China:Kriegsgetöse zum Gedenktag

(201023) -- BEIJING, Oct. 23, 2020 -- Chinese People s Volunteers (CPV) veterans enter the venue of the meeting marking

Beifall für die Veteranen: Mitglieder der chinesischen Freiwilligenarmee, die vor 70 Jahren im Koreakrieg kämpften, werden in die Pekinger Volkskongresshalle geführt.

(Foto: Yan Yan/imago images/Xinhua)

Das Land erinnert an seinen Eintritt in den Koreakrieg vor 70 Jahren. Die Pekinger Propaganda inszeniert den Konflikt als einen Überfall der Amerikaner - und als Beweis, dass China für den nächsten Krieg gerüstet sei.

Von Lea Deuber, Peking

Wenn auf dem Dach nicht ein gewaltiger roter Stern thronen würde, könnte man meinen, die Menschen drängen sich am Eingang zu einem Popkonzert. Dutzende Besucher warten an einem Sonntag im Oktober vor dem Militärmuseum in Peking, einem mächtigen Gebäude im Zuckerbäckerstil, um doch noch eine Eintrittskarte zu bekommen. Drinnen ist es so voll, dass die Sicherheitsleute niemanden mehr hereinlassen.

Erst vor ein paar Tagen war der chinesische Staats- und Parteichef Xi Jinping hier, um die neue Sonderausstellung zum 70. Jahrestag des Eintritts Chinas in den Koreakrieg zu besuchen. Im September eröffnete bereits eine Gedenkstätte in der Grenzstadt Dandong, die zuvor für sechs Jahre geschlossen gewesen war. Mindestens vier Filme über den Koreakrieg sind seit dem Sommer kurzfristig gedreht worden und laufen dieses oder nächstes Jahr in den Kinos, wenn die Kommunistische Partei ihren 100. Jahrestag feiert.

Der Koreakrieg von 1950 bis 1953 war der erste "heiße" Konflikt im Kalten Krieg. Ein Stellvertreterkrieg, in dem rund 4,5 Millionen Menschen ums Leben kamen. Auf der einen Seite die von den USA geführten Truppen der Vereinten Nationen, um das mit dem Westen verbündete Südkorea zu befreien. Auf der anderen Seite Nordkorea, das den Süden angegriffen hatte, unterstützt von Chinas Soldaten.

"Krieg mit Krieg bekämpfen ..., Frieden und Respekt mit einem Sieg verdienen", sagt Präsident Xi

In den USA ist der Krieg heute, trotz 37 000 toter US-Soldaten, fast gänzlich vergessen. Zu groß sind die Strahlkraft des Sieges im Zweiten Weltkrieg und die späteren Gräueltaten im Vietnam-Krieg. In China, wo der Konflikt als der "Krieg zum Widerstand gegen die USA und zur Hilfe für Korea" bezeichnet wird, lernen die Kinder bis heute in der Schule, dass China aus reiner Notwehr gegen die amerikanische Invasion in den Krieg eintrat. "Frieden durchs Kämpfen", heißt es in den Geschichtsbüchern. "Die Sprache der Invasoren sprechen", sagte Xi bei einer Rede vergangene Woche: "Krieg mit Krieg bekämpfen, Invasoren mit Gewalt stoppen und Frieden und Respekt mit einem Sieg verdienen."

Seit der Annäherung zu den USA in den 1970er-Jahren wurde eigentlich vergleichsweise zurückhaltend an den Krieg erinnert. Nicht so in diesem Jahr. Während das Verhältnis zwischen China und den USA so schlecht ist wie seit fast 50 Jahren nicht mehr, hat die Propaganda den Jahrestag zu einem wochenlangen Dauerthema gemacht.

Streitpunkte zwischen den USA und China reichen vom Handelsstreit bis zu Chinas Gebietsansprüchen im Südchinesischen Meer. Peking ist weiterhin auch der wichtigste Partner Nordkoreas und wehrt sich gegen Bemühungen der USA, wirtschaftlichen Druck auf Pjöngjang auszuüben, um Nordkorea zu einem Ende seines Atomprogramms zu bewegen.

Die Sanktionen wegen Hongkong und Xinjiang, das amerikanische Vorgehen gegen den chinesischen Technologiekonzern Huawei, Diplomaten und Journalisten in den USA sieht China als Versuch, den Aufstieg des Landes zu verhindern, eine Art Containment-Politik 2.0.

