China:Sicherheit für die Herrscher

China: Im Griff der Staatsgewalt: Polizisten nehmen auf diesem Archivbild in Peking eine Frau fest, die gegen das Justizsystem protestiert hat.

Im Griff der Staatsgewalt: Polizisten nehmen auf diesem Archivbild in Peking eine Frau fest, die gegen das Justizsystem protestiert hat.

(Foto: Mark Ralston/AFP)

China gibt sich ein neues Gesetz, das den Schutz der Nation stärken soll. Zugleich aber ermöglicht es dem Machtapparat größere Kontrolle. Rechtsanwälte und Menschenrechtler fürchten um die letzten Freiräume.

Von Kai Strittmatter, Peking

China hat am Mittwoch ein Gesetz zum Schutz der Nationalen Sicherheit verabschiedet, das dem Sicherheitsapparat neue weitreichende Befugnisse und Möglichkeiten der Kontrolle einräumt. Der vage definierte Begriff der "Nationalen Sicherheit" umfasst in Zukunft alles von Religion, Umwelt und Lebensmittelversorgung über Cybersicherheit und Bankwesen bis hin zu Chinas Interessen in Tiefsee und Weltall.

Staatsmedien erklärten, das Gesetz erlaube der Regierung "alle notwendigen" Schritte, um die "nationale Sicherheit" zu gewährleisten. Zu dieser gehört dem Gesetz zufolge auch die "Verteidigung der demokratischen Diktatur des Volkes und des sozialistischen Systems mit chinesischen Besonderheiten", also die Herrschaft der Kommunistischen Partei Chinas. Außerdem führt das Gesetz zur Belehrung der Bevölkerung jährlich am 15. April einen landesweit zu begehenden "Tag der Nationalen Sicherheit" ein.

Ausländische Unternehmer sind um ihre Geschäfte in China besorgt

Das Gesetz trifft auf scharfe Kritik von chinesischen Rechtsanwälten und Menschenrechtlern. Sie sehen darin eine weitere Bedrohung ihrer zuletzt schon arg geschrumpften Freiräume. Ebenso besorgt sind ausländische Unternehmer, die befürchten, das Gesetz könnte vom Sicherheitsapparat gegen ihre Geschäfte in China eingesetzt werden. Der Nationale Volkskongresses (NVK) in Peking verabschiedete das Gesetz am Mittwoch bei nur einer Enthaltung. Eine NVK-Sprecherin sagte hernach, die Situation für Chinas nationale Sicherheit sei "zunehmend ernst". China stehe unter besonderem Druck, was den Schutz seiner Souveränität angehe, sagte Zheng Shuna vom NVK; gleichzeitig müsse man die "politische und gesellschaftliche Sicherheit im Inneren" sicherstellen. Zheng Shuna betonte, Ziel sei "der Schutz der fundamentalen Interessen unserer Bürger". Die Verteidigung der Staatssicherheit gehe Hand in Hand mit dem "Schutz der Rechte und Freiheiten der Bürger".

Menschenrechtler zeigten sich davon wenig überzeugt. Human Rights Watch (HRW) und Amnesty International wiesen darauf hin, dass das Gesetz nur eines einer Reihe neuer und geplanter Gesetze sei, die ganz offensichtlich den kleinen Spielraum der Zivilgesellschaft weiter einschränken sollten. Konkret beklagen sie auch das neue Anti-Terror-Gesetz und das geplante Gesetz zur Kontrolle der Nichtregierungsorganisationen, das in Zukunft sämtliche ausländische NGOs der direkten Überwachung durch das Polizeiministerium unterstellt. Ähnlich dem Anti-Terrorgesetz enthalte auch das neue Gesetz zu vage Formulierungen, heißt es in einer Stellungnahme von HRW; diese Formulierungen erlaubten es der Regierung, auch legitime Kritik als "Form der Subversion" zu verfolgen.

Das Gesetz über die Nationale Sicherheit sei "ein Produkt der Ideologie", sagte der Pekinger Rechtsanwalt Li Xiongbing der SZ. "Die Einschränkung, Entziehung und Verletzung der Bürgerrechte ist die größte Verletzung der nationalen Sicherheit. Was wir im Interesse der nationalen Sicherheit bräuchten, wäre stattdessen echter Respekt für Menschenrechte." Die Führung unter Parteichef Xi Jinping habe schon in den vergangenen zwei Jahren die Bürgerrechte stark eingeschränkt. Es gebe "nur einen Grund, wieso sie jetzt solche Gesetze erlassen: Sie wollen die Stabilität des Regimes schützen". Eva Pils, Expertin für chinesisches Recht am King's College der Universität London, sprach in der South China Morning Post von einem Zeichen für "einen neo-totalitären Ehrgeiz, jeden Winkel der Gesellschaft zu kontrollieren".

Das neue Gesetz ersetzt ein altes von 1993, das viel enger gefasst und einst als Gesetz gegen Spionage bekannt war. Es kommt zu einer Zeit, da die Parteiführung um Xi Jinping viel Aufmerksamkeit und Propaganda der vermeintlichen Subversion Chinas durch "feindliche ausländische Kräfte" widmet. Seit zwei Jahren zieht die KP verstärkt gegen "westliche Werte" zu Felde; ein Papier der Parteispitze nennt ausdrücklich Ideen wie Pressefreiheit und Zivilgesellschaft als Ziele, die es mit aller Kraft zu bekämpfen gelte. Die neuen Gesetze stärken noch einmal den im vergangenen Jahrzehnt erheblich mächtiger gewordenen Sicherheitsapparat. In den drei Jahren vor dem Amtsantritt von KP-Chef Xi Jinping 2012 hatte Chinas Regierung in ihrem Haushalt jeweils mehr Geld für die innere Sicherheit vorgesehen als für die Landesverteidigung. Seit 2012 werden die Zahlen nicht mehr publik gemacht.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: