China:Misstöne zwischen Berlin und Peking

Bundeskanzlerin Angela Merkel kritisiert bei ihrem Besuch in China rechtsstaatliche Defizite. Ministerpräsident Li Keqiang warnt vor einem Handelskrieg mit der Europäischen Union.

Von Nico Fried, Peking

Der Ton in den deutsch-chinesischen Beziehungen wird rauer. Zum Abschluss der vierten Regierungskonsultationen in Peking hoben Bundeskanzlerin Angela Merkel und Chinas Ministerpräsident Li Keqiang zwar die enge Zusammenarbeit hervor. Vor allem in wirtschaftlichen Fragen wurden aber Differenzen sichtbar. Ministerpräsident Li drohte indirekt mit einer Eskalation des Handelsstreits, sollte die EU Peking den Status der Marktwirtschaft nicht bis Jahresende zuerkennen. Merkel sprach zudem von "Unterschieden und Fragen" bei der Entwicklung des Rechtsstaats in China, insbesondere beim neuen Gesetz zur Arbeit von Nichtregierungsorganisationen (NGOs). Dazu gehören politische Stiftungen. Es sei "wichtig, dass die NGOs weiter ihre Arbeit durchführen können", sagte Merkel. Sie traf am Montagabend noch Präsident Xi Jinping zu einem gut zweieinhalbstündigen Gespräch. Er gilt als Initiator eines härteren Kurses gegen innenpolitische Kritiker und von der Regierung unerwünschte Einflussnahme aus dem Ausland. Nach dem Gespräch mit Xi traf sich Merkel ohne Vorankündigung in der deutschen Botschaft mit Vertretern der Zivilgesellschaft. Unter ihnen waren Menschenrechtsanwälte, ein Künstler, eine Schriftstellerin und ein Politologe, teilte Regierungssprecher Steffen Seibert mit.

Im Streit um Chinas Anerkennung als Marktwirtschaft drängte Ministerpräsident Li Merkel, in den Verhandlungen mit der EU-Kommission Pekings Position zu unterstützen. Hintergrund ist ein Konflikt in der Handelspolitik, der Ende 2016 gelöst sein muss, sonst könnte eine Spirale gegenseitiger Sanktionen mit schweren wirtschaftlichen Folgen in Gang kommen. "Wir wollen keinen Handelskrieg", sagte Li, stellte aber klar: "Europa ist verpflichtet, seine Versprechen einzuhalten."

In Verbindung mit dem Beitritt zur Welthandelsorganisation (WTO) wurde China 2001 in Aussicht gestellt, 2016 den Status einer Marktwirtschaft zugesprochen zu bekommen. Das wäre für Peking von großer Symbolkraft und hätte Auswirkung auf die Handelsbeziehungen, weil die EU Anti-Dumping-Verfahren gegen China schwerer auf den Weg bringen könnte. Er erwarte, dass Berlin in der Frage "eine positive Rolle" spiele, sagte Li. Merkel ließ Verständnis erkennen, verwies aber auf die Verhandlungen mit der EU-Kommission.

Die Kanzlerin betonte im Gegenzug die Notwendigkeit verlässlicher rechtsstaatlicher Strukturen und forderte, die chinesischen Märkte weiter zu öffnen für deutsche Investoren. Mit Blick auf die geplante Übernahme des deutschen Roboterbauers Kuka durch ein chinesisches Unternehmen verwies sie auf mangelnde Gleichbehandlung deutscher Investoren in China.

An den Konsultationen nahmen von deutscher Seite neben Merkel Außenminister Frank-Walter Steinmeier, Finanzminister Wolfgang Schäuble und vier weitere Ressortchefs teil. Zur Delegation gehörten Unternehmensvertreter wie Siemens-Vorstandschef Joe Kaeser und Bahn-Chef Rüdiger Grube. Am Rand der Reise wurden Geschäfte über 2,7 Milliarden Euro vereinbart.

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