Süddeutsche Zeitung

China:Viereinhalb Jahre Haft für Anwalt

Wang verteidigte die Opfer von Enteignungen, jetzt wurde er wegen "Untergrabung der staatlichen Gewalt" verurteilt.

Drei Jahre fehlte von Wang Quanzhang jede Spur. Der chinesische Menschenrechtsanwalt war 2015 festgenommen worden. Seitdem durfte er weder Kontakt zu seiner Familie aufnehmen noch einen Anwalt konsultieren. Am Montag verurteilte das Gericht den 42-Jährigen zu viereinhalb Jahren Gefängnis. Ein Gericht in der nordchinesischen Stadt Tianjin sprach ihn der "Untergrabung der staatlichen Gewalt" schuldig.

Seine Frau wurde unter Hausarrest gestellt und konnte nicht am Prozess teilnehmen

Der Anwalt hatte in der Vergangenheit zahlreiche heikle Fälle übernommen. Er arbeitete für die inzwischen geschlossene Anwaltskanzlei Fengrui in Peking. Die Kanzlei verteidigte Aktivisten wie den heute in Deutschland im Exil lebendenden Künstler Ai Weiwei. Wang Quanzhang kämpfte für investigative Journalisten, Aktivisten und Opfer von Landenteignungen. Am 9. Juli 2015 gingen die Behörden in einer koordinierten Aktion gegen mehr als 300 Anwälte und Aktivisten im Land vor. Die Verhaftungswelle wurde später als 709-Crackdown bezeichnet, benannt nach dem ersten Tag der landesweiten Niederschlagung der Menschenrechtsbewegung.

Viele der 2015 verhafteten Anwälte wurden in den Folgejahren mundtot gemacht, aber immerhin wieder freigelassen. Nur eine Handvoll Anwälte und Aktivisten saß weiterhin in Haft, meistens ohne Kontakt zur Außenwelt. Der aus dem nordostchinesischen Shandong stammende Wang Quanzhang durfte erst im vorigen Sommer Besuch von einem Anwalt empfangen. Im Dezember stellte ihn die chinesische Regierung vor Gericht, erneut abgeschottet von der Weltöffentlichkeit. Denn angeblich ging es bei dem Prozess um "Staatsgeheimnisse". Wangs Ehefrau Li Wenzu, die immer wieder seine Freilassung gefordert hatte, wurde faktisch unter Hausarrest gestellt, um sie an einer Teilnahme an dem Prozess zu hindern. Auch ausländische Reporter durften nicht an dem Gerichtsverfahren teilnehmen.

In fast jedem Gerichtssaal in China wird an das Versprechen von Gerechtigkeit erinnert

Seit dem Amtsantritt von Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping vor sechs Jahren beklagen Beobachter eine weitere Verschlechterung der Menschenrechtslage. Neben Dissidenten und Bürgerrechtsanwälten werden auch Minderheiten wie Tibeter und die muslimische Minderheit der Uiguren verstärkt verfolgt. In der westchinesischen Provinz Xinjiang soll nach Angaben der Vereinten Nationen bis zu einer Million Menschen aufgrund ihrer Ethnie und Religion unrechtmäßig in Arbeitslagern festgehalten werden. In einem Bericht für die amerikanische Internetseite China Change, die über die Menschenrechtslage in China berichtet, hatte Wang bereits im Juni 2015 nach einer Gerichtsverhandlung gegen Mitglieder der Falun-Gong-Bewegung über die immer schwierigere Situation für ihn und seine Kollegen geschrieben. Er habe in der Vergangenheit Drohanrufe erhalten, man sei in seine Wohnung eingebrochen, man habe ihn absichtlich angefahren und sein Telefon und seinen Computer konfisziert. "Das alles habe ich durchgestanden", schrieb er. Doch in jenem Sommer habe eine "Gruppe wild prügelnder Gerichtsvollzieher" ihn noch während der Verhandlung verhört, durchsucht und geschlagen. Es sei "absurd und lächerlich" gewesen im Angesicht des Versprechens von Chinas Parteiführern, das in fast jedem Gerichtssaal in China hängt, so Wang erbittert. Darin heißt es: "Erlaube den Massen in jedem Fall vor Gericht, Gerechtigkeit und Gerechtigkeit zu erfahren." 41 Tage nachdem sein Beitrag erschienen war, verschwand Wang.

Als Reaktion auf die Verkündung des Urteils am Montag forderte Doriane Lau von der Menschenrechtsorganisation Amnesty International die Freilassung des Anwalts. Sie sprach von einer "krassen Ungerechtigkeit". In den drei Jahren bis zu seinem Scheinprozess hätten ihn die Behörden in einem schwarzen Loch verschwinden lassen, kritisierte sie. Wang werde bestraft, weil er sich "friedlich für die Menschenrechte eingesetzt" habe. Der Anwalt müsse sofort freigelassen werden. Auch Maya Wang von Human Rights Watch in Hongkong erklärte, Wang hätte nie inhaftiert werden dürfen.

In der Vergangenheit hatte sich auch die deutsche Bundesregierung für Wang eingesetzt. Zum Prozessbeginn hatte die Menschenrechtsbeauftragte Bärbel Kofler kritisiert, dass der Prozess unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfinde. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte sich erst im Mai vergangenen Jahres auf ihrer China-Reise mit Wangs Ehefrau Li Wenzu getroffen.

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SZ vom 29.01.2019 / SZ
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