Kriegsdiplomatie:Kiew und der chinesische Faktor

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Chinas Außenminister Wang Yi und sein ukrainischer Kollege Dmytro Kuleba, am Rande der Münchner Sicherheitskonferenz im Februar. (Foto: Ren Pengfei/IMAGO/Xinhua)

Peking lädt den ukrainischen Außenminister zum dreitägigen Besuch. Das macht Eindruck. Aber wie viel Engagement für einen Frieden bringt China tatsächlich auf?

Von Florian Hassel, Florian Müller, Peking, Belgrad

Es ist ein spannender Besuch, zu dem der ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba am Dienstag – zum ersten Mal seit 2022 – in Peking eintraf. Und die Gespräche auf Einladung von Chinas Außenminister Wang Yi sollen gleich drei Tage dauern. Details sind noch nicht bekannt geworden. In einer von der ukrainischen Botschaft in Peking vor Gesprächsbeginn veröffentlichten Videobotschaft des Ministers an die „chinesischen Freunde“ hieß es, dass die Beziehungen zwischen ihren Ländern vor allem auf dem „gegenseitigen Respekt der territorialen Integrität fußen“ würden.

Dies ist ein Satz, den Peking eigentlich gerne hört, verwendet China ihn doch vor allem im Konflikt um die Inselrepublik Taiwan, auf die die Volksrepublik Anspruch erhebt. Andererseits bedeutet er aus Sicht Kiews, dass damit im eigenen Land weder die Besetzung und rechtswidrige Annexion der Krim durch Russland anerkannt wird noch die Besetzungen und Annexionen vier weiterer ukrainischer Regionen.

Peking spricht nicht von Krieg, sondern nur von der „Ukraine-Krise“

Kuleba zufolge hätten die meisten Chinesen von der Ukraine vor allem im Zusammenhang mit „Russlands Krieg gegen die Ukraine“ gehört. Er komme nach China, um über die Möglichkeit eines Friedens mit Russland zu sprechen. Doch Kuleba betont: „Wir brauchen einen echten und fairen Frieden.“ Einen, der den ukrainischen Vorstellungen entspricht.

Peking dagegen bezeichnet den von Moskau entfesselten Krieg gegen das souveräne Nachbarland konsequent nur als Ukraine-Krise. „China wird sich weiterhin auf die Seite des Friedens und des Dialogs stellen und die internationale Gemeinschaft dabei unterstützen, einen größeren Konsens zu erzielen und gemeinsam praktische Wege zur politischen Lösung der Krise zu finden“, sagte Mao Ning, Sprecherin des chinesischen Außenministeriums, am Dienstag.

Zudem betont Peking eine politische Lösung, die „den gemeinsamen Interessen aller Parteien dient“. Soll heißen: auch die Interessen von Chinas Verbündetem Russland. Und an dieser Stelle ist klar, dass die Vorstellungen weit auseinandergehen. Schon im Februar 2023 stellte Peking einen Zwölf-Punkte-Plan vor, der im Westen als prorussisch abgetan wurde.

Werben für eine Konferenz mit Russland

Im Juni blieb China aus Protest gegen Russlands Abwesenheit einer von Kiew organisierten Friedenskonferenz in der Schweiz fern. Stattdessen warb Peking in einem verkürzten Sechs-Punkte-Plan gemeinsam mit Brasilien für eine Konferenz mit Russland. Der Präsident der Ukraine, Wolodimir Selenskij, warf China daraufhin am 2. Juni vor, es halte systematisch andere Länder von der Teilnahme an der Konferenz in der Schweiz ab.

Dass Peking, wenn es will, durchaus in globalen Konflikten vermitteln kann, bewies es zuletzt im Nahostkonflikt. So spricht Iran seit 2023 dank Chinas Mediation wieder mit seinem Feind Saudi-Arabien. Und erst am Dienstag einigten sich die verfeindeten palästinensischen Gruppen Hamas und Fatah laut chinesischem Außenministerium auf eine „nationale Interimsregierung“. Trifft dies zu, ist es ein diplomatischer Erfolg, der Chinas Anspruch als Führungsmacht des globalen Südens und als Alternative zu den USA untermauert.

Peking weiß, dass der Krieg in der Ukraine für die Europäer ein wichtiges Thema ist. Daher schadet es nichts, sich gesprächsbereit zu geben, etwa wenn man Ungarns Regierungschef Viktor Orbán begrüßt. Oder einen ukrainischen Außenminister. Die dabei entstehenden Bilder werden an Chinas Unterstützung für Russland wohl nichts ändern, aber könnten die Wahrscheinlichkeit neuer europäischer – und vor allem: US-amerikanischer – Sanktionen gegen China verringern.

China verdient gut am Handel mit Russland

Gleichwohl hat Peking im Ukraine-Krieg nach Einschätzung vieler Experten wenig Interesse an echter Vermittlung. China verdient gut am Handel mit Russland, einem seiner wichtigsten Energielieferanten. Die Volksrepublik ihrerseits liefert Russland keine Waffen, doch ist das Land für kriegswichtige Güter wie Maschinen und Halbleiter Moskaus Hauslieferant geworden, wie es US-Außenminister Antony Blinken Ende April beschrieb.

Und obwohl einige chinesische Firmen bereits Ziel westlicher Sanktionen sind, hat Peking die Unterstützung Russlands bislang quasi nichts gekostet. Aus chinesischer Sicht kann der Krieg in der Ukraine weitergehen, bis sich in den USA eine neue Regierung gebildet hat und klar ist, wie die künftige militärische Unterstützung der Nato für die Ukraine aussieht. Solange es für Putin auf dem Schlachtfeld einigermaßen läuft, hat weder China ein Interesse daran, Druck auf ihn auszuüben, noch würde sich Russlands Herrscher ihm beugen.

Zwar haben westliche Munitions- und Waffenlieferungen an die Ukraine und die Erlaubnis, russische Stellungen jenseits der Grenze mit westlicher Artillerie und Raketen anzugreifen, einen Zusammenbruch der Front etwa bei Charkiw verhindert. Doch die Ukraine ist ihrerseits einem Bericht des Londoner Militärforschungsinstitut Rusi vom 18. Juli zufolge 2024 nicht zu einer neuerlichen Offensive in der Lage, um zu versuchen, russisch besetzte ukrainische Gebiete zu befreien. Im Gegenteil machen russische Truppen an mehreren Stellen in der Ostukraine Boden gut, stellt das Institut für Kriegsstudien in Washington fest.

Präsident Selenskij fordert die USA auf, ihm auch Angriffe auf russische Ziele wie etwa den Militärflughafen Millerowo in der Region Rostow zu erlauben, von denen aus russische Flugzeuge zu Angriffen auf die Ukraine starten.

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