Dreiergipfel in Ostasien:Deutlich werden nur die Differenzen

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Immerhin haben sie miteinander gesprochen: von links nach rechts Japans Premier Fumio Kishida, der südkoreanische Präsident Yoon Suk-yeol und Chinas Premier Li Qiang beim Treffen in Seoul. (Foto: CHUNG SUNG-JUN/AFP)

Zum ersten Mal seit mehr als vier Jahren kommen die führenden Politiker Chinas, Japans und Südkoreas wieder zusammen. Ein gutes Zeichen in konfliktreichen Zeiten. Aber dann reden die Beteiligten hauptsächlich aneinander vorbei.

Von Thomas Hahn und Florian Müller, Tokio, Shanghai

Zur Bilder-Routine beim großen ostasiatischen Gipfeltreffen in Seoul am Montag gehörte auch der Dreierhandschlag, eine beliebte Pose in der internationalen Politikfotografie. Gastgeber Yoon Suk-yeol, der Präsident Südkoreas, stand in der Mitte, hatte die Hände über Kreuz, hielt mit seiner rechten die Rechte des chinesischen Ministerpräsidenten Li Qiang und mit seiner linken die Linke des japanischen Premierministers Fumio Kishida. Dazu lächelten alle drei, so gut sie konnten. Dann setzten sie sich an einen dreieckigen Tisch im Blauen Haus, dem früheren Amtssitz des südkoreanischen Präsidenten.

Und bald darauf sendete die japanische Nachrichtenagentur Kyodo verheißungsvolle Eilmeldungen. "Japan, Südkorea und China bemühen sich um politische Lösung der Nordkorea-Frage." - "Japan, Südkorea und China vereinbaren Zusammenarbeit für stärkere Lieferketten." Es klang wie Eintracht.

Aber das war nur der Schein der Diplomaten-PR. In Wirklichkeit war der Gipfel in Seoul die Momentaufnahme einer höchst angespannten Dreierbeziehung.

Die sozialistische Weltmacht China und die beiden freiheitlichen Wirtschaftsnationen Japan und Südkorea verbindet ihre räumliche Nähe. Ihre Ökonomien sind so sehr verflochten, dass die drei ohneeinander nicht leben können. Aber miteinander ist es auch schwierig, denn politisch sind sie weit auseinander. Hier die Parteidiktatur China mit ihren Macht-Avancen im Indopazifik und Verbindungen zum atomwaffenbewehrten Regime Nordkoreas. Dort die Demokratien Japan und Südkorea, die in diesen konfliktreichen Zeiten näher denn je an die USA herangerückt sind.

Die Lage ist zu ernst, um sich anzuschweigen

Immerhin, dass es den Gipfel gab, war ein Fortschritt. Es war der erste seit mehr als vier Jahren. Eigentlich war mal vorgesehen, das Dreiertreffen jedes Jahr abzuhalten, aber dann kühlte das Verhältnis wegen Streit über historische und territoriale Fragen zu sehr ab, dazu kam das Coronavirus. Jetzt haben China, Japan und Südkorea erkannt, dass die Lage zu ernst ist, um sich anzuschweigen. Die Erwartungen vor dem Gipfel waren niedrig und wurden nicht übertroffen. Man sprach über mögliche Kooperationen in Feldern wie Wirtschaft, Wissenschaft oder Katastrophen-Management. Die harten Sicherheitsfragen der Region gingen in einer allgemein gehaltenen gemeinsamen Erklärung auf, in der es heißt: "Wir bekräftigten unsere Positionen zu Frieden und Stabilität in der Region, zur Denuklearisierung der koreanischen Halbinsel."

Deutlicher wurden die Differenzen. Etwa beim Thema Nordkorea: Bevor der Dreiergipfel begann, hatte Japans Regierung gemeldet, das Regime in Pjöngjang habe sie darüber unterrichtet, dass es bis zum 4. Juni einen Geheimdienst-Satelliten ins All schießen werde. Prompt klagten Yoon und Kishida bei der Gipfel-Pressekonferenz, mit der Satelliten-Aktion verstieße Nordkorea gegen die Resolutionen des UN-Sicherheitsrats. "Die internationale Gemeinschaft muss entschlossen reagieren", sagte Yoon. "Wir fordern Nordkorea dringend auf, diese Aktivitäten einzustellen", sagte Kishida. Und Li? Mahnte "relevante Parteien" zur "Zurückhaltung, damit sich die Lage nicht verschlimmert".

