Belarus und China:Deshalb reist Lukaschenko nach Peking

Belarus und China: Eine belarussische und eine chinesische Fahne wehen vor dem Platz des Himmlischen Friedens anlässlich des Besuchs Lukaschenkos in Peking.

Eine belarussische und eine chinesische Fahne wehen vor dem Platz des Himmlischen Friedens anlässlich des Besuchs Lukaschenkos in Peking.

(Foto: dpa)

International ist Belarus weitgehend isoliert. Da kommt dem Machthaber die Einladung aus China gerade recht. Sie kann auch als Signal an Putin verstanden werden.

Von Silke Bigalke, Moskau, und Lea Sahay, Peking

Nur die wärmsten und allerfreundlichsten Erinnerungen habe er an seinen ersten Besuch in China, schwärmte der belarussische Machthaber Alexander Lukaschenko vor ein paar Tagen in einem Interview mit der staatlichen Nachrichtenagentur Xinhua. Bei seiner Reise vor zwei Jahrzehnten sei ihm bereits klar gewesen, dass die Volksrepublik in den nächsten zwei Dekaden einen bedeutsamen Aufstieg erleben werde. Glücklich sei er, dass er nun wieder zu seinem "alten Freund Präsident Xi Jinping" reisen könnte, "eine kluge, weise, kreative und moderne Person".

Für einen dreitägigen Staatsbesuch soll der belarussische Präsident seit Dienstag in Peking sein, seine Ankunft in der chinesischen Hauptstadt wurde bis zum Redaktionsschluss am Dienstagabend noch nicht bestätigt.

Für Alexander Lukaschenko bedeutet der Besuch vor allem eines: Eine Gelegenheit zu zeigen, dass Belarus international nicht völlig isoliert und mehr als ein Anhängsel Russlands ist. Europäische Regierungschefs erkennen ihn seit den Massenprotesten 2020 nicht mehr als legitimes Staatsoberhaupt an, betrachten die damalige Präsidentschaftswahl als gefälscht. Seit Lukaschenko die Proteste nach der Abstimmung blutig niederschlagen ließ, ist er noch abhängiger von Moskaus Hilfe als zuvor. Und seit Kriegsbeginn wird er von den meisten westlichen Staaten als Teil der russischen Bedrohung betrachtet. Auch jetzt beherbergt Lukaschenko Soldaten aus Russland und versichert gleichzeitig, Minsk würde keine Truppen in die Ukraine schicken.

Niemand werde China daran hindern, eine Weltmacht zu werden

Die Einladung des chinesischen Staats- und Parteichefs Xi Jinping kann insofern auch als Signal an Putin verstanden werden: Lukaschenko hat stets versucht, sich Optionen außerhalb Russlands zu schaffen. Von Peking erhofft er sich einen Ausbau der Handelsbeziehungen, hofft auf chinesische Investitionen in Belarus, die er nicht erst seit den europäischen Sanktionen ab 2020 dringend braucht. Im September kündigten beide Staatschefs bei einem Treffen in der usbekischen Stadt Samarkand eine "umfassende strategische Allwetterpartnerschaft" an. Kurz vor der geplanten Reise erklärten die chinesischen Staatsmedien, die Beziehungen befänden sich auf ihrem "höchsten Niveau in der Geschichte".

Nachdem Peking vergangene Woche ein Positionspapier "zur politischen Lösung der Ukraine-Krise" vorgelegt hat, wird es bei den Gesprächen sehr wahrscheinlich auch um die Ukraine gehen. Im Xinhua-Interview lobte Lukaschenko das Papier: "Wir sind froh, dass China endlich beginnt, eine entscheidende Rolle in unserer Welt zu spielen", sagt er, und: Niemand werde China daran hindern, eine Weltmacht zu werden. Peking wirft den USA immer wieder vor, den Aufstieg des Landes verhindern zu wollen.

Deutlich zurückhaltender hatte Moskau auf den chinesischen Vorschlag reagiert. Kremlsprecher Dmitrij Peskow sagte am Montag vor russischen Journalisten, man betrachte den "Plan unserer chinesischen Freunde mit großer Aufmerksamkeit". Die Einzelheiten müssten jedoch sorgfältig analysiert werden, dies sei ein "sehr langer, intensiver Prozess". In einem Interview mit der Zeitung Iswestija ergänzte Peskow später, dass Chinas Interessen von keinem Akteur auf der internationalen Bühne ignoriert werden könnten. Aber in der Ukraine sehe man derzeit keine Voraussetzungen, um über "eine friedliche Lösung des Problems" zu diskutieren. Die "Spezialoperation" werde daher fortgesetzt, "bis das Ziel erreicht ist".

Vor allem auf einen der zwölf Punkte in Chinas Plan dürfte Moskau eher kühl reagieren. China betont darin, dass die "Souveränität, Unabhängigkeit und territoriale Integrität aller Länder" aufrechterhalten werden müsse. Peking dürfte vor allem an den Inselstaat Taiwan gedacht haben, auf den die Kommunistische Partei Anspruch erhebt. Der Kreml muss das allerdings auch als Aufforderung verstehen, die Grenzen der Ukraine anzuerkennen. Deswegen betont das russische Außenministerium in seiner Stellungnahme zum Zwölf-Punkte-Plan, dass es keine friedliche Lösung in der Ukraine geben könne, solange Kiew die Rückgabe der annektierten Regionen Cherson, Saporischschja, Luhansk und Donezk fordere - die es in dem Text "unsere neuen Regionen" nennt.

Über andere Punkte in dem Plan dürfte sich der Kreml zweifelsohne gefreut haben, etwa über die Verurteilung westlicher Sanktionen oder die Forderung Pekings, die "legitimen Sicherheitsinteressen aller Länder" ernst zu nehmen. Das ist eine Formulierung, die China verwendet, um die Argumentation Russlands zu unterstützen, man müsse sich gegen die USA und die Nato verteidigen.

Für Putin bedeutet der Vorschlag aus Peking vor allem, dass er ihm Aufmerksamkeit aus China beschert. Die kann er gebrauchen, etwa wenn es darum geht, sich endlich über das Gaspipelineprojekt "Kraft Sibiriens 2" zu einigen oder über Waffenlieferungen und Technologieimporte. Auch ein Besuch des chinesischen Staatschefs in Moskau steht auf Putins Wunschliste, als Signal, dass Russland mächtige Verbündete auf der Welt hat. Ob Lukaschenkos Besuch in Peking dabei hilft oder aus Putins Sicht eher stört, darüber lässt sich streiten.

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