Chinas Premier Wen in Berlin:Im Zweifel für den Angesagten

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Wenn Chinas Ministerpräsident am Abend mit großem Gefolge in Berlin eintrifft, soll ein neues Kapitel der Beziehung beider Staaten aufgeschlagen werden. Außenminister Westerwelle wittert bereits "enorme Chancen für die deutsche Wirtschaft". Und das Thema Menschenrechte? Nach der Freilassung von zwei berühmten Dissidenten bescheinigt die Bundesregierung der chinesischen Führung, "dass Dinge besser geworden sind". Menschenrechtsorganisationen sehen das anders.

Thorsten Denkler

Max Liebermann brachte Licht ins Dunkle. Das war vielleicht die Bestimmung des größten deutschen Impressionisten. So viel Licht war nie zuvor in der deutschen Malerei. Am Berliner Wannsee hatte er ab 1910 eine Villa. Ein freundlicher Ort, der einlädt, seine Gedanken zu sortieren.

101 Jahre nach Liebermanns Einzug in diese Villa empfängt Bundeskanzlerin Angela Merkel im Max-Liebermann-Haus den chinesischen Regierungschef Wen Jiabao. Es ist der Auftakt der ersten deutsch-chinesischen Regierungskonsultationen, die ein neues Kapitel in den Beziehungen beider Staaten begründen sollen. Es wäre kein schlechter Ort und kein schlechter Zeitpunkt um über Menschenrechte zu sprechen. Liebermann war Jude. Er starb 1935 in seinem Palais am Pariser Platz. Die Nazis verboten die Teilnahmen an seiner Beisetzung. Dennoch kamen Hunderte.

Von Liebermann stammt ein berühmter Satz, gesprochen, als der Fackelzug der Nazis 1933 nach ihrer Machergreifung an seinem Fenster vorbeizog: "Ich kann gar nicht so viel fressen, wie ich kotzen möchte." Seine Frau Martha nahm sich 1943 kurz vor ihrer Deportation ins Konzentrationslager Theresienstadt das Leben.

Vielleicht spricht Merkel mit Wen darüber. Zu erwarten ist es nicht. Das Haus des großen Künstlers böte auch eine gute Gelegenheit mit Wen über Chinas Verhältnis zur Freiheit der Kunst zu reden. Zu erwarten ist auch das nicht.

Das Treffen, zu dem Wen sein gesamtes Kabinett mitbringt, dient ausschließlich einem Zweck: Die wirtschaftlichen Beziehungen zwischen der neuen Wirtschaftssupermacht China und dem langjährigen Exportweltmeister Deutschland zu vertiefen.

Natürlich, die prekäre Menschenrechtslage in China soll zur Sprache kommen. Außenminister Guido Westerwelle hat das am Morgen versprochen. "Die Intensität unsere Beziehungen ist mittlerweile so tief und so tragfähig, dass auch Meinungsunterschiede ausgetragen werden können", sagte er im Morgenmagazin. "Wenn man die Dinge gesichtswahrend und vom Umgang her vernünftig anspricht, kann man auch alles ansprechen, selbst die allerschwierigsten Fragen."

Zwei sehr schwierige Fragen hat die chinesische Regierung schon kurz vor dem Treffen auf ihre Weise beantwortet: Ende vergangener Woche hat sie den Künstler Ai Weiwei unter strengen Auflagen und gegen Kaution aus dem Gefängnis entlassen. Am Sonntag dann durfte der Bürgerrechtler Hu Jia nach dreieinhalbjähriger Haft nach Hause gehen.

Wen Jiabao wird dies als Geste des guten Willens gewertet sehen wollen. Auch wenn die deutsche Seite pflichtschuldig erklärt, dass das natürlich nicht alles sein könne, bescheinigt Westerwelle der chinesischen Führung diplomatisch wohlwollend: "Man muss aber auch erkennen, dass Dinge besser geworden sind" in den vergangenen 15 Jahren.

Menschenrechtsorganisationen sehen das anders. Sie fordern in einem offenen Brief an die Bundeskanzlerin: "Menschenrechte müssen zentrales Element der deutsch-chinesischen Beziehungen sein." Die Freilassung von Ai Weiwei stelle "keine Verbesserung der Menschenrechtslage in China dar". Seine lange Inhaftierung ohne Anklage zeuge im Gegenteil davon, "wie wenig - trotz aller Reformen - das chinesische Recht die Rechte des Einzelnen schützt". Unterzeichnet haben diesen Brief unter anderen Vertreter von Amnesty International, Reporter ohne Grenzen und der International Campaign for Tibet.

Die Bundesregierung aber wird nicht mehr als nötig auf der Menschenrechtsfrage herumreiten wollen. Westerwelle sieht in dem Treffen eine "enorme Chance für die deutsche Wirtschaft". In China entstünden gerade neue Mittelschichten, die ein großes Interesse an deutschen Qualitätsprodukten zeigten. Wirtschaftsminister und FDP-Chef Philipp Rösler sekundiert seinem Vorgänger im Parteiamt: "Wir begrüßen das große chinesische Interesse an Direktinvestitionen in Deutschland." Es sei "gut für unsere Wirtschaft, für Wachstum und Beschäftigung, wenn sich Investoren langfristig bei uns engagieren und hier Arbeitsplätze schaffen".

Viel helfen werden Appelle ohnehin nicht. China ist zu einer wirtschaftlichen Weltmacht aufgestiegen. Das Land ist der größte Gläubiger der Vereinigten Staaten. Kaum ein Land der Erde, dass es sich noch leisten könnte, nicht mit Chinesen ins Geschäft zu kommen. Menschenrechte stören da nur.

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