Nahost:China will Palästinenser geeint haben

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Chinas Außenminister Wang Yi, mit Mahmoud al-Aloul von der Fatah (li.) und Moussa Abu Marzouk, einem hochrangigen Vertreter der Hamas. (Foto: Pedro Pardo/AP)

Peking überrascht mit diplomatischer Initiative in Nahost. Aber ist die verkündete Annäherung zwischen Fatah und Hamas von Dauer?

Von Majd El-Safadi

Die seit Jahren verfeindeten palästinensischen Gruppierungen Fatah und Hamas sollen ihren Streit beigelegt haben. In einer gemeinsamen Erklärung hätten sich insgesamt 14 palästinensische Gruppierungen darauf geeinigt, ihre Spaltungen zu überwinden und die Einheit der Palästinenser zu stärken, berichten staatliche Medien in Peking. Die Einigung soll auf chinesische Vermittlung hin zustande gekommen sein. China hatte sich seit April als Vermittler zwischen den konkurrierenden Palästinensergruppen eingeschaltet.

Die Erklärung bringe „den leidenden palästinensischen Menschen wertvolle Hoffnung“, sagte eine Sprecherin des chinesischen Außenministeriums am Dienstag laut dpa. Für das Treffen waren Mahmoud Al-Aloul, stellvertretender Vorsitzender des Zentralkomitees der Fatah, und Moussa Abu Marzouk, ein hochrangiges Mitglied der Hamas, nach Peking gereist. Der Washington Post zufolge haben Botschafter aus Ägypten, Russland und Algerien an den Gesprächen teilgenommen.

Jahrelang waren die führenden Organisationen der Palästinenser zerstritten

Die säkulare Fatah und die militant-islamistische Hamas sind die zwei größten Palästinenserorganisationen, jedoch seit Jahren erbitterte Feinde und zerstritten. Nachdem die Hamas 2006 im Gazastreifen an die Macht gekommen war, hat sie die Fatah gewaltsam aus dem Gazastreifen vertrieben. Seither kontrolliert die Hamas den Gazastreifen, während die Palästinensische Autonomiebehörde (PA) unter der Führung von Palästinenserpräsident Mahmud Abbas Teile des von Israel besetzten Westjordanlands regiert. Sie ist bei der Bevölkerung wegen Korruption und Missmanagement verhasst.

In der Vergangenheit gab es immer wieder Bemühungen, beide Seiten an einen Tisch zu bringen und eine gemeinsame Regierungsstruktur im Gazastreifen und dem Westjordanland zu etablieren. 2011 gab es einen konkreten, auf den ersten Blick vielversprechenden Versöhnungsversuch, der letztlich wieder im Streit endete. Dasselbe Muster wiederholte sich 2017. Und viele weitere Male: Algier, Doha, Mekka und Sanaa waren alles Orte, an denen die beiden Fraktionen bereits beschlossen, sich fortan zu vertragen.

Noch immer ist unklar, wer Gaza nach dem Krieg regieren soll

Hamas und Fatah unterscheiden sich grundsätzlich in ihrer ideologischen Ausrichtung und Zielsetzung. Während die Terrororganisation Hamas in ihrer Charta die Zerstörung des Staates Israel und die gewaltsame Errichtung eines islamischen Staates Palästina vom Jordan bis zum Mittelmeer fordert, setzt die Fatah dagegen auf Verhandlungen mit Israel. Im Zuge des Oslo-Friedensprozesses in den 1990er-Jahren erkannte die Fatah das Existenzrecht Israels an, die Hamas hingegen nicht. Obwohl einzelne ihrer Funktionäre dies bereits zur Diskussion stellten.

Seit dem brutalen Terrorangriff der Hamas auf Israel am 7. Oktober herrscht Krieg in Gaza. Nach fast zehn Monaten ist immer noch unklar, wer nach dem Ende des Krieges Gaza regieren soll. Bisher bestand die Hamas darauf, weiter an der Macht zu bleiben. Für Chinas Chefdiplomaten Wang hat die Bildung einer „nationalen Interimsregierung zur Versöhnung“ Priorität. Eine solche Einheitsregierung könne „nicht ohne die Unterstützung der internationalen Gemeinschaft erreicht werden“, sagt Wang.

Peking will sich als Friedensstifter etablieren

Darüber hinaus bekräftigte er Chinas Unterstützung für einen „umfassenden, dauerhaften und nachhaltigen Waffenstillstand“ und für die Einberufung einer großen „internationalen Friedenskonferenz“, um auf eine Zweistaatenlösung hinzuarbeiten.

Ob die Pekinger Erklärung auf Dauer tragfähig ist, bleibt abzuwarten. Für China ist sie in erster Linie ein Gewinn auf dem Gebiet der Diplomatie, wie schon bei der vereinbarten Normalisierung zwischen Iran und Saudi-Arabien im vergangenen Jahr. China will sich als geopolitisches Schwergewicht positionieren und entwirft eine alternative Weltordnung. Gerade im Nahen Osten will Peking, in Konkurrenz zu den USA, sich als neue „Garantiemacht“ und als Friedensstifter etablieren.

Peking hat die Hamas bisher nicht ausdrücklich für ihren Angriff auf Israel am 7. Oktober verurteilt, wohl auch, um als neutraler Verhandler auftreten zu können.

In Israel ist die Versöhnung auf wenig Gegenliebe gestoßen. Außenminister Israel Katz reagierte auf X mit scharfen Worten: „Anstatt den Terrorismus abzulehnen, umarmt Mahmoud Abbas die Mörder und Vergewaltiger der Hamas und offenbart damit sein wahres Gesicht.“ Den Plänen erteilt er eine Absage: „In Wirklichkeit“, schreibt Katz, „wird das nicht passieren, denn die Herrschaft der Hamas wird zerschlagen und Abbas wird Gaza aus der Ferne beobachten.“

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