Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping kann bis zu seinem Lebensende Präsident bleiben: Der Nationale Volkskongress, Chinas Scheinparlament, hob am Sonntag in Peking die Begrenzung der Amtszeit des Staatspräsidenten auf. Bislang war nach zwei Mal fünf Jahren Schluss. 2958 Delegierte stimmten für die erste Änderung der Staatsverfassung seit 14 Jahren. Lediglich zwei der Abgeordneten votierten dagegen, drei enthielten sich. Eine Stimme war ungültig. Ein deutliches Ergebnis also.
Repräsentativ dürfte es allerdings nicht sein. Im Internet hatte die Ankündigung der Verfassungsänderung zu heftiger Kritik geführt. Sätze wie "Ich widerspreche", der Neologismus "Xi Zedong" oder schlicht "Kaiser" stehen derzeit auf dem Index. Um die Macht des Staats- und Parteichefs zu zementieren, wurde am Sonntag auch "Xi Jinpings Gedankengut für das neue Zeitalter des Sozialismus chinesischer Prägung" als neue Leitlinie in der Präambel der chinesischen Verfassung verankert. Kritik an Xi könnte damit künftig als verfassungswidrig betrachtet werden.
Jeder friedliche Machtübergang verjüngte und erneuerte das System
Es sei ein "Rückfall in die Ära von Mao Zedong", beklagte der Hongkonger Politologe Willy Lam. Es gebe nun keine Gegengewicht mehr zu Xi. Just aus diesem Grund hatte man 1982, wenige Jahre nach der wirtschaftlichen Öffnung Chinas, die Amtszeit begrenzt. Es war die Lehre aus der Kulturrevolution und dem Chaos, in das die Alleinherrschaft Mao Zedongs die Volksrepublik gestürzt hatte. In den vergangenen Jahrzehnten hatte sich infolgedessen in China eine Nachfolgeregelung etabliert, die einen Wechsel an der Spitze von Staat und Partei nach zehn Jahren erlaubt.
Staatliche Zensur:Das Internet wird zum Intranet
Regierungen beschränken die Meinungsfreiheit, wenige Unternehmen bestimmen die digitalen Spielregeln. Das freie Netz ist in Gefahr.
Der erste friedliche Machtübergang wurde 2002 vollzogen, als sich Jiang Zemin zurückzog und seinem ausgesuchten Nachfolger Hu Jintao Platz machte. Dieser räumte dann 2012 das Feld, Xi Jinping übernahm. Jedes Mal erneuerte und verjüngte sich das System. Für viele Fachleute ist das einer der Gründe für die Robustheit des chinesischen Apparats. Genau das Argument der Stabilität führen aber auch die Unterstützer der Verfassungsänderung an.
Eine neue Aufsichtskommission soll gegen Korruption vorgehen
Auf einer Pressekonferenz nach der Abstimmung in der Großen Halle des Volkes sagte Shen Chunyao, Chef des Rechtsausschusses des Nationalen Volkskongresses, das Amt des Parteichefs habe keine zeitliche Begrenzung, genauso wenig die Leitung der Militärkommission, da sei es nur logisch, die Beschränkung für den Präsidenten abzuschaffen, schließlich habe es sich bewährt, alle drei Ämter in einer Person zu vereinen. Xi ist Staatspräsident, Parteichef und steht der Militärkommission vor, wodurch er auch Oberbefehlshaber der Volksbefreiungsarmee ist. Xis Vorgänger Hu und Jiang hielten alle drei Ämter.
Ebenfalls am Sonntag beschlossen und in die Verfassung aufgenommen wurde die Gründung einer neuen Aufsichtskommission. Unabhängig von Oberstem Gericht oder Generalstaatsanwaltschaft kann die Einrichtung mit lokalen Unterkommissionen gegen Korruption, Dienstvergehen oder allzu lockere Umsetzung politischer Ziele vorgehen. Alle Staatsbediensteten müssen sich unterwerfen - vom Manager des Staatsunternehmens bis hin zum Dorfschullehrer. Die Kommission kann Verfahren einleiten, Verdächtige festnehmen, ermitteln und Strafen aussprechen. Bei kriminellen Vergehen werden die Verdächtigen später auch dem Staatsanwalt übergeben. Millionen Chinesen stehen künftig unter Aufsicht.
Xis Anti-Korruptions-Kampagne räumte etliche Konkurrenten aus dem Weg
Bemerkenswerterweise ist die Leitung der neuen Behörde auf maximal zehn Jahre begrenzt. Ein ähnliches System gilt bislang nur für Mitglieder der Kommunistischen Partei. Losgelöst von der Rechtsstaatlichkeit können Kader beim sogenannten Shuanggui-Verfahren weggeschafft und verhört werden. Ihnen ist dann weder der Kontakt zur eigenen Familie erlaubt noch dürfen sie einen Anwalt zu Rate ziehen. Über Monate können sie weggesperrt werden, nicht in Gefängnissen, sondern zu meist in Gästehäusern der Regierung.
Jedes Jahr trifft es Zehntausende Genossen in China. Gewöhnlich geht es um Korruptionsdelikte. Seit Xis Machtübernahme 2012 haben diese Fälle drastisch zugenommen. Xi verfolgt mit harter Hand eine Anti-Korruptions-Kampagne. In öffentlichen Reden spricht er davon, gegen die Bakschisch-Wirtschaft der "Fliegen" (kleine Kader) und "Tiger" (mächtige Funktionäre) vorzugehen. Hundertausende mussten bislang ihre Posten räumen. Etliche Konkurrenten wurden so aus dem Amt gedrängt. Xi Jinping bescherte das eine Machtfülle wie keinem seiner Vorgänger in den vergangenen 40 Jahren.