Süddeutsche Zeitung

China:Chinas Aggression ist Schwäche

Pekings globaler Einfluss erscheint allgegenwärtig. Das eigentliche Problem aber ist: Das Land hat kein Angebot an die Welt, wie es künftig international eine konstruktive Rolle übernehmen kann.

Kommentar von Lea Deuber

Bundeskanzlerin Angela Merkel schließt eine Beteiligung des Huawei-Konzerns am Ausbau des deutschen Mobilfunknetzes nicht aus. Angeblich, um Peking nicht zu verärgern. In den USA zwingt China die Basketball-Profiliga NBA, sich für einen Kommentar zu Hongkong zu entschuldigen. Und in einem Hollywood-Blockbuster zeigen die Filmemacher eine von Peking abgesegnete Karte, die dessen Gebietsansprüche im Südchinesischen Meer einschließt. Chinas globaler Einfluss erscheint allgegenwärtig. Die Aggression, mit der das Regime seine Interessen weltweit durchdrückt, soll Stärke demonstrieren. Doch sie zeigt vor allem Pekings Schwächen.

Besonders deutlich wird das in Hongkong. Die Strategie der chinesischen Regierung ist gescheitert. Die Demonstranten gehen allen Drohungen zum Trotz weiter auf die Straße. Die Reaktion der Kommunistischen Partei auf die Einmischung des Auslands ist deshalb so heftig, weil Peking in diesem Konflikt so machtlos ist.

Kritik an China gehört plötzlich zum guten Ton

Sieben Worte eines Sportmanagers aus der NBA reichen als Provokation, um die Arbeit von Jahrzehnten zu zerstören. Dabei galt die amerikanische Basketball-Profiliga als Musterbeispiel für erfolgreiche Kooperation zwischen den USA und China. Künftig wird der Vorfall ein zentrales Argument für China-Kritiker in den USA für einen härteren Kurs gegenüber dem Land sein. Die technischen Details rund um den Handelskrieg kapiert kaum jemand. Die Profiliga kennt in Amerika hingegen jedes Kind, für viele Amerikaner ist die Einmischung Pekings ein Anschlag auf die Meinungsfreiheit in den USA. Das Zurückrudern einiger Sportler in dieser Woche halten viele für eine Schande.

Reihenweise fliegen US-Politiker nun nach Hongkong. Kritik an China gehört plötzlich zum guten Ton. Wenn Peking Hongkong von der Agenda streichen wollte, hat es das Gegenteil erreicht. Inzwischen müssen die Behörden das Thema sogar im eigenen Land zensieren, um die Kontrolle nicht zu verlieren.

Auch wenn die Kommunistische Partei in vielen Ländern immer wieder erfolgreich Druck auf Partner ausübt, schadet das aggressive Auftreten auf politischer Ebene langfristig mehr, als es nützt. Ein aktuelles Beispiel dafür ist Taiwan. Weltweit zwingt Peking Firmen wie die Lufthansa dazu, den Inselstaat als einen Teil Chinas auf ihren Internetseiten aufzuführen. Es gab mal eine Zeit, da war das Hongkonger Prinzip "Ein Land, zwei Systeme" auch für viele Menschen in Taiwan denkbar. Der allumfassende Machtanspruch, die Gängelungen und die aggressive Hongkong-Politik führen dort nun dazu, dass die China-kritische Präsidentin Tsai Ing-wen voraussichtlich im Januar wiedergewählt wird. Vor einigen Monaten galt das noch als unwahrscheinlich. China scheitert daran, die Herzen der Menschen zu gewinnen, also verbietet es ihnen den Mund. In freien Gesellschaften wird diese Strategie scheitern.

Deutschland braucht endlich eine klare China-Strategie

Das Problem ist, dass die chinesische Regierung bisher keine außenpolitischen Instrumente entwickelt hat, die über das Erpressen, das wirtschaftliche Sanktionieren und das Bedrohen der Partner hinausgeht. Peking hat der Weltgemeinschaft kein Angebot vorzulegen, wie es in Zukunft international eine konstruktive Rolle übernehmen will. Je größer der Druck, desto massiver werden die Angriffe aus Peking werden, um seine Interessen durchzusetzen. Die Reaktion auf die Kritik im Umgang mit Hongkong gibt dabei einen ersten Vorgeschmack.

Will Deutschland in Fragen wie dem Ausbau des Mobilfunknetzes handlungsfähig bleiben, benötigt es endlich eine klare Strategie im Umgang mit China. Dafür braucht es gleiche Spielregeln für beide Seiten und langfristig auch einen Abbau der wirtschaftlichen Abhängigkeit. Bisher hat Berlin der deutschen Wirtschaft diese Frage weitestgehend selbst überlassen. Eine Offenheit, die Peking für sich genutzt hat. Die chinesische Regierung hat früh verstanden, dass in offenen Marktwirtschaften Unternehmen frei agieren können. Das Land ermöglichte ausländischen Firmen auch deshalb, Milliarden in China zu investieren, weil es erkannte, dass Konzerne, erst einmal gebunden an China, auch nach seiner Pfeife tanzen würden. Sie hatten recht. Die deutschen Konzernchefs sind heute Pekings treueste Parteisoldaten.

Die Lage ist längst nicht so aussichtslos, wie sie von deutschen Konzernen manchmal dargestellt wird. Auch Pekings Einfluss hat seine Grenzen. Wirtschaftlich ist das Land auf ausländische Technologie und Investitionen angewiesen. Der Handelsstreit setzt Peking unter Druck. Das Land braucht Offenheit - zumindest die Offenheit der anderen. Deutschland sollte deshalb klarer gegenüber China auftreten. Peking erscheint in diesen Tagen, in denen es jeden und alle angreift, auch so mächtig, weil seine Partner so bereitwillig kuschen. Das Wegschauen und die Selbstzensur sind zu einem Ritual geworden. Das ist langfristig auch eine Gefahr für die freiheitlichen Grundrechte hierzulande.

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Quelle:
SZ vom 17.10.2019
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