Ein altes, aber unverwüstliches Klischee vom Paradies geht so: Auf einer fernen tropischen Insel lebt es sich fröhlich-sorglos unter rauschenden Palmen. Der feine Sand am Strand kitzelt die Füße, durchs türkisfarbene Wasser flitzen Korallenfische. Und erfrischend kühl fließt das Wasser der Kokosnuss in durstige Kehlen.
Die Malediven im Indischen Ozean werben Touristen mit all diesen Verlockungen. Doch wenn es noch eines Beweises bedurfte, dass das Paradiesische nur als Illusion existiert, dann mag man einen Post des maledivischen Außenministers vor wenigen Tagen betrachten: Moosa Zameer dankte darin auf X der chinesischen Botschafterin für ein Geschenk: Der große Verbündete in Ostasien hat dem Inselstaat 1500 Tonnen Gletscherwasser gespendet, es stammt aus den eisigen Höhen Tibets und soll als Notreserve dienen, für den Fall, dass den Inselbewohnern das Trinkwasser ausgeht.
Vom ökologischen Fußabdruck, den das abgefüllte Wasser vom Himalaja auf seinem Weg über Land und Ozean bis an den Äquator hinterlässt, steht dort nichts. Aber das ist ein breiteres Thema, das alle Staaten angeht, angesichts einer globalisierten Ökonomie, die Waren in riesigen Mengen über die Ozeane schifft. Hier mag der Blick aufs tibetische Wasser genügen, es ist laut Berichten schon die zweite chinesische Lieferung für Malé innerhalb weniger Wochen. Einerseits erzählt das von wachsenden ökologischen Problemen im Inselstaat, andererseits von Rivalitäten asiatischer Großmächte, die die Malediven als Stützpunkt gewinnen wollen. Denn die Inseln liegen an einer wichtigen Handelsroute und gelten deshalb als geopolitische Perle, mitten im Ozean.
Da ist es nicht verwunderlich, dass Peking, mit der Geste des Gönners, 3000 Tonnen Flaschenwasser an den Äquator liefert, während indische Medien das genau verfolgen. Delhi hat auch schon Wasser in der Not für die Malediven geliefert, die Teile ihres Wasserbedarfs aus Entsalzungsanlagen decken. Angesichts des Klimawandels und steigender Ozeanpegel ist Trinkwasser allerdings zu einem Gut geworden, das es mit immer aufwendigeren Mitteln zu sichern gilt.
Klimakrise:Klimawandel? Nie gehört!
Ein Fünftel der Jugendlichen kann mit dem Begriff Klimawandel nichts anfangen, ergibt eine repräsentative Umfrage.
In einem Beitrag für den Guardian hat Präsident Mohamed Muizzu gerade erst hervorgehoben, wie sehr sein Land auf finanzielle Hilfe von außen angewiesen ist, um die Folgen des Klimawandels zu bewältigen. Verbunden hat er den Appell mit der hinlänglich bekannten Gleichung, dass sein Land so gut wie nichts zu den schädlichen Treibhausgasen beigetragen hat, aber, wie viele anderen Inselstaaten auch, eben jetzt ganz besonders bedroht ist.
Das jüngste Geschenk aus Fernost hat in den aufgeladenen Zeiten der Weltpolitik allerdings mehrere Facetten. Der neuen, chinafreundlichen Regierung in Malé mag es als Rückversicherung dienen, dass Peking als Pate auch taugt. Damit aber dokumentiert China zugleich seinen Anspruch, als Großmacht seinen Einfluss im Indischen Ozean zu festigen, auch und gerade im Wettbewerb mit dem Rivalen Indien.
Außerdem signalisiert Peking fast nebenbei, wer das lebenswichtige Wasser Tibets kontrolliert: Es ist China, mit Xi Jinping an der Spitze. Das trifft in Indien einen Nerv. Denn dort wachsen Ängste davor, dass Peking vielerorts am längeren Hebel sitzt im Streit um Wasser aus dem Himalaja. Beispiel Brahmaputra: China baut am Oberlauf des Flusses Dämme, ohne die Nachbarn zu konsultieren. Das erzeugt ein Gefühl der Ohnmacht in den südlichen Tiefebenen. Wasser aus Tibet dient Peking als machtpolitisches Signal, sogar dann, wenn es als Geschenk auf die Malediven verschifft wird.