China:Patriotische Propaganda

Peking reagiert wütend auf das Urteil des Den Haager Schiedsgerichts zum Seerechtstreit im Südchinesischen Meer - und geht zum Gegenangriff über.

Von Christoph Giesen, Chengdu

Als die ersten Meldungen zum Schiedsspruch im Seerechtstreit im Südchinesischen Meer am Dienstagabend in China im Fernsehen liefen, wurden die Bilder bei CNN und der BBC auf einmal schwarz. Ausländische Nachrichtensender können nur mit ein paar Sekunden Verzögerung in der Volksrepublik empfangen werden. Zeit genug für die Zensoren, das Signal zu stören. Wenig später jedoch hatte die Propaganda die Lage unter Kontrolle und blies zum Gegenangriff. Das Urteil sei nichtig, teilte die amtliche Nachrichtenagentur Xinhua mit. Noch am Dienstag landeten wie zur Bekräftigung zwei zivile Flugzeuge auf von China kontrollierten Atollen der Spratly-Inseln. Erst vor Kurzem waren dort Landebahnen geteert worden. Peking beansprucht mehr als 80 Prozent des Südchinesischen Meeres, darunter Atolle, die deutlich näher an den Philippinen als an China liegen.

Am Mittwochmorgen ging dann die patriotische Propaganda weiter: Die Vereinigten Staaten und Japan seien schuld daran, dass der Schiedsspruch gegen China ausgefallen sei. Die Philippinen, die das Gericht in Den Haag angerufen hatten, seien Marionetten Washingtons, hieß es in vielen Zeitungen. Das offizielle Sprachrohr der Kommunistischen Partei, die Volkszeitung, kommentiere gar: "China wird alle nötigen Maßnahmen ergreifen, seine territoriale Souveränität und seine Seerechte zu schützen."

Im Laufe des Tages wurde diese Ankündigung dann konkreter. Chinas stellvertretender Außenminister Liu Zhenmin drohte mit der Einrichtung einer Flugüberwachungszone über dem Südchinesischen Meer. "Wenn unsere Sicherheit bedroht wird, haben wir natürlich das Recht, eine solche Zone auszuweisen", sagte er. Die Errichtung hänge vom Grad der Bedrohung ab, der China ausgesetzt sei. Er hoffe, dass andere Länder die Gelegenheit nicht ausnutzten, die Volksrepublik zu bedrohen. "Wir hoffen, dass sie mit China zusammenarbeiten, um Frieden und Stabilität im Südchinesischen Meer zu schützen und es nicht dazu kommen lassen, dass das Südchinesische Meer der Ursprung eines Kriegs wird", sagte Liu. China hat bereits über dem Ostchinesischen Meer eine Flugüberwachungszone eingerichtet. Sie wird aber von den Vereinigten Staaten und anderen Ländern nicht anerkannt.

Auch im Internet, das in China streng überwacht wird, verfängt der von der Propaganda angestimmte Nationalismus. In populären Internetportalen wie Taobao verkünden Händler, dass sie philippinische Produkte boykottieren werden. "Der Aufstieg und der Fall einer Nation sind die Angelegenheit eines jeden Chinesen", schrieb ein Anbieter. Seine in China beliebten getrockneten Mangos kämen jetzt aus Thailand und nicht von den Philippinen.

Mehr als fünf Millionen Kommentare wurden beim Kurznachrichtendienst Weibo eingestellt. Ein Universitätskrankenhaus aus der Provinz Hunan teilte stolz mit, dass dreizehn Ärzte angefragt worden seien, bei einer Übung auf See mitzumachen. Alle Mitarbeiter stünden bereit, "um sicherzustellen, dass China nicht ein einziges Teil seines Territoriums einbüße."

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