In der Rede vergangene Woche sagte Xi, ohne die USA direkt zu nennen, "alle Bemühungen, die Hegemonie und Gängelungen zum Ziel haben, werden einfach nicht klappen. Es wird nicht nur nicht funktionieren, sondern auch in einer Sackgasse enden."

Der Kinofilm "Die Aufopferung", der am vergangenen Wochenende "heroisch" startete, wie es in der Staatspresse heißt, eröffnet mit einer Einführung in die chinesische Version des Konflikts. Im September 1950 hätten die USA Nordkorea überfallen, unter dem Deckmantel einer angeblichen Mission der Vereinen Nationen, erzählt ein Sprecher, untermalt mit Paukenmusik, Vereinte Nationen in Anführungszeichen gesetzt. "Die territoriale Einheit und die Lebensgrundlage des Volkes waren ernsthaft gefährdet."

Der Film erzählt den Kampf um eine Brücke, über die Chinas Einheiten zur letzten Schlacht ziehen. Diese wird von den US-Kräften immer wieder zerstört und von den Chinesen wieder aufgebaut. Im Film werden bei jedem Angriff die Bombenarten eingeblendet, die auf amerikanischer Seite eingesetzt wurden. Auf chinesischer Seite ist die Munition knapp. Es passt in die Erzählung, in der Chinas Staatsmedien die Armut des Landes in den 1950er-Jahren betonen, das mit nicht mehr als "Freiwilligen aus dem chinesischen Volk", nur im Glauben an das Vaterland, gegen die USA in den Kampf zog und gewann.

Obwohl die Kämpfe in einem Patt endeten, mit Hunderttausenden Toten, einer völlig zerstörten Koreanischen Halbinsel, setzt Parteichef Xi bei einer Gedenkveranstaltung im Oktober weniger auf Versöhnung, sondern schickte eine Warnung in Richtung der USA: "Akte der Vorherrschaft, Anmaßung oder Schikane" würden "nirgendwohin" führen. Das chinesische Volk werde keinen Ärger provozieren, habe aber auch keine Angst davor. "Unsere Beine werden nicht zittern, unsere Rücken werden sich nicht beugen."

Hauptfigur im Kinofilm ist ein amerikanischer Soldat mit Alkoholproblem, der anstatt seines Pilotenhelms einen Cowboy-Hut trägt und in seiner Freizeit noch einmal eine Runde über dem Lager der Chinesen dreht, um möglichst viele umzubringen. Der Film endet damit, dass chinesische Soldaten aus ihren Körpern eine Brücke im Wasser bilden, um die Einheiten über sie laufen zu lassen. Dann wird die chinesische Nationalhymne vorgelesen, in der es heißt: "Lasst uns aus unserem Fleisch und Blut eine neue Chinesische Mauer bauen."

Die Ausstellung im Museum endet nicht am Denkmal für die offiziell gestorbenen 197 653 chinesischen Soldaten - laut anderer Schätzungen könnten die Opferzahlen auf chinesischer Seite doppelt bis viermal so hoch gewesen sein. Die letzte Station ist eine Leistungsschau. An der Wand sind die Bilder von chinesischen ballistischen Mittelstreckenraketen zu sehen, einem Flugzeugträger, dem Radioteleskop Fast, dem neuen Pekinger Flughafen.

Am Ende stehen die Menschen wieder Schlange. Dieses Mal vor einem Buch, in das sie ihre Wünsche und Gedanken zur Ausstellung eintragen können. Die meisten Beiträge an diesem Tag ähneln sich. "Das chinesische Volk hat sich vom Leid befreit und ist in den Wohlstand aufgestiegen, jetzt ist es die zweitgrößte Wirtschaft der Welt", schreibt ein Besucher. "Niemals sollten wir die Demütigung vergessen! Aufstieg der chinesischen Nation!"

Ein anderer Gast schreibt, der Geist des Widerstands gegen die Amerikaner müsse von Generation zu Generation weitergegeben werden. "Wir lieben und ehren Frieden. Aber wir werden nie Angst haben vor den ausländischen Angriffen. Wir haben keine Angst vor einem Krieg!"

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