Süddeutsche Zeitung

Chef der FDP-Landtagsfraktion tritt zurück:Liberaler Slapstick im Saarland

Gemessen an den Ereignissen bei der saarländischen FDP erscheinen die Probleme der Bundespartei fast harmlos. Bei den Liberalen in Saarbrücken gibt es kaum jemanden, der nicht kürzlich von einem Amt zurückgetreten ist. Jetzt ist Fraktionschef Schmitt nach nur sechs Monaten zur CDU gewechselt.

Marc Widmann

Wer glaubt, dass es mit der FDP in Berlin schlimmer kaum kommen kann, der muss nur ins Saarland schauen. Die Saar-Liberalen bescheren dem kleinen Land seit Monaten Affären, die sich für eine Slapstick-Komödie eignen würden - obwohl die Partei dort in der Regierung sitzt. Im neuesten Akt verabschiedete sich diese Woche überraschend der Chef der Landtagsfraktion. Er ertrage die Intrigen gegen sich nicht länger, ließ Christian Schmitt durchblicken, ebenso wenig das illoyale Verhalten einiger Kollegen gegen die Jamaika-Koalition. Deshalb sitzt er künftig als Parteiloser bei der CDU.

Gerade mal ein knappes Jahr hielt es der 30-Jährige an der Spitze der Fraktion aus, als Notlösung, nachdem schon sein Vorgänger Horst Hinschberger zurücktreten musste. Der ist Händler von Karate-Kleidung und hatte 2010 zahlreiche verdiente FDP-Politiker per Strafanzeige in die Nähe von Untreue und Betrug gerückt, was sich als haltlos erwies.

Über diese Affäre stolperte Parteichef Christoph Hartmann gleich mit, der zwar Wirtschaftsminister blieb, aber auf diesem Posten als glücklos gilt. Nebenbei investiert Hartmann in eine Firma, die mehrere Restaurants der Kette "Hooters" betreibt, ihr Markenzeichen sind spärlich bekleidete Bedienungen. In der jetzt noch vierköpfigen FDP-Fraktion sitzt kaum jemand, der nicht kürzlich zurückgetreten ist. Führen soll sie künftig ein unbekannter Abgeordneter namens Christoph Kühn. Als Not-Notlösung.

Die Regierungspartner CDU und Grüne sind entsetzt über "den blanken Irrsinn" in der Saar-FDP. Viele vermuten auch jenen Abweichler bei den Liberalen, der im August die Wahl von Regierungschefin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) fast scheitern ließ; oft fällt der Name des Karate-Händlers, der jedoch alles bestreitet.

Und dann wacht da noch Hartmut Ostermann im Hintergrund, Pflege-Unternehmer und Großspender, den manche für den heimlichen Chef der Saar-FDP halten. Früher haben die Liberalen bei Bedarf schon mal fähige Politiker aus anderen Ländern geholt, um Posten zu besetzen. Die Frage ist nur, wer sich das jetzt noch antun will.

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Quelle:
SZ vom 16.12.2011/olkl
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