Chinas Einflussbereich. Der Internet-Konflikt ist da erst der Vorbote künftiger Auseinandersetzungen, in denen beide Seiten einander vorwerfen dürften, gegen die Regeln zu verstoßen. Obama hat China im Kreis der Großmächte willkommen geheißen, er hat aber daran erinnert, dass auch die Großen nach den Regeln spielen müssten.

Zum Teil müssen die Regeln auch erst noch geschrieben werden, für den Klimaschutz zum Beispiel. Auch dieses Thema ist heikel, weil die USA den Eindruck vermeiden müssen, China zu bevormunden, während sie selbst zu den größten Umweltverschmutzern gehören. Die von Obama und Xi angekündigte Kooperation gegen Treibhausgase gilt erst einmal nur einem Gas, das in Kühlschränken und Klimaanlagen verwendet wird. Die Welt kann sich also vorerst keine Impulse erhoffen, die den Ausstoß von Kohlendioxid senken würden.

Auffällig ist freilich die neue gemeinsame Sprache der USA und Chinas zum atomaren Gehabe Nordkoreas. Die Großmächte möchten die Drohgebärden aus Pjöngjang nicht mehr dulden. Donilon sagte, Washington und Peking seien sich einig darin, dass sie ein atomar bewaffnetes Nordkorea nicht akzeptieren würden. Allerdings ist diese Einigkeit schon vor dem Gipfeltreffen entstanden. Sie hat weniger mit amerikanisch-chinesischer Harmonie zu tun als damit, dass Nordkorea mittlerweile sogar seine letzten Freunde brüskiert.

Am Ende schenkte Obama seinem Gast eine Sitzbank, gefertigt aus dem kalifornischen Redwood-Holz, ihr nächster Gipfel soll nun in China stattfinden. Beide Präsidenten haben beteuert, sie wünschten sich ein "neues Modell" für die amerikanisch-chinesischen Beziehungen, wobei noch nicht ganz klar ist, wie dieses Modell aussehen und was es bewirken soll. Bis zum Ende von Obamas Amtszeit haben die beiden Männer nun dreieinhalb Jahre Zeit. Die Kleiderordnung ist lockerer geworden, alles andere muss noch folgen.

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Quelle:
SZ vom 10.06.2013
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