Proteste gegen Corona-Maßnahmen:Chinas Polizei durchsucht private Handys

China: Corona-Proteste in Shanghai

In manchen Stadtvierteln in Shanghai sind inzwischen überall Polizisten zu sehen.

(Foto: AP)

Einsatzkräfte auf den Straßen versuchen, neue Proteste gegen die harte Corona-Politik zu verhindern. Diese führen auf lokaler Ebene aber auch zu ersten Lockerungen.

Von Lea Sahay

Die Botschaft, die Chinas Führung im März sandte, war eindeutig. Jede Provinz müsse schnellstmöglich zwei, drei oder mehr temporäre Isolationslager und Krankenhäuser errichten, landesweit würden mehr als 60 gebraucht. Bilder in den sozialen Medien zeigten gigantische Containerstädte, ohne Zugang zu Sanitäranlagen oder fließendem Wasser. In China dürfen sich Corona-Verdachtsfälle und Infizierte auch ohne Symptome nicht zu Hause isolieren. Die Lagerstädte wurden für viele Chinesen zum Sinnbild für den Horror, der auf sie wartet, sollten sie sich mit dem Coronavirus infizieren.

Umso bedeutender ist es jetzt, wenn Behörden den Bau von Lagern abbrechen, wie es gerade in Chengdu passiert ist. Auf einem Video in der südwestlichen Provinz sieht man einen Parteivertreter, der vor einer Gruppe Menschen spricht. "Das Projekt ist gestoppt", ruft er. Angeblich geht es um ein Lager für zehntausend Menschen im Süden der Stadt. Die Menschen jubeln.

Vorsteher von Häuserblocks beenden Ausgangsbeschränkungen

Es ist nur ein Beispiel für zahlreiche kleine Lockerungen, die seit dem Ausbruch der Massenproteste in China am Freitag von den Behörden angekündigt wurden. Menschen, die zu Hause in Isolation sind, sollen laut Staatsmedien nicht mehr ständig Corona-Tests machen müssen. Ältere und Schüler, die online unterrichtet werden, sind ebenfalls zu Teilen von den Massentests entbunden.

In Peking beendeten viele Vorsteher von Häuserblocks die strengen Ausgangsbeschränkungen, nachdem Bewohner gegen die strikten Regeln protestiert hatten. Auch in anderen Teilen des Landes knickten Lokalbehörden aufgrund massiver Proteste ein.

In den vergangenen Tagen waren Tausende gegen die harten Corona-Maßnahmen in chinesischen Städten auf die Straße gegangen. Auslöser war ein Hochhausbrand in der Hauptstadt der Region Xinjiang, Urumqi, bei dem zehn Menschen ums Leben gekommen waren. Viele hatten den Verdacht, dass coronabedingte Straßenblockaden die Rettung der Menschen behindert hatten.

Auch an fast 80 Universitäten organisierten Studierende am Wochenende Protestaktionen. Es ist das erste Mal seit 1989, dass es zu landesweiten, klassenübergreifenden Protesten kam. In Peking riefen sie "Hebt den Lockdown auf" und "Wir wollen keine PCR-Tests, wir wollen Freiheit". Viele trugen ein weißes Blatt Papier als Symbol des Widerstands und gegen die Behördenzensur mit sich.

Neben den Zugeständnissen geht die Polizei nun auch hart gegen die Demonstranten vor. Massive Polizeipräsenz hat in mehreren chinesischen Städten ein Wiederaufflammen der Proteste zunächst verhindert.

Peking kündigt an, die Impfquote erhöhen zu wollen

In Peking wurde die Uferpromenade des Liangma-Flusses in der Nähe des Diplomatenviertels besonders gesichert, nachdem dort am Sonntagabend Hunderte demonstriert hatten. Auch im Universitätsviertel Haidian waren überall Polizisten auf den Straßen zu sehen. Dort hatte ein Mann im Oktober kurz vor dem Parteitag Protesttransparente an eine Brücke gehängt - viele Demonstranten waren zuletzt zu eben jenem Ort gepilgert.

In Shanghai gab es einen Großeinsatz von Einsatzkräften um den Platz des Volkes. Ähnlich sah es in der Wulumuqi-Straße (Urumqi-Straße) aus, in der Barrikaden aufgebaut wurden, um Menschenansammlungen wie am Wochenende zu verhindern.

In vielen Städten nahm die Präsenz von Einsatzkräften auf den Straßen zu. Die Beamten hielten Passanten an, wie Videos aus Shanghai belegen. Diese mussten sich ausweisen und ihre Handys zeigen. Die Einsatzkräfte suchten nach Fotos und Filmen von den Protesten oder VPN-Diensten, mit denen Nutzer auf zensierte Inhalte zugreifen können. Die Polizei kontaktierte auch Teilnehmende von Protesten direkt und forderte sie auf, keine Aufnahmen online zu teilen. Viele Accounts wurden gesperrt. Im Netz wurden die meisten Beiträge zu den Protesten gelöscht.

Während eine steigende Zahl von Menschen mit den rigorosen Null-Covid-Maßnahmen unzufrieden sind, kämpft das Land gegen den größten Corona-Ausbruch seit Pandemiebeginn. Ausländische Experten schätzen, dass bereits ein Fünftel der zweitgrößten Volkswirtschaft der Welt von Lockdowns betroffen ist. Die Gesundheitskommission meldete am Dienstag landesweit etwa 38 400 Fälle neue Infektionen. Am Vortag war ein Höchststand von mehr als 40 000 Neuansteckungen gemeldet worden.

Als eine gute Nachricht werteten Beobachter die Ankündigung Pekings am Dienstag, das Tempo bei Corona-Impfungen zu erhöhen. Das wäre wohl die Bedingung, um weitere Lockerungen zulassen zu können. In China sind zwar mehr als 90 Prozent aller Chinesen zweimal geimpft, unter den Älteren ist die Zahl aber deutlich niedriger. Nach offiziellen Angaben waren im November etwa 86 Prozent der über 60-Jährigen mindestens zwei Mal geimpft, 68 Prozent haben einen Booster erhalten. Bei den über 80-Jährigen haben nur 66 Prozent zwei Impfdosen erhalten, geboostert sind nur 40 Prozent.

Viele ältere Menschen in China haben sich aus Angst vor angeblichen Nebenwirkungen nicht impfen lassen. Bisher hat Peking nicht viel unternommen, die Impfquote zügig zu erhöhen. Die Impfquoten unter den Älteren sind im Vergleich zum August nur weniger als einen Prozentpunkt gestiegen.

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