China und der Besuch Obamas:Weltmacht im Wartestand

Peking und Washington umkreisen einander misstrauisch - Rivalität liegt in der Luft: Welche Lehre aus der China-Visite von US-Präsident Obama zu ziehen ist.

Stefan Kornelius

China ist die politische Entsprechung zu einem Konzern an der Spitze des Dow-Jones-Index: Das Land ist zu mächtig und zu bedeutend, als dass man es ignorieren oder gar fallenlassen könnte.

Treffen in Peking: Barack Obama Hu Jintao; Getty

Treffen in Peking: Barack Obama (rechts) und Hu Jintao

(Foto: Foto: Getty)

Too big to fail heißt der Merksatz aus der Hochphase der Finanzkrise - wer erst einmal eine bestimmte Größe erreicht hat, der kann tun und lassen, was er will. Der wird nicht abgeschrieben.

Diese Erfahrung ist in der Politik nicht neu. Wer zahlt, bestimmt die Musik, wer dicke Muskeln hat, der muss sich gar nicht erst prügeln - das Kraftpaket wirkt schon abschreckend genug. In diesem Sinne hat der amerikanische Präsident Barack Obama in China eine Lehrstunde in Sachen Machtbeschränkung erhalten. Die USA haben in den vergangenen 20 Jahren fast uneingeschränkte Handlungsfreiheit genossen, nun neigt sich diese Phase ihrem Ende entgegen.

Noch ist zwischen China und den USA keine offene Rivalität ausgebrochen. Kleinere Hakeleien um ein Spionageflugzeug im Luftraum oder einen Erkundungs-Kutter im Seegebiet der Volksrepublik dienten lediglich der Erinnerung daran, dass die Beziehungen zweier Großmächte auch militärisch spannungsreich sein können. Heute wird der Machtkampf aber nicht mehr über die Streitkräfte ausgetragen. Er findet auf subtilere Weise statt, auf den Ölfeldern, bei Klima-Konferenzen, im ideologischen Wettbewerb um die Köpfe.

Obama abgeschirmt

Dies ist die wichtigste Lehre für den amerikanischen Präsidenten aus seinem ersten Ausflug nach China: Der Zugang zu den Köpfen blieb ihm verschlossen. Obama drang nicht durch mit seiner Botschaft, zum einen weil er abgeschirmt wurde und nicht ungehindert kommunizieren konnte.

Und zweitens, weil er sich selbst beschränkte. Obama hat sich einer politischen Selbstzensur unterworfen und gesteht damit ein: China ist bereits zu mächtig, als dass der amerikanische Präsident ungestraft seine Belehrungen und Forderungen loswerden könnte.

Stattdessen bleibt die peinliche Botschaft aus der Begegnung in der Großen Halle des Volkes hängen: Ein um die Meinungs- und Informationsfreiheit bemühter Präsident akzeptiert, dass während einer Pressekonferenz keine Fragen gestellt werden dürfen.

Wachsende Rivalität

Um die Spannung nachzuvollziehen, musste man nur den chinesischen Präsidenten Hu Jintao dabei beobachten, wie er unnahbar, roboterhaft gar, das protokollarische Zeremoniell mit Obama absolvierte. Der Haptiker Obama ist gescheitert an dem abweisend wirkenden Hu.

Genauso scheiterten die amerikanischen Vorstellungen von Offenheit, Meinungsfreiheit und am Ende auch von der Demokratie am Monolithen China. Die Partei-Autokratie ist misstrauisch und unnahbar. Misstrauen aber ist typischerweise das erste Kennzeichen einer wachsenden Rivalität zweier Mächte, gefolgt von Spannungen und manchmal am Ende gar Krieg.

Die Auseinandersetzung zwischen den USA und China findet vor der Kulisse der Finanz- und Wirtschaftskrise statt, die Amerika zum größten Schuldner und China zum größten Kreditgeber auf der Welt haben werden lassen.

China verdankt sein Wachstum dem amerikanischen Markt - Amerika verdankt seine Marktkraft dem Billiglohnland China und seiner hoffnungslos unterbewerteten Währung, dem Renminbi. Allerdings wäre es falsch, Amerikas Angreifbarkeit mit den hohen Dollar-Reserven und US-Schuldverschreibungen in den Tresorräumen der chinesischen Staatsbank zu erklären. Die Abhängigkeit ist wechselseitig, die Ökonomien sind verwoben.

An der Schwelle

Im Kern wird die Auseinandersetzung nicht um Geld, sondern um Werte geführt. Es geht darum, wer wem etwas vorschreiben darf auf dieser Welt, und nach welchen Regeln gespielt wird. Die USA haben nach dem Zweiten Weltkrieg vor allem von der Tatsache profitiert, dass sie die Nachkriegsordnung und deren Institutionen - die UN, die Finanzorganisationen - nach ihrem Wertesystem modelliert haben. China steht nach seinem Wachstumsschub nun an der Schwelle, an der es sich entscheiden muss: Soll es die Regeln akzeptieren, oder bemüht es sich um ein Gegenmodell.

Dabei spielt es in erster Linie keine Rolle, ob das Fragerecht bei Pressekonferenzen, ob Meinungsfreiheit oder gar Demokratie zugelassen wird. Die Parteiideologen in Peking erklären bereits jetzt eloquent, warum Demokratie nicht unbedingt die stärkste Regierungsform sein muss, und warum Freiheit auch von einer einzigen Partei gewährt werden könne.

Obama will zunächst mal ganz praktische Probleme lösen: Verlässlichkeit und Transparenz im Wirtschaftleben, Rechtssicherheit, Dialog zwischen den Streitkräften, Verantwortungsbewusstsein im internationalen Geschäft um Rohstoffe oder die Nuklearrüstung.

China wird sich bekennen müssen, ob ihm die Ölgeschäfte mit Iran wichtiger sind als die Sanktionen. Obama muss dies auch, aber er muss seine Entscheidung öffentlich begründen und wird im Zweifel an der Urne dafür bestraft. Die chinesische Führung ist diesem Rechtfertigungsdruck im Inneren nicht ausgesetzt. Die Welt aber erwartet Erklärungen. China ist zu mächtig geworden, als dass es über seine Politik schweigen könnte.

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