China:Peking attackiert Justiz in Honkong

Die Regierung weist ein Gerichtsurteil gegen das Vermummungsverbot zurück. Damit stellt sie die Unabhängigkeit der Richter in der Sonderverwaltungszone infrage.

Von Lea Deuber, Hongkong

Die chinesische Regierung hat die Aufhebung des Vermummungsverbots durch ein Gericht in Hongkong am Dienstag als nicht rechtmäßig bezeichnet. Alle Verordnungen stünden im Einklang mit dem Grundgesetz der Sonderverwaltungszone, sagte ein Sprecher des Hongkongamtes des Staatsrats. Nur der Ständige Ausschuss des Pekinger Parlaments könne entscheiden, ob ein Erlass mit dem Grundgesetz übereinstimme, teilte der Rechtsausschuss des Volkskongresses mit. Die Äußerung ist außergewöhnlich, weil Peking damit die Unabhängigkeit des Hongkonger Rechtssystems infrage stellt und die alleinige Autorität über Hongkongs Verfassung für sich beansprucht.

Am Montag hatte ein Gericht das Anfang Oktober in der Stadt erlassene Vermummungsverbot als zu weitgehend und nicht in Übereinstimmung mit Hongkongs Grundgesetz abgewiesen. Die Regierung hatte für den Erlass des Verbots auf ein Notstandsgesetz aus der britischen Kolonialzeit zurückgegriffen. Als Reaktion auf die Entscheidung hatte die Regierung die Umsetzung vorerst ausgesetzt. Die Erklärung des von der chinesischen Staatsführung gelenkten Parlaments löste in Hongkong Bestürzung aus. Viele befürchten fünf Monate nach Ausbruch der Proteste, dass Peking seinen Einfluss auf die Stadt weiter ausdehnen könnte, um die Lage wieder unter Kontrolle zu bringen.

Die Erklärung der Regierung löst in Hongkong Bestürzung aus

In der chinesischen Sonderverwaltungszone entspannte sich die Lage am Dienstag wieder etwas, nachdem sich Demonstranten am Wochenende für mehrere Tage in einer Universität verschanzt hatten. In der Nacht von Sonntag auf Montag hatte die Polizei mehrfach versucht, die Hochschule zu stürmen. Die Demonstranten warfen Brandsätze und legten Feuer, um die Beamten am Eindringen in die Universität zu hindern. Mit eingeschlossen waren auch Ersthelfer, Seelsorger und einige Journalisten. Wer die Universität verließ, wurde festgenommen. Unter den Inhaftierten waren auch Ersthelfer und Seelsorger.

Schätzungsweise 100 Studenten hielten sich am Dienstag noch in der abgeriegelten Polytechnischen Universität auf. Regierungschefin Carrie Lam versicherte, die Sicherheitskräfte wollten die Besetzung der Universität ohne Gewalt auflösen. In der Innenstadt gingen Menschen friedlich in ihren Mittagspausen auf die Straße. Tausende Menschen versammelten sich wiederum in der Nähe der Uni, um für die Freilassung der Demonstranten zu protestieren. Dort kam es zu gewaltsamen Auseinandersetzungen mit der Polizei. Lehrer, Seelsorger und Eltern versuchten gleichzeitig, mit den Einsatzkräften zu verhandeln. Sie forderten die Behörden auf, den Vorwurf des "Aufruhrs" gegen die Demonstranten fallenzulassen. Viele der Demonstranten seien nicht in gewalttätige Aktivitäten verwickelt gewesen, trauten sich jetzt nur nicht mehr heraus. Eine Verurteilung wegen "Aufruhrs" kann in Hongkong eine Haftstrafe von bis zu zehn Jahren nach sich ziehen.

Allein am Montag wurden etwa 1000 Personen auf dem Campus im Stadtviertel Hung Hom und in den umliegenden Straßen zwischenzeitlich festgenommen. Es sind die schwersten Zusammenstöße seit Beginn der Massenproteste im Juni in Hongkong.

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