China und der Friedensnobelpreis:"Sie ist verschwunden"

Einen Tag nachdem das Nobelkomitee den Friedensaktivisten Liu Xiaobo ausgezeichnet hat, bekommt nun seine Frau die Unerbittlichkeit des chinesischen Regimes zu spüren. Liu Xia wurde offenbar von der Polizei aus Peking verschleppt.

Wie erbost Peking über die Entscheidung aus Oslo ist, den Friedensnoblepreis an einen "Kriminellen" zu verleihen, macht die chinesische Regierung nicht nur verbal deutlich. Chinesische Menschenrechtsaktivisten sorgen sich nun um dessen Ehefrau. Der Anwalt des Preisträgers erklärte am Samstag: "Sie ist verschwunden".

Liu Xia

Liu Xia, Ehefrau des chinesischen Friedensnobelpreisträgers Liu Xiaobo, zeigte sich unmittelbar nach der Vergabe glücklich - und besorgt.

(Foto: AP)

Der Dissident Wang Jinbo sagte unter Berufung auf den Bruder des Preisträgers, dass Liu Xia "in Begleitung der Polizei" auf dem Weg zum Gefängnis in Jinzhou sei. Dort - etwa 500 Kilometer von Peking entfernt - sitzt Liu Xiaobo seine elfjährige Haftstrafe wegen "Untergrabung der Staatsgewalt" ab. Doch Liu Xia hat aller Wahrscheinlichkeit nach nicht freiwillig Peking verlassen.

Kurz nachdem Nobel-Präsident Thorbjoern Jaglandin in der norwegischen Hauptstadt vor die Presse getreten war, um den Preisträger bekanntzugeben, hatten Polizeikräfte in Peking den Zugang zu dem Appartementhaus, in dem Liu Xia wohnt, abgeriegelt. Etwa 100 Unterstützer und Dutzende Journalisten, die sich vor dem Gebäude versammelt hatten, mussten draußen bleiben.

"Ich bin glücklich, aber ich kann nicht herauskommen", erklärte die Ehefrau des Friedensnobelpreisträgers und brachte ihre Sorge zum Ausdruck, was der Nobelpreis für die Zukunft ihres Mannes und ihre eigene bedeuten würde: "Ich konnte mir nicht vorstellen, dass er den Nobelpreis gewinnen würde", sagte sie. "Deswegen ist es umso schwerer, mir vorzustellen, wie sich alles entwickeln wird, nachdem er ihn bekommen hat."

Die Befürchtung der Ehefrau

Am späten Freitagabend sagte Liu Xia dann dem US-Rundfunksender Radio Free Asia, die Polizei warte, dass sie ihre Sachen zusammenpacke. Die Beamten hätten ihr gesagt, das sie ihren Mann sehen könne. Sie befürchte jedoch, dass sie außerhalb der Hauptstadt unter Hausarrest gestellt werden könnte. Über Twitter teilte sie mit, sie habe sich bereits am Donnerstag gegen Versuche der Polizei gewehrt, sie zu einer Reise nach Jinzhou zu überreden.

Die chinesische Führung hatte zuvor offiziell mit aller Schärfe auf die Entscheidung des Nobel-Komitees reagiert. Liu sei "ein Krimineller" und die Vergabe "an solche Leute" sei "eine Schmähung" des Preises, hieß es. Umgehend wurde der norwegische Botschafter einbestellt . Über den chinesischen Vertreter in Oslo ließ Peking den "kräftigen Protest" der Regierung übermitteln und kündigte den Angaben zufolge Konsequenzen an.

Neben Lius Frau ließen die chinesische Behörden Dutzende weitere Aktivisten festnehmen. Die Polizei habe am Freitagabend in Peking und anderen Städten bei Feiern anlässlich der Auszeichnung des inhaftierten Dissidenten mehrere Dutzend Teilnehmer abgeführt, sagten Menschenrechtler der Nachrichtenagentur AFP.

"Der Preis verursacht der Regierung große Kopfschmerzen", sagte der bekannte Menschenrechtsanwalt Teng Biao. Peking hat jede Berichterstattung über den Friedensnobelpreisträger aus dem eigenen Land unterbunden. Auch im Internet sind in China zu dem Thema kaum Informationen zu finden. "Sie (die chinesische Regierung, Anm. d. Redaktion) will nicht, dass die Menschen von dieser Geschichte erfahren. Nichts davon wird in der Presse berichtet", sagte Biao.

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