Tötungsdelikt in Chemnitz:Polizei im Irak fahndet nach mutmaßlichem Täter

Chemnitz

Ein Holzkreuz und ein Foto des Opfers stehen zwischen Blumen und Kerzen am Tatort in Chemnitz.

(Foto: Monika Skolimowska/dpa)
  • Am Montag beginnt in Dresden der Strafprozess gegen einen der Verdächtigen im Chemnitzer Totschlagsfall.
  • Angeklagt ist der Syrer Alaa S., der seine Unschuld beteuert.
  • Ein weiterer Verdächtiger, der Iraker Farhad A., ist allerdings noch flüchtig.

Von Markus Grill, Amir Musawy, Sebastian Pittelkow, Nicolas Richter und Katja Riedel

Auf der Suche nach einem der Verdächtigen im Chemnitzer Totschlagsfall erhält die deutsche Justiz nunmehr Hilfe durch den Irak. In Bagdader Regierungskreisen hieß es, die Sicherheitsbehörden fahndeten nach Farhad A., einem irakischen Flüchtling, der unter dem Verdacht steht, Ende August 2018 am Rande des Chemnitzer Stadtfests den Deutschen Daniel H. mit einem Messer getötet zu haben. In deutschen Regierungskreisen hieß es auf Anfrage von Süddeutscher Zeitung, NDR, MDR und WDR, die Bundesrepublik habe bereits ein entsprechendes Rechtshilfeersuchen an den Irak gerichtet.

Am Montag beginnt in Dresden der Strafprozess gegen einen der Verdächtigen in dem Chemnitzer Kriminalfall. Dabei handelt es sich um den Syrer Alaa S., der wegen gemeinschaftlich begangenen Totschlags angeklagt ist. Allerdings deuten die bisherigen Ermittlungsergebnisse darauf hin, dass Farhad A. einen erheblichen Anteil an der Tat gehabt haben dürfte. Er galt als notorisch aggressiv, mehrmals soll er auch durch Messerangriffe aufgefallen sein, wegen etlicher Straftaten war er polizeibekannt. Der Strafprozess in Dresden wird ohne Farhad A. also unvollständig sein.

Der Umgang deutscher Behörden mit Farhad A. wirft zudem etliche Fragen auf. A., der aus den Kurdengebieten des Irak stammt, stellte 2016 einen Asylantrag. Als dieser Anfang 2017 abgelehnt wurde, klagte A. beim Verwaltungsgericht. Das Gericht urteilte gegen ihn, allerdings erst Ende 2018, also mehr als anderthalb Jahre später. In der Zwischenzeit soll Farhad A. in Chemnitz etliche Straftaten begangen haben, unter anderem fiel er der Polizei auf wegen Drogenhandels, gefährlicher Körperverletzung und Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte. Strafrechtlich verurteilt wurde er aber nur in einem Fall, wegen eines Betäubungsmitteldeliktes.

Möglicherweise ist es auch nach dem Tod des Deutschen Daniel H. in den Morgenstunden des 26. August zu Pannen gekommen. Kurz nach der Tat im Chemnitzer Stadtzentrum nahm die Polizei zwei Verdächtige fest: den Syrer Alaa S., der jetzt vor Gericht steht, sowie Yousif A., der inzwischen wieder freigelassen wurde. Yousif A. berichtete bei seiner richterlichen Beschuldigtenvernehmung am 27. August, dass sein Bekannter Farhad A. an der Auseinandersetzung beteiligt gewesen sei und nach eigener Aussage ein Messer dabeigehabt habe. Trotz dieser Information suchte die Polizei erst fünf Tage später, am 1. September 2018, gezielt nach Farhad A. Zwei weitere Tage später, am 3. September, beantragte die Staatsanwaltschaft Chemnitz einen Haftbefehl gegen ihn.

Dabei soll sich Farhad A. zunächst noch in der Stadt versteckt haben. Einer seiner Bekannten, der Iraker Azad S., erklärte in einem Interview mit SZ, NDR, MDR und WDR, er habe Farhad A. kurz nach der Tat für eine Nacht bei sich aufgenommen. Er habe A. angesehen, dass dieser in Schwierigkeiten steckte. Die Ermittlungen haben ergeben, dass sich Farhad A. womöglich von einem Bekannten per Auto nach Leipzig fahren ließ, danach verliert sich seine Spur. Es gilt als wahrscheinlich, dass sich Farhad A. im Ausland versteckt. Die Staatsanwaltschaft wollte sich auf Anfrage zu alledem nicht äußern.

Nach der Tat wurde in der Nähe des Tatorts ein Messer mit Blutspuren des Opfers Daniel H. gefunden. Spuren des nunmehr Angeklagten Alaa S. finden sich daran nicht. S. wird vor allem von einem Zeugen belastet, der ihn bei stichartigen Bewegungen beobachtet haben will. Allerdings hat der Zeuge erklärt, er habe kein Messer sehen können. Alaa S. beteuert seine Unschuld; er sei gar nicht unmittelbar am Tatort gewesen.

Zur SZ-Startseite
Chemnitz - Blumen am Tatort

ExklusivSachsen
:Die Tatnacht von Chemnitz

Warum wurde im August der 35 Jahre alte Daniel H. getötet? Laut Anklageschrift könnte wohl ein Zwist um Drogen eskaliert sein. Angeklagt ist ein syrischer Flüchtling. Der bestreitet die Tat.

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: