China und die EU:Überfällige Strategie

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Das einst bitterarme China ist die zweitgrößte Handelsmacht der Welt geworden. Das Land setzt mit Härte seine eigene Interessen durch. Europa muss darauf dringend reagieren - nicht mit enem Handelskrieg, wie ihn Donald Trump führt, sondern mit einer gemeinsamen Strategie.

Von Christoph Giesen

Wandel durch Handel: Seit Jahrzehnten sieht so ein Leitmotiv der deutschen und der europäischen Außenpolitik aus. In China ist diese Strategie gescheitert. Die Volksrepublik hat sich in den vergangenen 40 Jahren zwar ökonomisch geöffnet und ist von einem der ärmsten Länder der Welt zur zweitgrößten Volkswirtschaft der Erde aufgestiegen; eine freie, demokratische Gesellschaft ist in China jedoch nicht entstanden. Die Frage lautet heute mehr denn je: Wer wandelt künftig wen?

Wenn in dieser Woche die Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union in Brüssel zusammentreten, steht neben der unvermeidlichen Brexit-Debatte auch ein "Gedankenaustausch über die gesamten Beziehungen zu China" auf der Agenda. Und das ist höchste Zeit.

Die EU und China sind zu Rivalen geworden. Chinesische Firmen drängen nach Europa, kaufen sich ein, gefördert von ihrem Staat. Peking schickt sich an, sein Modell in die Welt zu tragen. Da ist die neue Seidenstraße, das Lieblingsprojekt von Staats- und Parteichef Xi Jinping. Das Infrastrukturprogramm sichert vor allem chinesischen Unternehmen Milliardenaufträge und treibt ganze Länder erst in die finanzielle, dann in die politische Abhängigkeit Pekings. Auch eigene Strukturen schafft China: in Europa den Mechanismus "16 + 1". Elf osteuropäische EU-Mitglieder nehmen daran teil, genauso wie fünf Balkanstaaten. Das siebzehnte Mitglied ist die Volksrepublik selbst. Einmal im Jahr wird ein pompöser Gipfel ausgerichtet, und Peking verspricht billige Kredite - für Infrastrukturprojekte.

Die chinesische Führung hat sehr genau verstanden, wie die EU funktioniert und wie man die Europäer auseinanderdividiert. Statt in Brüssel vorzusprechen, wenden sich Pekings Emissäre direkt an einzelne Mitgliedsstaaten, es wird gelockt. Und wer nicht spurt, muss sich auf frostige Beziehungen einrichten, wie etwa Schweden dieser Tage, im Streit um seinen Staatsbürger, den Buchhändler Gui Minhai, der in China im Gefängnis sitzt.

Es ist gut, dass die Europäer nun eine gemeinsame Linie finden wollen. Und es ist gut, dass die EU nicht mit Schaum vor dem Mund agiert wie US-Präsident Donald Trump, der die Welt an den Rand eines ruinösen Handelskriegs getwittert hat. Man kann und soll mit China zusammenarbeiten, aber die Regeln dafür müssen geschärft werden.

Beispiel öffentliche Ausschreibungen: Chinesische Unternehmen können derzeit in Europa mitbieten, sie dürfen Straßen bauen, Flughäfen und Kraftwerke errichten. Andersherum ist das fast ausgeschlossen. Peking ist dem Übereinkommen zum öffentlichen Beschaffungswesen der Welthandelsorganisation nicht beigetreten. Öffnet China sich nicht, muss sich auch Europa für chinesische Firmen ein Stück weit verschließen.

Die Lösung: Unternehmen aus Staaten, welche die WTO-Regeln nicht ratifiziert haben, dürfen nicht mehr zum Zug kommen. Auch bei Firmenübernahmen sollte künftig genau überprüft werden, woher das Geld stammt. Handelt es sich um ein Privatunternehmen? Oder um einen Konzern, der mit Subventionen gepäppelt im Staatsauftrag unterwegs ist? Notfalls müsste die EU-Kommission einschreiten, indem sie einen Kauf nicht genehmigt. Gemeinsam ist Europa stark, denn China braucht die EU als Markt für seine Produkte. Diese Stärke müssen die Mitglieder nur noch erkennen - und vereint handeln.

© SZ vom 18.03.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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