Neue Sicherheitsgesetze:Peking verteidigt restriktives Vorgehen in Hongkong

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In Hongkong protestieren Tausende gegen eine mögliche Ausweitung der Machtbefugnisse der chinesischen Regierung. (Foto: dpa)

Die chinesische Sonderverwaltungszone sei eine innere Angelegenheit Chinas. US-Außenminister Pompeo spricht von einem "Totengeläut für die Autonomie".

Von Lea Deuber, Peking

Tausende Menschen protestierten am Sonntag in Hongkong gegen die Pläne Pekings, neue Sicherheitsgesetze in der chinesischen Sonderverwaltungszone einzuführen, die Polizei ging mit Tränengas gegen sie vor, als zeitgleich der chinesische Außenminister Wang Yi in Peking vor die Presse trat.

Hongkong sei eine innere Angelegenheit Chinas und erlaube keine Einmischung von außen, stellte Chinas höchster Diplomat fest. Dass dem Hongkonger Parlament erlaubt werde, selbst Gesetze zu erlassen, schließe nicht aus, dass auch die Zentralregierung ihrerseits das Rechtssystem in Hongkong verbessere, sagte Außenminister Wang. Die Zentralregierung habe die Verantwortung für die nationale Sicherheit. Das Gesetzesvorhaben müsse "ohne die geringste Verzögerung" vorangetrieben werden.

Weltweit hatten Staaten das Vorhaben Pekings in den vergangenen Tagen kritisiert. Die neuen Sicherheitsgesetze, die bereits kommende Woche von Chinas Scheinparlament beschlossen werden sollen, beenden in der ehemaligen britischen Kolonie faktisch das Prinzip "Ein Land, zwei Systeme".

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Die Formel war Teil einer Abmachung, die Großbritannien und China in den 1980er-Jahren gefunden hatten, um die Wirtschaftsmetropole mit ihren freiheitlichen Grundrechten in die Volksrepublik zurückführen. Der aktuelle Gesetzentwurf soll nicht nur Abspaltungen, ausländischen Einfluss, Terrorismus und alle aufständischen Aktivitäten verbieten, die den Sturz der Zentralregierung zum Ziel hätten. Es beinhaltet laut einem aktuellen Gesetzesentwurf auch die Möglichkeit, chinesische Sicherheitsbehörden in die Sonderwirtschaftszone zu verlegen. Bislang kann die Pekinger Regierung offiziell nicht mit eigenen Polizisten in Hongkong aktiv werden.

2003 hatte die Hongkonger Regierung bereits einmal versucht, ein ähnliches Gesetz einzuführen, den Entwurf aber nach Massenprotesten zurückziehen müssen. Im vergangenen Jahr hatte Regierungschefin Carrie Lam versucht, wenigstens ein Auslieferungsabkommen mit Festlandchina durchzusetzen. Auch das war am Widerstand der Hongkonger gescheitert. Das neue Gesetz übergeht das Parlament in der Metropole nun einfach.

US-Außenminister Mike Pompeo sprach am Freitag von einem "Totengeläut für die Autonomie". Der letzte britische Gouverneur von Hongkong, Chris Patten, sagte der britischen Zeitung The Times, China habe das Volk von Hongkong verraten. "Was wir sehen, ist eine neue chinesische Diktatur", der man nicht trauen könne. Der Westen solle sich nicht von der illusorischen Aussicht auf Handelsvorteile zum Kotau vor China verleiten lassen. Auch in Taiwan reagierte man schockiert. Die Volksrepublik erhebt Ansprüche auf den demokratischen Inselstaat vor der Küste Chinas. Peking hatte das Modell in Hongkong immer auch als einen Weg dargestellt, Taiwan in die Volksrepublik einzugliedern.

Außenminister Wang begründet das neue Sicherheitsgesetz mit "terroristischen Aktivitäten"

Außenminister Wang Yi gab sich bei der Pressekonferenz am Rande des Volkskongresses am Sonntag trotz der Kritik selbstsicher. Er rechtfertigte die Pläne zum neuen Sicherheitsgesetz mit "terroristischen Aktivitäten" bei den Massenprotesten im vergangenen Jahr sowie "übermäßiger ausländischer Einmischung".

Peking hat vor allem Großbritannien und den USA wiederholt vorgeworfen, die Proteste in Hongkong heimlich zu steuern. Er wies auch die Befürchtungen zurück, dass der Eingriff aus Peking den Status der asiatischen Wirtschaftsmetropole schädigen könnte. Das Sicherheitsgesetz werde "keinen Einfluss" auf die Freiheiten der sieben Millionen Hongkonger haben oder auf die Interessen der Investoren. Das Gesetz werde vielmehr mehr Stabilität und Rechtsstaatlichkeit bringen.

Kritik übte Wang gleichzeitig an den USA, deren Verhältnis zu China unter anderem wegen des Handelsstreits, geopolitischen Streitigkeiten im Südchinesischen Meer und Menschenrechtsfragen seit Längeren angespannt, seit Ausbruch des Coronavirus aber auf einem historischen Tiefpunkt angekommen ist. "Neben der Verwüstung durch das neue Coronavirus gibt es auch ein politisches Virus, das sich in den USA verbreitet", sagte der Außenminister. Dieses werde bei jeder Gelegenheit genutzt, um China anzugreifen und zu verleumden.

Zu viele Lügen und Verschwörungstheorien hätten US-Politiker in der Krise über China fabriziert. "Einige politische Kräfte in den USA nehmen die Beziehungen zwischen China und den USA als Geisel und drängen das Verhältnis in Richtung eines neuen Kalten Krieges." Beide Länder könnten von Kooperation nur profitieren, bei Konfrontation nur verlieren. Das Land werde aber seine Souveränität und territoriale Integrität verteidigen. Die USA sollten zudem ihr "Wunschdenken" aufgeben, China ändern zu können.

Um Kritik an den anfänglichen Vertuschungsversuchen durch die chinesischen Behörden zu verhindern, betreibt Peking eine zunehmend aggressive Außenpolitik und bedroht Staaten, die es kritisieren, mit diplomatischen und wirtschaftlichen Sanktionen. Nachdem Australien eine Untersuchung zum Umgang Chinas mit dem Coronavirus gefordert hatte, drohte Peking prompt mit Boykotten und Importverboten für australische Produkte. Solche Drohungen überbringen inzwischen immer häufiger - recht undiplomatisch - chinesische Diplomaten auf Twitter. Nach dem neuen Ton in der chinesischen Außenpolitik befragt, erklärte Wang Yi am Sonntag: "Wir starten nie einen Streit oder gängeln andere." Man habe aber seine "Prinzipien" und die notwendige "Beherztheit", sie durchzusetzen.

© SZ vom 25.05.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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