China:Abstinent im Schnapszentrum

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Ausgerechnet in der Provinz, aus der die berühmteste Spirituose des Landes kommt, ist Beamten Alkohol nun strikt verboten.

Von Kai Strittmatter

Das Zeug entzweit: Baijiu, Chinas Nationalschnaps. "Baijiu schmeckt wie nichts anderes auf der Welt", sagt Derek Sandhaus, Autor einer Baijiu-Fibel. Stimmt, darauf können sich alle einigen. Wo jedoch die einen im Fall eines exklusiven 53-Prozenters Marke "Moutai" zum Beispiel "getrocknete Dattel mit einem Hauch Nuss und geröstetem Reis" schmecken, zogen andere Vergleiche mit Kerosin oder verwesendem Panda. Sandhaus rät zu Ausdauer: "Nach den ersten 300 Gläsern fängst du an, dich daran zu gewöhnen." Dann erwarte einen ein Universum spektakulärer Sinneseindrücke.

Nun hatte es sich in diesem Universum keiner gemütlicher eingerichtet als Chinas Beamtenschaft. Tatsächlich war das Verhältnis von Baijiu und KP immer ein symbiotisches. Es waren Mao Zedongs Revolutionäre, die den Arbeiter- und Bauernschnaps zum Getränk der neuen Volksrepublik kürten - und kein Schnaps profitierte mehr davon als der, den sie in dem Städtchen Moutai in der Provinz Guizhou destillierten. Die durchmarschierenden Soldaten der Roten Armee machten ihn zum Treibstoff ihrer Revolution. Und als Chinas Beamte und Kader sich im China der Reform und Öffnung später aufs Geschäftemachen verlegten, da wurde der aus roter Sorghumhirse und Weizen gebrannte "Moutai" zum Schmiermittel des chinesischen Kaderkapitalismus.

Jahrzehnte verliefen die Arbeitstage unzähliger Beamter in China nach simplen Regeln: Kein Tag vergehe ohne Bankett. Ein Bankett ende stets im allgemeinen Besäufnis. Und schinde Eindruck bei Vorgesetzten und Geschäftspartnern, indem du "Moutai" auffahren lässt, am besten den für umgerechnet 150 Dollar die Flasche. "Fressen und saufen auf Staatskosten" wurde sprichwörtlich; 2011, errechnete die Pekinger Zeitung Global Times, habe der chinesische Staat mehr für Schnaps und Bankette ausgegeben als für Landesverteidigung. Ohne Opfer ging das nicht: Manche Beamten soffen sich buchstäblich zu Tode. 2013 machte das Verfahren gegen den Vizegouverneur von Heilongjiang, Fu Xiaoguang, Schlagzeilen: Nach einem seiner Bankette starb ein Gast an Alkoholvergiftung. Da war schon Xi Jinping Partei- und Staatschef - der Mann, der ein Image der Askese pflegt und zudem die täglichen Gelage als Nester der Korruption ausgemacht hatte. Xi fuhr hinein mit eiserner Faust.

Seine Regierung drohte schon 2013 allen drakonische Strafen an, die vom Bankett-Unwesen nicht lassen können. Das Vorhaben der Provinz Guizhou passt also zum Geist der Zeit: Am 1. September tritt dort nun ein "komplettes Alkoholverbot" für Regierungsangestellte in Kraft. Und dennoch ist der Schritt bemerkenswert: Guizhou ist schließlich die Heimat des "Moutai", des berühmtesten Schnapses Chinas. Nicht bloß ist ein Schnapsverbot an diesem Ort noch mehr Kulturbruch als anderswo, auch das finanzielle Wohl der ansonsten armen Provinz hing bislang zu einem gewissen Grad am staatlich subventionierten Suff. Das Verbot kommt kurz vor dem großen Parteitag im Herbst, bei dem KP-Chef Xi Jinping seine Macht ausbauen möchte. Dass Xis Kampf gegen Ausschweifung nun das Schnapszentrum des Landes erreicht hat, mögen Baijiu-Liebhaber als Hinweis nehmen auf den Ernst der Lage.

© SZ vom 29.08.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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