China:Bei der Frau des Propheten

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Der bisherige Name des Flusses Aiyi erinnert je nach Betonung an das chinesische Wort für Liebe - oder an die dritte Frau des Propheten Mohammed, Aisha. Behauptet zumindest Peking, weshalb es das Gewässer umbenannte.

(Foto: Li Ran/imago)

Peking geht immer systematischer gegen den Einfluss von Religionen vor - und benennt sogar Flüsse um, wenn deren Namen nach Ansicht der Parteikader zu islamisch klingen.

Von Lea Deuber

Der enzyklopädische Eintrag in Chinas größten Online-Lexikon Baidu Baike ist noch nicht aktualisiert. Als Eintrag steht dort noch: Aiyi ist ein Fluss in dem Autonomen Gebiet Ningxia im Nordwesten Chinas. Offiziell hat die Lokalregierung den 180 Kilometer langen Fluss bereits umbenannt. Er heißt nun Diannong, nach dem früheren Namen der Provinzhauptstadt Yinchuan. Grund für die Änderung: Der traditionelle Name Aiyi erinnere beim Hören angeblich an das arabische Wort Aisha, dem Namen der dritten Frau des Propheten Mohammeds. Die Umbenennung soll nun, so die chinesische Staatszeitung Global Times, die "traditionelle chinesische Kultur stärken" und dabei helfen, "die religiöse Generalisierung in der Region loszuwerden".

Das chinesische Wort Aiyi kann mit einer anderen Betonung auch Liebe bedeuten, so dass eine Verwechslung mit einem "arabisch-klingenden" Namen eher unwahrscheinlich zu sein scheint. Die Entscheidung zeigt laut Beobachtern eher, wie systematisch China gegen Religionen vorgeht. Insbesondere der Islam und dessen kulturelle Einflüsse stehen im Fokus.

China ist ein Vielvölkerstaat mit 56 Nationalitäten. Die Han-Chinesen machen 90 Prozent der Bevölkerung aus. Die Autonome Provinz Ningxia wurde einst für die muslimische Minderheit der Hui gegründet, die 36 Prozent der Einwohner in der Region ausmacht. Diese stand durch die geografische Nähe zur früheren Seidenstraße und die nomadisch geprägten Regionen in Zentralasien schon immer unter dem Einfluss vieler Kulturen. Chinesische Händler konvertierten auf ihren Reisen durch muslimische Staaten zum Islam. Als die Mongolen China im 13. Jahrhundert vereinigten, kamen Siedler aus Zentralasien in die Region, die zwar die chinesische Sprache und Lebensweise übernahmen, aber häufig ihren muslimischen Glauben nicht aufgaben.

Die staatliche Global Times zitiert in ihrem Bericht über die Umbenennung des chinesischen Flusses Xiong Kunxin, Professor für ethnische Studien an der Minzu Universität in Peking. Die Entscheidung passe mit dem Ziel Chinas zusammen, die "Sinisierung der Religionen und der Anpassung dieser an die sozialistische Gesellschaft" voranzutreiben, so der Professor. Umbenannt wurde deshalb nicht nur der Fluss. Auch Straßen, Gemeinden und Restaurants mussten ihren Namen ändern. In der Provinzhauptstadt Yinchuan wurde die Straße Zhong'azhizhou, übersetzt chinesisch-arabische Achse, in Tuanjielu unbenannt. Übersetzt heißt das "die Straße der Einheit".

Die Forderung nach einer "Sinisierung der Religionen" stammt von Parteichef Xi Jinping. Geht es nach Chinas Präsident, sollen Religionen der Partei dienen und damit deren Führerschaft festigen. 2017 erließ Peking dafür das erste Mal seit 15 Jahren neue Regeln für religiöse Gemeinschaften. Es herrscht zwar offiziell seit 1982 Religionsfreiheit in China. Beobachter sprechen aber vom massivsten Vorgehen gegen diese, seit das Recht in die chinesische Verfassung aufgenommen wurde. Der Staat sieht christliche Kirchengemeinden vielerorts als Gefahr, weil diese zivilgesellschaftliches Engagement förderten. Muslimischen Gemeinden wird wiederum vorgeworfen, Terrorismus und Unabhängigkeitsbewegungen zu provozieren.

In China leben landesweit mehr als 20 Millionen Muslime. Neben den rund 2,3 Millionen Muslimen in Ningxia lebt ein Großteil in der westchinesischen Provinz Xinjiang. Dort soll die Regierung nach Schätzung der Vereinten Nationen inzwischen bis zu eine Million Uiguren und andere turkstämmige Muslime in Internierungslagern festhalten. Die chinesische Regierung hat die Berichte über die Lager bisher zurückgewiesen. Sie spricht lieber von "Bildungs- und Ausbildungszentren" zur "Resozialisierung von Kleinkriminellen". Die harten Sicherheitsmaßnahmen in der Provinz, in der die Bewegungsfreiheit für Muslime inzwischen massiv eingeschränkt ist, begründet Peking mit dem Kampf gegen den Terrorismus. Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International hatte die chinesische Regierung im September aufgefordert, das "massive" Vorgehen gegen die muslimische Minderheit der Uiguren einzugestehen und Auskunft über das Schicksal der Inhaftierten zu geben. In den USA haben republikanische und demokratische Kongressmitglieder Sanktionen gegen chinesische Behördenvertreter gefordert. Zuletzt äußerte sich sogar Pakistan zu den Vorgängen. Das Land hatte sich in den vergangenen Jahren zurückgehalten, da es als einer der Hauptprofiteure der chinesischen Investitionspolitik in Südasien gilt. Nun appellierte der pakistanische Religionsminister Noor-ul-Haq Qadri an Peking, die Maßnahmen gegen die muslimischen Minderheiten zu lockern. Das Vorgehen der Behörden würde Extremismus nicht verhindern, sondern befördern.

In dem Autonomen Gebiet Ningxia richtet sich die Politik indes nicht nur gegen angeblich arabische Einflüsse. Erst im August hatten die lokalen Behörden angekündigt, eine neu gebaute Moschee in der Stadt Weizhou abzureißen, der nach Angaben der Behörden die richtige Baugenehmigung fehlen soll. Die Ankündigung hatte zu Protesten unter den Einwohner der Stadt geführt, die zu 90 Prozent dem muslimischen Glauben angehören. Hunderte Menschen waren für einen Protestsitzstreik in die Moschee gekommen. Die Behörden boten daraufhin an, den eigentlichen Gebetsraum unangetastet zu lassen, wenn die Kuppel und Minarette abgerissen würden. Ersetzt werden sollen diese durch Pagoden im chinesischen Stil.

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