China:Xi Jinpings Rezepte sind aus der Mottenkiste des Kommunismus

China: Starker-Führer-Kult: Seit Xi Jinping (links) an der Macht ist, kommt Mao Zedong (hier Poster bei einem Straßenhändler in der Provinz Shanxi) zu neuen Ehren.

Starker-Führer-Kult: Seit Xi Jinping (links) an der Macht ist, kommt Mao Zedong (hier Poster bei einem Straßenhändler in der Provinz Shanxi) zu neuen Ehren.

(Foto: Ng Han Guan/AP)

Chinas Parteichef will seine Macht weiter ausbauen. Doch an echte Strukturreformen traut er sich nicht heran. Und vieles im Land läuft schon jetzt nicht so, wie er es gerne hätte.

Von Kai Strittmatter, Peking

Die Kommunistische Partei Chinas (KP) tagt von diesem Montag an, um wieder einmal die Weichen für die Zukunft des Landes zu stellen. Auf der Plenarsitzung des Zentralkomitees soll unter anderem der 19. Parteitag im nächsten Jahr vorbereitet werden, bei dem Parteichef Xi Jinping seine Macht zementieren möchte.

Vor einigen Tagen hatte die Denkfabrik des Parteiblattes Volkszeitung eine "Untersuchung" veröffentlicht, die diesbezüglich einige Aufmerksamkeit erregte. Fand sie doch heraus, dass China dringend wieder einen starken Führer brauche. Konkret: eine Führungsfigur von "außerordentlicher Weisheit und Mut". Einen wie Mao Zedong zum Beispiel.

Und das Beste, so das Papier: China hat schon einen solchen Führer, Xi Jinping. Der Mann, der die vergangenen vier Jahre alle überrascht hat mit seinem Willen zur Macht, und der die nächsten vier Tage darum kämpfen wird, die Partei in seinem Sinne formen zu dürfen und noch mehr Macht an sich zu ziehen.

Es gehört schon einige Chuzpe dazu, ausgerechnet im Jahr 2016, da sich die von Mao Zedong angestoßene, für China verheerende Kulturrevolution (1966-1976) zum 50. Mal jährt, Mao zum Ausbund an Weisheit auszurufen, einen, dem es nachzueifern gilt. Aber es passt ins Bild.

Xi Jinping ist kein Maoist, aber er ist der erste KP-Generalsekretär seit Maos Tod 1976, der Mao regelmäßig zitiert und sich bei seinen Instrumenten bedient. Gleichzeitig ist er der erste, der wieder versucht, annähernd so viel Macht an sich zu ziehen wie Mao. Die Zeit des dezentralen Regierens, das der Wirtschaftsreformer Deng Xiaoping einführte, und das zu höchst kreativem Experimentieren in den Regionen führte - letztlich zum Wirtschaftswunder China -, die ist nun vorbei.

"Grundlose Kritik" an der KP-Führung verboten

Xi hat beispiellos zentralisiert. Er versucht, alle Macht an sich zu ziehen, erlaubt auch seinen eigenen Kadern wenig Freiraum. Nicht im Tun und nicht im Denken. "Grundlose Kritik" an der KP-Führung hat er schon kurz nach seinem Antritt 2012 verbieten lassen, und damit die existierenden Ansätze parteiinterner Demokratie gestutzt. Und mit seinem "chinesischen Traum", der den Wiederaufstieg Chinas zur Großmacht anvisiert, schwappt nicht nur eine neue Welle des Nationalismus übers Land - Xi Jinping will seine Partei und sein Land auch reideologisieren.

Alle naselang gibt es eine neue Kampagne gegen "westliche Werte" und eine Mahnung, sich wieder auf die alten Werte aus der Frühzeit der KP zurückzubesinnen. Gerade hielt er eine Rede zum Gedenken des Langen Marsches, mit dem die Rote Armee unter Mao sich 1934 bis 1936 vor der drohenden Vernichtung rettete. Xi rief die KP kurz vor dem Treffen in Peking zu einem "neuen langen Marsch" auf. Zum "festen Glauben" an den Kommunismus.

Xi Jinping, der Herr des Nichts

Xi Jinpings Rezepte sind in ihrem Kern aus der Mottenkiste des Kommunismus, an echte Strukturreformen traut er sich nicht, weswegen an ihrer Wirksamkeit auch viele Ökonomen, Juristen und Chinawissenschaftlern zweifeln. Das Neue an Xi im Vergleich zu seinen Vorgängern ist seine taktische Stärke im Machtspiel. Und sein unbedingter Wille zur Disziplinierung der KP, die er zu einer Frage von Leben und Tod für die Partei macht. Das zeigt sich an der lang anhaltenden Kampagne gegen die Korruption, die Wang Qishan für ihn führt, einer seiner Kollegen im Ständigen Ausschuss des Politbüros.

Deshalb auch steht genau das - die Parteidisziplin - nun im Mittelpunkt der nächsten vier Tage, wenn sich die mehr als 350 Mitglieder des Zentralkomitees in Peking treffen. Vor allem aber geht es auch um die Autorität von Parteichef Xi Jinping. So ein Parteipapier wie das eingangs beschriebene, das die dringende Notwendigkeit eines neuen Über-Führers beschwört, ist immer auch ein Zeichen für den heimlichen Widerstand in der Partei gegen genau das.

Vieles läuft ganz anders als gewollt

Beim 19. Parteitag 2017 werden fünf der sieben Mitglieder des Ständigen Ausschusses des Politbüros - des mächtigsten Gremium des Landes - in Ruhestand gehen, neue kommen nach. Wird es Xi gelingen, seine eigenen Seilschaften nach oben zu bringen? Seine Macht also zu festigen und auszubauen? Nach Anzeichen dafür werden Beobachter Ausschau halten.

Auch wird spekuliert, ob Xi alte, ungeschriebene Regeln aushebeln möchte. Etwa die eine, die den Ruhestand mit 68 zur Pflicht macht - was bedeutete, dass Xi seinen Alliierten Wang Qishan verlieren würde. Oder gar die andere, die besagt, dass kein Parteichef mehr als zehn Jahre im Amt bleibt.

Xi hat Rivalen, er hat sich Feinde gemacht - und bei all seiner Machtansammlung ist doch nicht zu übersehen, dass im Lande vieles überhaupt nicht so läuft, wie Xi es gerne hätte. Das britische Magazin Economist zählte soeben all die Felder auf, in denen das Gegenteil von dem passiert, was Xi versprochen und angekündigt hatte (Beispiel Immobilienblase und Stahlüberproduktion) und nennt ihn deshalb den "Master of nothing", den Herren von nichts.

Der Chef des Berliner China-Denkfabrik Merics, Sebastian Heilmann, nennt Xis Regierungsstil "Leninismus fürs 21. Jahrhundert", und spricht von "Lähmungserscheinungen", die nach vier Jahren Xi vor allem auf lokaler Ebene zu beobachten seien.

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