Als gäbe es nicht schon genügend Konfliktzonen auf der Welt, haben Russland und China am Mittwoch mit gemeinsamen Militärübungen im Südchinesischen Meer begonnen. Der Auftakt „Maritime Cooperation – 2024“ wurde am Mittwoch im chinesischen Hafen von Zhanjiang gefeiert, einer Stadt im Südwesten von Guangdong. Chinesische und russische Soldaten standen dabei in strahlend weißen Marineuniformen stramm und hörten einer Militärkapelle zu, die vor stahlgrauen, mit bunten Wimpeln geschmückten Kriegsschiffen aufspielte.
Anschließend stachen die russische Pazifikflotte und die chinesische Marine in See, zu „gemeinsamen Luftverteidigungsübungen und U-Boot-Abwehrübungen“, wie das russische Verteidigungsministerium meldete. Drei Tage sollen die Übungen dauern, bestätigte die chinesische Global Times. „Die gemeinsame chinesisch-russische Patrouille fördert die Vertiefung und praktische Zusammenarbeit zwischen beiden Seiten“, erklärte Wang Guangzheng, Sprecher der chinesischen Marine, dem Staatssender CCTV. „Und sie verbessert die Fähigkeit beider Seiten, gemeinsam auf Bedrohungen der maritimen Sicherheit zu reagieren.“
Es könnte brenzlig werden für die Philippinen – und damit auch für die USA
Die Frage ist nur, wer sich bedroht fühlen kann. Denn die Übungen werden in einem Gebiet stattfinden, das in den vergangenen zwei Jahren zu einem Spannungsfeld mehrerer Mächte geworden ist. Peking betrachtet einen großen Teil des Südchinesischen Meers als sein Hoheitsgebiet, was zu andauernden Auseinandersetzungen mit der Regierung in Manila führt, die dasselbe Gewässer als Westphilippinisches Meer bezeichnet.
Je nachdem, wie nah die russisch-chinesischen Übungen an dieses Westphilippinische Meer heranreichen, umso brenzliger könnte die Situation für die Philippinen werden, die ein Verteidigungsabkommen mit den USA abgeschlossen haben, das in den vergangenen Jahren ordentlich aufgestockt wurde. Und zwar immer im Gleichtakt mit Gebietsverletzungen der chinesischen Regierung. Unmittelbar betroffen ist auch Taiwan, das um seine Unabhängigkeit von China fürchtet.
Weder Peking noch Moskau machten am Mittwoch Angaben dazu, wo genau die Übungen stattfinden werden. Aber sie könnten in die Gewässer um das umstrittene Second Thomas Shoal führen, ein untergegangenes, atollförmiges Riff, auf dem das philippinische Militär 1999 ein altes Kriegsschiff, die Sierra Madre, auf Grund laufen gelassen hat, um den eigenen Gebietsanspruch abzusichern. Das Gebiet liegt etwa 1300 Kilometer entfernt von der chinesischen Küste.
Angebliche chinesische Fischerboote schießen mit Wasserwerfern auf philippinische Schiffe
Die Versorgungsfahrten zu diesem Posten werden seit zwei Jahren massiv gestört durch chinesische Blockaden und angebliche Fischerboote, die mit starken Wasserwerfern auf die philippinischen Schiffe feuern. Immer haarscharf an einem ausgewachsenen militärischen Konflikt vorbei – in den die USA eingreifen müssten.
Man könnte diese Übungen also auch als Drohgebärde von Moskau und Peking in mehrere Richtungen gleichzeitig auffassen. China und Russland erklärten bereits 2022 bei einem Besuch von Wladimir Putin in Peking eine „grenzenlose Partnerschaft“, nur wenige Tage bevor Putin seine Truppen in die Ukraine schickte. Peking hat den russischen Angriffskrieg nicht verurteilt und unterstützt Moskau, indem China zum weltweit größten Abnehmer von russischem Gas und Öl wurde, das vom Westen nicht mehr gekauft wird. Und auch die Ansprüche auf Taiwan werden immer deutlicher formuliert.
In Taipeh hat man also allen Grund, sich Sorgen zu machen. Schon während des Nato-Gipfels in Washington in der vergangenen Woche schickte Peking ein paar Kampfflugzeuge nah an Taiwans Küste vorbei. Sie hoben vom chinesischen Flugzeugträger Shandong ab, der sich auf einer Militärübung im Westpazifik befand. Die Shandong war auf ihrem Weg zu den Pazifikübungen auch nahe an den Philippinen vorbeigefahren.
Taiwan sieht eine „gemeinsame Herausforderung für die globale Demokratie“
„Die Bedrohung der regionalen Stabilität durch die chinesischen Kommunisten nimmt weiter zu“, erklärte Taiwans Präsident Lai Ching-te. „Auch das Eindringen in die Grauzone, in die Straße von Taiwan und die umliegenden Gebiete nimmt von Tag zu Tag zu, was eine gemeinsame Herausforderung für die globale Demokratie darstellt.“
Das japanische Militär meldete wiederum in der vergangenen Woche, dass es zwei russische Fregatten gesichtet habe, die am westlichen Ende der Okinawa-Kette in der Nähe Taiwans vorbeifuhren und auf den Pazifik zusteuerten.
Japan hat seine militärische Zusammenarbeit mit Australien und den USA in dem Gebiet ebenfalls intensiviert, um der Bedrohung durch China etwas entgegenzusetzen. Die Frage ist nur, wie viel diese Bündnisse noch wert sind, wenn im November Donald Trump zum US-Präsidenten gewählt wird. Den Bloomberg Businessnews sagte Trump am Dienstag, Taiwan müsse in Zukunft für seine Verteidigung Geld bezahlen – unter anderem, weil es den USA das Halbleitergeschäft weggenommen habe: „Ich würde mich an deren Stelle nicht zu sicher fühlen.“