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SZ Europa:Wie die EU Chinas Einfluss in Europa begrenzen will

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In dieser Woche traten die Widersprüchlichkeiten des chinesisch-europäischen Verhältnisses offen zu Tage - und auch, was bisher schief lief, um Pekings Ambitionen Einhalt zu gebieten.

Europakolumne von Matthias Kolb, Brüssel

Mit jeder Woche wird in Brüssel aber eine Frage dominanter: Wie gehen wir Europäer künftig mit China um? Als Handelspartner sind Europa und China eng verbunden, täglich gehen Waren im Wert von einer Milliarde Euro hin und her, aber als politisch ehrgeiziger und oft rücksichtsloser Akteur wurde Peking auch schon eingestuft. "Im Vergleich zu Chinas Dynamik wirkt Europa manchmal etwas müde und erschöpft", sagte kürzlich Michael Clauß, der bis Sommer 2018 Botschafter in Peking gewesen war. "Nach 200 Jahren Abwesenheit kehrt China nun als bedeutender Akteur auf die Weltbühne zurück."

Im Januar sprachen die Außenminister in Bukarest über den Umgang mit Peking, bei der Münchner Sicherheitskonferenz ging es um Chinas Investitionen in Künstliche Intelligenz und Roboter und ob die Amerikaner recht haben, dass Huawei mit seiner 5G-Mobilfunktechnik Spionage betreiben kann. Der Satz "Die Naivität ist vorbei" fällt immer öfter, spätestens seit die EU-Kommission China in einem Strategiepapier als "Systemrivalen" bezeichnete. Peking sieht das eigene Modell als überlegen gegenüber Demokratien an und eine Spaltung der EU ist oft in chinesischem Interesse. Nur geeint hat Europa eine Chance, nicht zurückzufallen: etwa indem man gemeinsam Geld in Zukunftstechnologien und Forschung steckt.

In dieser Woche traten die Facetten des chinesisch-europäischen Verhältnisses offen zu Tage. Am Dienstag empfingen Kommissionschef Jean-Claude Juncker und Ratspräsident Donald Tusk Premier Li Keqiang zum EU-China-Gipfel. Die 28 Mitgliedsstaaten zeigten eine bisher ungeahnte Einigkeit und machten klar: "Ohne Substanz keine Abschlusserklärung." Also bewegte sich Peking: Abbau von Industriesubventionen, besserer Marktzugang für europäische Firmen und kein Zwang zum Technologietransfer - plötzlich ist all das möglich. Wie viel die Zusagen wert sind, wird sich zeigen, aber geschadet hat das Selbstbewusstsein nicht.

Chinas Premier Li reiste sofort weiter zum "16 plus 1"-Gipfel ins kroatische Dubrovnik, wo er am Freitag die Staats- und Regierungschefs von fünf Westbalkan-Staaten sowie elf EU-Ländern aus Osteuropa traf. Li weiß, dass in der Hafenstadt blutrünstige TV-Szenen gedreht wurden und sagte schmeichelnd: "Unsere Beziehung ist nicht 'Game of Thrones', sondern echte Kooperation." Auch wenn sich die Hoffnungen auf Infrastruktur-Kredite nicht völlig erfüllt haben, so illustriert das Treffen die Sorge vieler Experten: Peking kauft sich mit Geld Einfluss und Staaten wie Griechenland (der Hafen von Piräus gehört den Chinesen) blockieren unliebsame Entscheidungen auf EU-Ebene. Premier Alexis Tsipras gab nun bekannt, dass Griechenland Mitglied des Clubs der "16 plus 1" werden will.

In Komarna, 75 Kilometer entfernt von Dubrovnik, entsteht ein weiteres Symbol für Chinas Ambitionen - und dafür, was bisher schief lief. Dieser Teil Kroatiens ist nur über einen Umweg über Bosnien erreichbar. "China Road and Bridges Corporation" baut nun die 2,3 Kilometer lange Verbindungsbrücke. 85 Prozent des Budgets, insgesamt 357 Millionen Euro, stammen aus EU-Töpfen - und die Firma kann ein konkurrenzlos günstiges Angebot vorlegen, weil sie massiv von Peking subventioniert wird. Viele der Arbeiter sind aus China und die Behörden können kaum prüfen, wie viel Gehalt sie bekommen. Der Fall alarmierte Brüssel, weshalb zahlreiche Regeln nun überprüft und Schlupflöcher geschlossen werden.

Viele weitere Fragen sind noch zu debattieren. Muss man das Wettbewerbsrecht ändern, damit europäische Firmen auf dem Weltmarkt bestehen können? Merken die 22 EU-Mitglieder, die der Nato angehören, dass es militärisch bedenklich ist, wenn das Eisenbahnnetz einem autokratischen Regime gehört? Sollte ein europäisches Konsortium den Hafen von Piräus zurückkaufen - und ist es mittelfristig nicht klüger, dem Balkan oder der Ukraine eine Perspektive für engere Anbindung zu geben? Gelingt es Europa in Bezug auf künstliche Intelligenz oder den Einsatz von Robotern Regeln aufzustellen, die zumindest teilweise eingehalten werden?

Die Lobbyisten von Huawei registrieren den Stimmungswechsel in Brüssel. "Wir könnten jeden Tag jemanden aus China im Büro haben", sagt eine einflussreiche Europaabgeordnete. Im EU-Parlament verbreitet sich die gleiche Erkenntnis wie unter Journalisten: Es ist fahrlässig, China, seine Geschichte und Ambitionen zu ignorieren. Die Auseinandersetzung könnte dazu führen, dass ein in Brüssel populäres Zitat von Paul-Henri Spaak verinnerlicht wird: "In Europa gibt es nur zwei Typen von Staaten: kleine Staaten und kleine Staaten, die noch nicht verstanden haben, dass sie klein sind."

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