„Die Philippinen können nicht nachgeben. Die Philippinen können nicht wanken“, sagte Präsident Ferdinand Marcos jr. bei seiner Rede zur Lage der Nation in der vergangenen Woche und erhielt dafür im Parlament Ovationen im Stehen. „Das Westphilippinische Meer (…) gehört uns.“ Nun trafen sich am Sonntag die Außenminister Indiens, Japans, Australiens und der USA in Tokio, um über genau dieselbe Konfliktzone zu sprechen. Und über die Bedrohung durch eine Großmacht, die Marcos jr. in seiner Rede nicht einmal erwähnte: China.
„Wir alle wissen, dass unsere Region und unsere Welt neu gestaltet werden. Wir alle wissen, dass wir in unserer Region mit den schwierigsten Umständen seit Jahrzehnten konfrontiert sind“, sagte Australiens Außenministerin Penny Wong in ihrer Eröffnungsrede zum Beginn der Quad-Gespräche. Als Quad wird das Bündnis der vier Länder bezeichnet, die laut einer Erklärung vom Montag „ernsthaft besorgt“ sind über die einschüchternden und gefährlichen Manöver, die die chinesische Regierung im Südchinesischen Meer ausführt, wie man das Westphilippinische Meer in Peking nennt. Am Sonntag hatte es auch bilaterale Gespräche zwischen Washington und Tokio gegeben. Nach diesen Gesprächen wurde das Verhalten Chinas in der Region als die „größte strategische Herausforderung“ bezeichnet.
Es lohnt, einen Blick auf die Weltkarte zu werfen, um sich den Konflikt geografisch vorzustellen. China beansprucht große Teile der Gewässer, die weit hinunter bis an die Küste von Brunei und Malaysia reichen. Es sind also nicht nur die „Quad“-Verbündeten, sondern auch fast alle Mitglieder der Asean-Staaten davon betroffen. Begründet wird das mit einem historischen Anspruch, den keines der betroffenen Länder teilt.
Peking ignoriert seit Jahren ein Urteil, das seine Besitzansprüche verneint
Ein Gerichtsurteil eines internationalen Schiedsgerichts in Den Haag aus dem Jahr 2016, das diese Besitzansprüche zurückweist, wird von Peking ignoriert, und die Patrouillen im Indopazifik wurden so verstärkt, dass die Regierung der Philippinen vor etwa zwei Jahren, kurz nachdem Ferdinand Marcos jr. an die Macht kam, damit anfing, Videos von Attacken chinesischer auf philippinische Boote zu veröffentlichen. Neben der chinesischen Küstenwache sind auch angebliche Fischer-Milizen in den Gebieten unterwegs. Seitdem bekommt die ganze Welt mit, wie eine Großmacht mit wachsendem Herrschaftsanspruch ein kleineres Land einzuschüchtern versucht wie ein Schläger auf dem Schulhof.
„Wir bekräftigen unsere entschiedene Ablehnung jeglicher einseitiger Aktionen, die darauf abzielen, den Status quo mit Gewalt oder Zwang zu verändern“, so erklärten die Quad-Außenminister am Montag in Tokio einem gemeinsamen Statement, ohne China dabei direkt zu nennen. Sie sind, wie auch die philippinische Regierung in Manila, hörbar bemüht, den Konflikt nicht weiter anzuheizen. Doch der internationale Druck auf Peking wächst.
Die Außenminister äußerten auch ihre Sorge über die Militarisierung der umstrittenen Gebiete. So hat Peking das „Mischief Reef“, eine Lagune, die nach dem Gerichtsurteil von Den Haag einwandfrei in der ausschließlichen Wirtschaftszone der Philippinen liegt, zu einer Insel ausgebaut, die heute eine militärische Einrichtung der chinesischen Armee trägt.
Russlands Krieg und Nordkoreas Raketen spitzen die Lage zu
US-Außenminister Antony Blinken sagte in der Pressekonferenz der Quad-Gruppe, „wir legen einen Kurs für eine sicherere und offenere Region des Indopazifiks und des Indischen Ozeans fest, indem wir die maritime Sicherheit und das Bewusstsein für den Bereich stärken.“ Dazu gehört auch eine umfassende Umstrukturierung des US-Militärkommandos in Japan. Es wird eine neue Kommandozentrale der US-Armee für gemeinsame Einsätze mit Japan in einem „sich entwickelnden Sicherheitsumfeld“ geben. Die habe „mit der fortgesetzten Aggression Russlands in der Ukraine, den Versuchen, den Status quo im Ost- und Südchinesischen Meer einseitig mit Gewalt zu verändern, und dem Start ballistischer Raketen durch Nordkorea zugenommen“, sagte die japanische Außenministerin Yoko Kamikawa.
Die Aufwertung des Kommandos „wird die bedeutendste Veränderung der US-Streitkräfte in Japan seit ihrer Stationierung und eine der stärksten Verbesserungen in unserer militärischen Beziehungen zu Japan seit 70 Jahren“, sagte US-Verteidigungsminister Lloyd Austin. „Diese neuen operativen Fähigkeiten und Verantwortlichkeiten werden unsere kollektive Abschreckung verbessern.“ Das würde Atomwaffen einschließen. Das neue US-Kommando wird zunächst von einem Drei-Sterne-General geleitet, nicht von einem Vier-Sterne-General, wie von Japan gewünscht. Aber „wir haben das nicht ausgeschlossen“ sagte Austin.
Die USA hatten bereits im vergangenen Jahr das sogenannte EDCA, das „Enhanced Defense Cooperation Agreement“, mit den Philippinen verstärkt. Offiziell gibt es keine stationierten US-Truppen auf den Philippinen, aber es wird Infrastruktur gebaut und Material gelagert, die ein schnelles Eingreifen im Verteidigungsfall erleichtern würden. Am Sonntag kündigten die USA eine umfassende Umstrukturierung ihres Militärkommandos in Japan an. Das soll auch dem Schutz Taiwans dienen, das China ebenfalls als eigenes Territorium begreift. Peking geht es aber wohl vor allem um Rohstoffe, die man im Indopazifik fördern kann, Öl und Gas – und welche die Philippinen gerne selbst gewinnen würden.
Blinken hatte bereits am Samstag seinen chinesischen Amtskollegen Wang Yi in Laos getroffen und wiederholt, dass Washington und seine Partner einen „freien und offenen Indopazifik“ aufrechterhalten wollen, wie die Nachrichtenagentur Reuters unter Berufung auf das US-Außenministerium berichtete. Bei einer regulären Pressekonferenz am Montag warf Lin Jian, der Sprecher des chinesischen Außenministeriums, der Quad vor, „künstlich Spannungen zu erzeugen, Konfrontationen zu schüren und die Entwicklung anderer Länder zu behindern“. Gemeint war auch hier China.
Blinken und Austin reisen am Montag von Tokio weiter nach Manila, um dort mit ihren philippinischen Kollegen zusammenzutreffen. Auch hier wird es sicher darum gehen, dass US-Engagement in der Region zu bekräftigen, nachdem Joe Biden bekannt gegeben hat, sich aus dem Präsidentschaftswahlkampf zurückzuziehen.