Süddeutsche Zeitung

Myanmar:Das Militär und die Brandstifter

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Peking ruft das Nachbarland Myanmar zum Schutz chinesischer Bürger und Investitionen auf, nachdem ein Industriegebiet in Flammen aufgeht. Die Zahl getöteter Demonstranten steigt.

Von Arne Perras, München

Die Junta in Myanmar hat das Kriegsrecht in mehreren Gebieten verhängt, womit sie nach eigenen Worten "die Sicherheit erhöhen und Recht und Ordnung wiederherstellen" will. Für die Demonstranten in den Straßen klang das wie eine Farce, erlebten sie doch gerade das blutigste Wochenende seit dem Putsch vor sechs Wochen. Dutzende Menschen waren alleine am Sonntag ums Leben gekommen, auch am Montag setzte sich die Gewalt mit mindestens fünf weiteren Toten und vielen Verletzten fort, wie regionale Online-Plattformen berichteten. Die Zahl der Todesopfer lag zuletzt bei 126.

Mit der Verhängung des Kriegsrechts reagierten die Generäle auf eine Erklärung der chinesischen Botschaft, die beklagte, dass "einige Fabriken chinesischer Unternehmen geplündert und zerstört wurden" und dass dort "viele chinesische Beschäftigte verwundet und eingesperrt" seien, nachdem offenbar mehrere Gebäude in einem Industrieviertel in der Millionenstadt Yangon in Flammen aufgegangen waren.

Die Regierung in Peking drängte Myanmar zum Schutz der chinesischen Präsenz im Land, "alle Akte der Gewalt einzustellen, die Täter im Rahmen des Rechts zur Verantwortung zu ziehen und die Sicherheit chinesischer Unternehmen und Bürger zu gewährleisten". Dass neben den Fabrikbränden auch zahlreiche Demonstranten von Einsatzkräften erschossen wurden, kam in der Erklärung nicht zur Sprache.

Unklar blieb, wer die Brände in den Textilfabriken zu verantworten hat. Die South China Morning Post zitierte einen chinesischen Fabrikbesitzer, der erzählte, wie eine Gang auf Motorrädern mit Molotow-Cocktails auf das Gelände eingedrungen sei. Zuerst hätten die Eindringlinge dort geplündert und dann alles in Brand gesteckt. Ein von der Militärjunta kontrollierter Fernsehsender berichtete, dass 2000 Menschen in den Straßen mehrere Feuerlöschfahrzeuge blockiert hätten.

Der Westen Yangons verwandelte sich in ein Schlachtfeld

Unter Demonstranten wandten sich Stimmen gegen den Verdacht, die Brandstifter könnten aus ihren Kreisen stammen. "China denkt, wir Protestierenden hätten ihre Fabriken in Brand gesteckt. Absolut nicht", textete eine Demonstrantin aus Yangon. Mit großer Wahrscheinlichkeit werden die Zusammenstöße der vergangenen Tage die Konfrontation zwischen Junta und Demonstranten weiter anheizen, immer mehr Familien beklagen nun Tote und Verletzte, was einerseits Angst schürt, andererseits aber auch Hass gegen das hemmungslose Militär. Das Industrieviertel Hlaingthaya im Westen Yangons "verwandelte sich in ein Schlachtfeld", wie die lokale Menschrechtsorganisation AAPP in einem Briefing schrieb.

Einige Demonstranten verdächtigen die Junta, verbündete Gangs dazu anzuleiten, gezielt Chaos zu stiften, um den Generälen damit eine Legitimation zu liefern, um die Repression zu erhöhen. Sie glauben, dass auch die gelegten Brände einer perfiden Logik der Junta folgen könnten, um die Demonstranten international in ein schlechtes Licht zu rücken.

Oder entspringen die Brände doch anti-chinesischen Ressentiments, weil Peking seine schützende Hand über die Junta im UN-Sicherheitsrat hält? Vorbehalte gegen China sind verbreitet und nicht neu, sie sind in den Jahrzehnten der Militärherrschaft gewachsen, weil das Volk oft das Gefühl hatte, dass chinesische Firmen durch zweifelhafte Deals mit der Junta Gewinne erzielten, während die myanmarische Bevölkerung leer ausging. Nach Schätzungen leben fast eine halbe Million Chinesen im Land, unter denen sich nun angesichts der Brandattacken Unruhe und Angst breitmachen.

Mit dem Kriegsrecht formalisierten die Generäle zunächst nur, was sie schon seit Tagen auf den Straßen tun: sie feuern mit scharfer Munition auf unbewaffnete Menschen, die als Störung der öffentlichen Ordnung eingestuft werden. Den Teilnehmern der Proteste bleibt nur, zu allem zu greifen, was ihre Überlebenschance erhöht. So setzen sie beispielweise Feuerlöscher ein, um die Effekte des Tränengases in der Luft abzumildern und einen Nebel zu erzeugen, der es der anderen Seite schwerer macht, zu zielen und zu treffen.

Die Junta war unterdessen bemüht, den Datenverkehr noch stärker zu kontrollieren als bisher. Beschränkungen des Internets führten offenbar sogar dazu, dass eine Videoanhörung der gestürzten zivilen Regierungschefin Aung San Suu Kyi vertagt werden musste. Die 75-Jährige war in der Nacht des Putsches vom Militär verhaftet worden, das Gerichtsverfahren gegen sie gilt als ein Manöver der Junta, um sie langfristig von allen politischen Aktivitäten auszuschließen.

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