Für Li Qiang ging es bei dem Treffen vor allem darum, die zunehmende Annäherung der beiden Nachbarn an den Erzrivalen USA zu stoppen. Wichtig war ihm deshalb zum Beispiel, die Verhandlungen über ein Freihandelsabkommen wiederzubeleben; das gelang auch, allerdings ohne nachhaltige Annäherung. Zentral ist für Peking, dass sich Japan und Südkorea nicht den US-Handelsbeschränkungen etwa im Bereich der Halbleitertechnologie anschließen, in der japanische und koreanische Firmen eine zentrale Position in der Lieferkette haben. Es gehe darum, Handel und Politik zu trennen und fremden Einflüssen zu widerstehen, betonte Li laut Staatsmedien.

Wichtige Firmen investieren lieber in den USA als in China

Dafür lockte er auch offensiv mit einem besseren Marktzugang für Unternehmen aus Japan und Südkorea. Wichtige Firmen wie Samsung oder Toyota haben sich in den vergangenen Jahren immer mehr aus der Volksrepublik zurückgezogen und investieren stattdessen mehr in den USA. Chinesische Behörden haben in den vergangenen Monaten zudem immer wieder japanische Geschäftsleute wegen Spionageverdachts festgenommen, was dem Vertrauen in die Volksrepublik nicht zuträglich war.

Das Gespräch über die Wirtschaftsbeziehungen war Yoon und Kishida ebenfalls wichtig. Aber die Sicherheitspolitik eben auch. Schon bei den Einzelgesprächen am Sonntag sprachen Yoon und Kishida Li Qiang darauf an. Kishida berichtete, dass er seine "ernste Besorgnis" ausgedrückt habe wegen der jüngsten Militärübungen rund um die demokratisch regierte Insel Taiwan, die China für sich beansprucht; mit den Übungen hatte Peking auf den Amtsantritt des neuen taiwanesischen Präsidenten Lai Ching-te reagiert, den China für einen Separatisten hält. Und Yoon ließ mitteilen, dass er beim Gespräch mit Li China als ständiges Mitglied des UN-Sicherheitsrats aufgefordert habe, den Frieden in Korea aktiv zu fördern.

An Li Qiang schien das abzuprallen. Während die Südkoreaner andeuteten, dass auch China ein Problem mit Nordkoreas Atomwaffen habe, war davon in den chinesischen Erklärungen keine Rede. Li erklärte nach einem Treffen mit Yoon nur, dass man für eine "friedliche Entwicklung in der Region" zusammenarbeiten wolle. China ist eines der wenigen Länder, die noch offen Handel mit dem Regime von Kim Jong-un treiben. Mit Russland, das eine engere militärische Zusammenarbeit mit Nordkorea anstrebt, blockiert China schärfere Sanktionen gegen Nordkorea wegen des Raketenprogramms im UN-Sicherheitsrat.

Und in der Taiwan-Frage beharrte Li erst recht auf Chinas Linie. Er betonte nach dem Gespräch mit Yoon, dass sich Südkorea zur sogenannten Ein-China-Politik bekennt. Diese beruht auf Pekings Verständnis, dass die Kommunistische Partei die einzige rechtmäßige Regierung Chinas sei und Taiwan lediglich eine abtrünnige Provinz darstelle. Und nach dem Treffen mit Kishida stellte Li klar, dass die Taiwan-Frage der "Kern der Kerninteressen Chinas" und eine "rote Linie" sei.

Der Dreiergipfel soll wieder regelmäßig stattfinden, auch das war ein Ergebnis der Gespräche. Ein gutes Zeichen. Aber als Yoon Suk-yeol und Fumio Kishida sich am Montag von ihrem chinesischen Kollegen Li Qiang verabschiedeten, durften sie sich keine Illusionen machen. Pekings Machtpolitik werden sie nicht ändern.

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