China:Freundchen

Nach der Verhaftung eines Huawei-Managers in Polen steigt die China-Angst. Dafür gibt es keinen Grund. Allerdings besteht Anlass, die Beziehungen jenseits der Extreme von Hysterie und Naivität zu justieren.

Von Lea Deuber

Nach der Verhaftung eines Huawei-Managers in Polen wegen des Verdachts auf Spionage in der vergangenen Woche muss nun auch Deutschland eine grundsätzliche Entscheidung treffen. Bisher setzt Berlin beim Ausbau der 5-G-Netze auf die Technologie des chinesischen Konzerns. An dieser Wahl wachsen Zweifel. Die USA, Japan, Australien, Neuseeland und Großbritannien haben bereits eine Kooperation mit Huawei ausgeschlossen oder prüfen ein Verbot.

Nach Jahren der Chinaeuphorie mit zweistelligen Wachstumsraten ist die Stimmung gekippt. Vielen Akteuren ist Chinas aggressives Auftreten unheimlich geworden. Die Rede des Vizepräsidenten Mike Pence über die neue China-Politik der US-Regierung im Oktober klang wie eine Deklaration zum Kalten Krieg. Deutschland sollte sich daran kein Beispiel nehmen. Zwischen Hysterie und Naivität gibt es viel Spielraum für einen klugen Umgang mit China. Es mag mehr als fraglich sein, ob Huawei-Technologie für das nationale 5-G-Netz eingesetzt werden sollte. Trotzdem darf China nicht zum neuen Feindbild mutieren. Angst ist kein guter Ratgeber.

Peking hat die neue Furcht vor China selbst provoziert. Durch das globales Investitionsprogramm hat China Staaten in finanzielle Abhängigkeit getrieben. Im Südchinesischen Meer beansprucht Peking Gewässer, durch die eine der wichtigsten Handelsrouten der Welt verläuft. Das Urteil des Schiedsgerichtshofs in Den Haag, das den Anspruch auf die Region verneinte, ignoriert Peking. Mit militärischer Präsenz versucht es, Fakten zu schaffen, und provoziert immer wieder gefährliche Zwischenfälle mit anderen Staaten. Taiwan, das sich in den 1990er-Jahren friedlich demokratisierte, droht Präsident Xi Jinping mit einer "gewaltsamen Wiedervereinigung". Als Reaktion auf die Untersuchung gegen eine Huawei-Managerin in Vancouver lässt Peking willkürlich Kanadier verhaften.

China gängelt, droht, wütet. Kritik an diesem Verhalten ist gerechtfertigt. Es braucht aber keine Konfrontation, sondern eine Strategie zur Einbindung. China ist das bevölkerungsreichste Land der Welt und die zweitgrößte Wirtschaftsmacht. Im Kampf gegen die Erderwärmung und bei internationalen Krisen können andere Staaten nicht mehr auf die Kooperation mit Peking verzichten. China ist zudem Deutschlands größter Handelspartner. Die deutsche Industrie hat in den vergangenen Jahrzehnten Milliarden investiert und hohe Gewinne eingefahren. Deutschlands Wachstum hängt am Erfolg der chinesischen Wirtschaft.

Peking schreckt nicht davor zurück, diese Abhängigkeit als Hebel zu nutzen. Unternehmen, die den Forderungen Chinas nicht nachkommen, drohen den Zugang zum Markt zu verlieren. Norwegens Fischer konnten ihren Lachs nicht mehr verkaufen, nachdem der Friedensnobelpreis 2010 an den inzwischen verstorbenen Liu Xiaobo vergeben worden war. Südkoreanische Firmen mussten dafür büßen, als die USA gegen Chinas Willen die Stationierung eines Raketenabwehrsystems in Südkorea planten.

Trotzdem wäre es falsch, in Hysterie zu verfallen. Hermann Hesse schrieb, Angst hat man nur, wenn man mit sich selbst nicht einig ist. Peking ist gut darin, internationale Kooperationen durch separate Verhandlungen auf bilateraler Ebene zu schwächen. Deutschland muss deshalb mit den anderen EU- Staaten eine gemeinsame China-Strategie entwickeln.

Es braucht keinen neuen Kalten Krieg, aber klare Grenzen: Chinesische Investitionen in Europa sind willkommen. Aber es muss bekannt sein, wer hinter den Übernahmen steckt. Die Zusammenarbeit mit China darf nicht zu Abhängigkeit führen, sondern muss in Partnerschaft münden. Die EU muss deshalb auf Reziprozität bestehen. Dabei hat sie auch mehr Spielraum, als viele glauben: Auch Peking braucht das Ausland, um an neue Technologien zu kommen und den Export zu steigern. Zuletzt muss China Konsequenzen spüren, wenn es per Spionage, Wahlmanipulationen und Gängelungen von Politikern, Universitäten, Verlagen und Medien versucht, andere Staaten zu schwächen. Hier passiert noch zu wenig.

Die Situation ist längst nicht so aussichtslos, wie sie wirkt. Die Strategie Wandel durch Handel ist nicht gescheitert. Kaum jemand im Land ist glücklich über die Abschottungspolitik von Präsident Xi Jinping, der auch die Repressionen gegen die Bevölkerung verschärft hat. Die Menschen sehnen sich nach den Freiheiten, die es unter Xi nicht mehr gibt. Deshalb ist es auch falsch, wenn die USA nun die Visaregeln für chinesische Studenten verschärfen und prinzipiell Misstrauen gegenüber Chinesen schüren.

Präsident Xi stilisiert den Aufstieg des Landes zu einem Kampf zwischen dem Westen und der eigenen Nation. Nationalismus soll die Herrschaft der Partei retten. Spüren die Menschen im Ausland antichinesische Ressentiments, könnte Xis Strategie Erfolg haben.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: