Hongkong:Provokation nach Pekinger Art

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Die Hongkonger Aktivisten Joshua Wong und Agnes Chow wie sie nach ihrer Verhaftung am Freitag einem Polizeiwagen entsteigen. (Foto: Tyrone Siu/REUTERS)
  • In Hongkong wirken die Verhaftungen von Aktivisten wie neue Provokationen in dem Konflikt.
  • Trotz eines Verbots durch die Polizei wollen viele Hongkonger am Samstag erneut demonstrieren.
  • China droht mit seinen Soldaten und will keine Zugeständnisse machen.

Von Lea Deuber, Hongkong

Zwei Organisatoren der Protestmärsche wurden von Vermummten mit Baseballschlägern und Messern attackiert. Versammlungen und Kundgebungen wurden verboten. Drei Abgeordnete der pro-demokratischen Bewegung sind in Haft, mehrere Aktivisten waren es zwischenzeitlich - darunter die prominentesten Köpfe der Proteste: Joshua Wong, Agnes Chow und Andy Chan. Und es wurde mit dem Einmarsch der Volksbefreiungsarmee gedroht. Das ist nicht etwa die Bilanz der vergangenen Wochen oder Monate in Hongkong - es ist die Bilanz der letzten 48 Stunden. Die Verhaftungen der Abgeordneten und der drei bekannten Aktivisten wirken wie eine neue Provokation in dem seit Monaten schwelenden Konflikt. Die Nachricht kam nur einen Tag vor der ursprünglich für diesen Samstag geplanten Demonstration, die nach einem Verbot der Polizei von den Veranstaltern abgesagt wurde, nun aber ohne Genehmigung doch stattfinden könnte. Auch wenn die Organisatoren die Hongkonger aufriefen, sich an die Entscheidung der Polizei zu halten und nicht zu demonstrieren, kündigten viele Menschen am Freitag in sozialen Netzwerken an, trotzdem am Samstag demonstrieren zu wollen. Auch Isaac Cheng, Vizechef der Partei Demosisto, rief die Bürger auf, weiter auf die Straße zu gehen.

Ursprünglich war als Ziel für die Samstagsdemo das Liaison Office in der Nähe des Hafens geplant gewesen, die Vertretung der Zentralregierung in Hongkong. Diese war am Freitag komplett verrammelt. Wo mögliche Versammlungen und Protestzüge entlangführen könnten, war am Freitag noch unklar. Die Hongkonger Polizei erklärte aber in einer Pressekonferenz, zunächst friedlich auf mögliche Demonstrationen reagieren zu wollen.

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Die Anwesenheit des Militärs sei nicht symbolisch zu verstehen

Sollte sich die Lage allerdings verschärfen, hätten die in Hongkong stationierten chinesischen Soldaten "keinen Anlass, untätig zuzuschauen", drohte die staatliche China Daily am Freitag. Die Anwesenheit des Militärs sei "nicht rein symbolisch" zu verstehen. Eine Eskalation am Samstag könnte auch die für kommende Woche geplante Chinareise von Bundeskanzlerin Angela Merkel infrage stellen.

In den vergangenen Wochen waren immer wieder mehrere Hunderttausend Menschen den Aufrufen zu den Protestmärschen gefolgt. Auslöser der Massenproteste vor zwei Monaten war ein umstrittenes Auslieferungsgesetz mit China. Das hat die Hongkonger Regierungschefin Carrie Lam zwar auf Eis gelegt, den Demonstranten geht das aber nicht weit genug. Sie wollen eine komplette Rücknahme des Gesetzes, eine unabhängige Untersuchung der Polizeigewalt, den Rücktritt von Carrie Lam, ein Ende der politischen Verfolgung von Aktivisten, die sich an den Protesten beteiligt haben, sowie mehr demokratische Mitbestimmung in der Stadt.

Weiterhin gehen in der chinesischen Sonderverwaltungszone jeden Tag Menschen auf die Straße. Am Mittwoch versammelten sich mehrere Zehntausend Hongkonger friedlich im Protest gegen sexuelle Übergriffe von Polizisten gegen Demonstrantinnen. Einige Stunden zuvor waren rund zweitausend Menschen gegen die Gängelungen bei der Hongkonger Fluggesellschaft Cathay Pacific auf die Straße gegangen, sie hatte Mitarbeiter aufgrund von Veröffentlichungen in den sozialen Medien zum Protest entlassen. Auch am Donnerstag und Freitag kam es zu spontanen und kleineren Versammlungen verschiedener Gruppen. Kritik gab es am Freitag vor allem an den Verhaftungen der drei Abgeordneten Jeremy Tam, Au Nok-hin und Cheng Chung-tai und mehreren bekannten Aktivisten. Darunter der ehemalige Studentenführer der Regenschirmbewegung Joshua Wong. Dieser soll am frühen Freitagmorgen an einer Bahnstation in ein nicht gekennzeichnetes Auto gezerrt und ins Polizeiquartier gebracht worden sein. Wong hatte erst im Sommer im Zusammenhang mit den Protesten von damals für fünf Wochen in Haft gesessen und sich erst später der Protestbewegung angeschlossen. Viele Aktivisten betonen, dass es bei diesen Protesten keine Anführer gibt. Wong nennt sich selbst auch nur einen Demonstranten unter vielen. Die Verhaftungen seien der Versuch, in einer Bewegung, die bewusst keine Anführer bestimmt hat, Einzelpersonen zum Sündenbock zu machen, kritisierte er. Prominente Figuren einer früheren Bewegung in den Fokus zu nehmen, nannte Wong auf Twitter am Abend "komplett verrückt". Die Polizei teilte hingegen mit, es gehe um seine Rolle bei einem nicht genehmigten Protest im Juni vor einer Polizeiwache. Der 22-Jährige sollte eigentlich im kommenden Monat ins Ausland reisen. Unter anderem nach Deutschland, wo er sich mit Politikern verschiedener Parteien treffen wollte. Auch wenn Wong später wieder auf Kaution freigelassen wurde, ist unklar, ob er die Reise nun noch wird antreten können.

Peking lehnt Zugeständnisse ab

Neben Wong wurde seine Parteikollegin Agnes Chow zunächst zuhause verhaftet und später auf Kaution entlassen. Andy Chan war bereits am Donnerstag verhaftet worden. Er ist der Anführer der verbotenen National Party, die sich für die Unabhängigkeit der chinesischen Sonderverwaltungszone einsetzt. Nach Polizeiangaben steht er im Verdacht, randaliert und die Polizei angegriffen zu haben. Mehr als 900 Menschen wurden in den vergangenen Wochen bei Demonstrationen zumindest verhaftet.

Die Nachrichtenagentur Reuters berichtete am Freitag außerdem, Peking soll Zugeständnisse der Hongkonger Regierungschefin Carrie Lam an die Demonstranten in der früheren britischen Kronkolonie verhindert haben. Lam soll der Führung in Peking einen entsprechenden Bericht vorgelegt haben.

© SZ vom 31.08.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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