China: Dissident Gao Zhisheng:In der Haft verschwunden

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Freunde bangen um das Leben eines chinesischen Anwalts, der vor einem Jahr verschleppt wurde. Die Polizei behauptet, er habe sich während eines Freigangs "verlaufen".

Henrik Bork, Peking

Die USA haben sich "sehr besorgt" über das Schicksal eines in der Haft vermissten chinesischen Anwalts geäußert. Washington habe den Fall Gao Zhisheng schon Ende vergangenen Jahres gegenüber der chinesischen Regierung zur Sprache gebracht, sagte eine Sprecherin der US-Botschaft in Peking am Montag. Familienmitglieder und Menschenrechtsgruppen befürchten, der als mutiger Menschenrechtsanwalt bekannte Gao könnte in der Haft ums Leben gekommen sein.

Demonstration für die Freilassung Gao Zhishengs im Juni 2009: Familienmitglieder und Menschenrechtsgruppen befürchten mittlerweile, der als mutiger Menschenrechtsanwalt bekannte Gao könnte in der Haft ums Leben gekommen sein. (Foto: Archivfoto: AP)

Der früher einmal für den Friedensnobelpreis nominierte 46 Jahre alte Bürgerrechtler war vor knapp einem Jahr von chinesischen Sicherheitskräften verschleppt worden. Am Freitag vergangener Woche hatte sein Bruder, Gao Zhiyi, einen der Polizisten sprechen können, der an der Verschleppung beteiligt gewesen war.

Gao Zhisheng habe sich während eines Freigangs "verlaufen" und werde nun "vermisst", zitierte der Bruder den Polizisten anschließend. Seither befürchten Familienmitglieder, er könnte in der Haft ums Leben gekommen sein. Die chinesische Regierung schweigt zu den Vorwürfen.

Gao hatte trotz wiederholter Repressionen seitens der chinesischen Behörden immer wieder politisch sensible Fälle angenommen, unter anderem auch verfolgte Mitglieder der Sekte Falun Gong zu verteidigen versucht. Zuvor hatte er arme Bauern gegen korrupte Lokalbeamte vertreten und war daher sogar einmal von der Zentralregierung in Peking gelobt worden. Doch nachdem er in einem offenen Brief an Chinas Staats- und Parteichef Hu Jintao auf die Folter von Falun-Gong-Angehörigen aufmerksam machte, wurde er selbst zum Opfer der chinesischen Repression.

Nach einer früheren Haftzeit hatte er berichtet, unter Folter zu einem Geständnis gezwungen worden zu sein. Unter anderem seien seine Genitalien mit Zahnstochern durchbohrt worden, hatte er erklärt. Gaos Frau Geng He forderte die chinesische Regierung auf, das Schicksal ihres Mannes aufzuklären. "Wenn er lebt, lasst ihn uns sehen", sagte sie in einem tränenreichen Appell vor Reportern in Washington. "Wenn er tot ist, sagt uns wo seine Leiche ist."

Die Frau hatte sich im Januar vergangenen Jahres in einer dramatischen Flucht aus China abgesetzt. Sie hatte die ständigen Schikanen der chinesischen Staatssicherheit nicht mehr ertragen und war mit ihrer 15-jährigen Tochter und ihrem fünfjährigen Sohn zu Fuß durch den Dschungel bis nach Thailand geflohen. Später erhielt sie politisches Asyl in den USA.

Nach seiner Verschleppung war Gao Zhisheng jeglicher Kontakt zu seiner Familie verwehrt worden. "Die chinesische Regierung muss eine sofortige und vollständige Aufklärung veröffentlichen, was sie mit Gao Zhisheng getan hat", forderte eine Sprecherin der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch in New York. Befreundete Anwälte des Verschwundenen in Peking äußerten sich ebenfalls empört. "Gao war in Haft. Er konnte nirgendwohin", sagte einer von ihnen.

© SZ vom 19.01.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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