China:Mit 50 in den Ruhestand

China: Eine Frau arbeitet in einer Fabrik in der chinesischen Stadt Huaibei.

Eine Frau arbeitet in einer Fabrik in der chinesischen Stadt Huaibei.

(Foto: via www.imago-images.de/imago images/VCG)

Chinas Arbeiterinnen dürfen besonders früh in Rente gehen. Doch Experten drängen auf eine Reform.

Von Lea Sahay, Peking

Wenn man Chinesen zum Staunen bringen will, erzählt man ihnen, in welchem Alter die Europäer in Rente gehen. Dass gerade die reichen Deutschen bis 67 Jahre arbeiten, ist für viele kaum vorstellbar. Selbst hat das Milliardenland eines der niedrigsten Renteneinstiegsalter der Welt: Männer hören mit 60 Jahren auf zu arbeiten, angestellte Frauen mit 55, Arbeiterinnen sogar mit 50 Jahren. Doch allzu lange dürfte auch China nicht mehr an diesen Regeln festhalten können, die es seit den 1950er-Jahren nie angepasst hat, obwohl die Lebenserwartung gestiegen ist.

Während die Zahl der Rentnerinnen und Rentner wächst - schon heute ist jeder fünfte Chinese über 60 Jahre alt - fehlt es an jungen Menschen, um diese zu versorgen. Nach 40 Jahren strikter Geburtenkontrolle schrumpfte die Bevölkerung im vergangenen Jahr zum ersten Mal, vor ein paar Tagen löste Indien das Land als bevölkerungsreichste Nation der Welt ab.

Reagiert die Staatsführung nicht, dürfte die Rentenkasse für die Bewohner von Städten bis 2035 ausgeschöpft sein. Das haben die Behörden selbst errechnet. Seit Jahren drängen Wirtschaftsexperten und Demografen auf eine Reform, doch auch der neue Ministerpräsident Li Qiang wollte bei seinem Amtsantritt im März zunächst keinen Zeitplan nennen.

Um den Schock zu mildern, wird die Anhebung schrittweise kommen

Die Kommunistische Partei Chinas muss nicht erst nach Frankreich schauen, um zu wissen, wie unpopulär eine solche Entscheidung wäre. Im Februar wurde landesweit in den sozialen Medien protestiert, als ein Bericht von Chinas größter Investmentbank Citic Securities die Reform für dieses Jahr voraussagte. Um den Schock abzufedern, dürfte das Rentenalter jedes Jahr nur um einige Monate nach hinten geschoben werden.

Um die niedrigeren Renten abzufangen, investieren schon jetzt viele Chinesen in eine private Rentenversicherung. Doch das ist nur ein Problem. Die meisten Älteren gehen auch deshalb in den Ruhestand, weil sie auf ihre Enkelkinder aufpassen müssen, für die es sonst keine Kita- oder Kindergartenplätze gibt. Von den 47 Millionen Kindern unter drei Jahren besuchen nur fünf Prozent eine Kita, aber auch ohne ächzen Eltern unter den Kosten für die Ausbildung und Erziehung ihres meist einzigen Kindes.

Schon jetzt arbeiten Bauern und Arbeiter, von denen es immer noch Hunderte Millionen gibt, faktisch länger, weil sie von der staatlichen Rente nicht leben können. Im Februar protestierten Tausende Rentner in Wuhan gegen Kürzungen bei den Krankenversicherungsleistungen, monatliche Zulagen sollten gestrichen werden. Häufig finanzieren die Kinder ihre Eltern mit, doch auch das wird schwieriger.

Wie sensibel das Thema ist, zeigte ein Video auf Douyin vor einigen Wochen, dem chinesischen Tiktok. Ein bekannter Influencer, der sonst zeigt, was man mit 100 Yuan Verdienst am Tag, umgerechnet 14 Euro, kaufen kann, interviewte eine 78-Jährige. Diese erklärte, obwohl sie ihr Leben lang gearbeitet habe, muss sie mit gerade einmal 107 Yuan Rente einen ganzen Monat auskommen. Nun verzichte sie auf Fleisch und lebe bei ihrem Sohn, sagte sie unter Tränen. Es dauerte nicht lange, da wurde das Video zensiert.

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