Süddeutsche Zeitung

Chávez' Mausoleum:Grabmal des Größenwahns

Schaumgebäck, Skateboard-Rampe, architektonischer Exzess: Kritiker schmähen das Mausoleum, das Hugo Chávez in Caracas für Nationalheld Simón Bolívar aus dem Boden stampfen ließ. In ein paar Monaten könnte der Präsident dort selbst seine letzte Ruhe finden.

Von Oliver Das Gupta

Hugo Chávez war geradezu besessen von Simón Bolívar (1783-1830). Mit dem Namen des Befreiers weiter Teile Südamerikas vom spanischen Kolonialjoch schmückte der nun verstorbene Präsident in Venezuela alles Mögliche: Sozialprogramme, das Universitätssystem und sogar den Staatsnamen.

Gerne nannte ihn der Comandante im Dreiklang mit Fidel Castro und Jesus Christus. Mal reckte Chávez bei Reden Säbel und Pistolen Bolívars in die Höhe, mal erklärte er ihn zum glühenden Antikapitalisten und Feind der Vereinigten Staaten von Amerika. Stolz präsentierte er das rekonstruierte Gesicht des Helden. El Libertador, wie sie Bolívar in Lateinamerika ehrfürchtig nennen, war das Idol des Hugo Chávez.

Bald könnte der tote Präsident seinem mehr als 180 Jahre vor ihm verstorbenem Vorbild dauerhaft nah sein. Bereits jetzt fordern die Chavistas, den verstorbenen Präsidenten am Freitag im Nationalen Pantheon zu Caracas beizusetzen, einer ehemalige Kirche, in der Bolívar derzeit mit 100 Persönlichkeiten der Geschichte Venezuelas ruht.

Doch der Libertador wird nicht mehr lange dort bleiben - und mit ihm könnte in wenigen Monaten auch Chávez eine andere, umstrittene Ruhestätte finden: Nicht weit vom Pantheon entfernt entsteht derzeit ein von Chávez in Auftrag gegebenes Bolívar-Mausoleum, das die alte Grabstätte buchstäblich in den Schatten stellt. Es gibt nicht wenige, die raunen, dass der todkranke Staatschef verfügt habe, dort bestattet zu werden - Seite an Seite mit dem großen Helden des Kontinents. Gerüchte waberten schon 2012 durchs Internet, als klar wurde, was die autoritäre Regierung da aus dem Boden stampfen ließ.

Einweihung bereits vier Mal verschoben

Das Grabmal ist zum Symbol von Chávez' Macht, aber auch für die Probleme des Landes geworden. Ein gewaltiges Bauwerk, das 17 Stockwerke hoch gen Himmel strebt. Das Viertel galt bis dahin als eines der wenigen, in dem noch alte Kolonialbauten standen und keine modernen Klötze. Das ist nun vorbei. Erdbebensicher soll das Grabmal sein, das angeblich 2600 Tonnen Stahl enthält.

Schätzungen zufolge soll der Bau des Mausoleums 140 Millionen US-Dollar verschlungen haben - und das, obwohl im Land zwei Millionen Wohnungen fehlen, wie Foreign Policy schreibt. Einen öffentlichen Ausschreibungsprozess gab es nicht. Die für Dezember 2011 geplante Einweihung musste bereits vier Mal verschoben werden, zuletzt Ende vergangenen Jahres. Man wolle warten, bis Chávez wieder genesen sei, lautete damals die offizielle Begründung. Derzeit ist die Baustelle gesperrt, vom mit Marmor verkleidetem Inneren können nur Bauarbeiter berichten.

Auch in Stilfragen gehen die Meinungen auseinander: Die weiß gehaltene Spitze soll einen Andengipfel darstellen, doch für Chávez-Gegner ist die Konstruktion ein Graus: "Skateboard-Rampe", spotten die einen, andere fühlen sich an das Schaumgebäck Baiser erinnert. Schon vor Monaten war von einem "architektonischen Exzess" die Rede, von einem "Käfig, um King Kong zu halten".

Chávez inszenierte sich immer wieder als politischen Urenkel Bolívars. Er und sein Lager bemühten sich, Parallelen aufzuzeigen: Hatte Bolívar nicht auch gegen Großgrundbesitzer und Unterdrückung gekämpft? Legte er sich nicht auch mit einem übermächtigen Feind an? Schwang er sich nicht auch zum zeitweisen Autokraten auf, natürlich nur aus idealistischen Gründen, um die Einheit des Landes zu wahren? Gab es gegen Bolívar nicht auch Putschversuche wie gegen Chávez 2002?

Denkmalpfleger verärgert

Venezuelas Präsient war sich sicher, dass Bolívar von seinen Feinden vergiftet wurde. Vor einigen Jahren ließ er deshalb sogar seinen Sarg öffnen und die skelettierte Leiche untersuchen. Ein Beweis für seine Theorie fand sich nicht. So liegen die Knochen Bolívars nun wieder in seinem mit Edelsteinen besetzten Holzsarg.

Der Bolivarischen Gesellschaft, die sich traditionell um das Andenken an El Libertador kümmert, wurde 2008 von der Regierung ein bescheidenes Mausoleum im Einklang in den historischen Bauten in der Umgebung angekündigt. Nun überragt das Monument viele Gebäude rundherum - zur Wut der Traditionspfleger, die vom "Denkmal von Chávez' Größenwahn" sprechen.

Der britische Bolívar-Biograf John Lynch schimpfte von einer "hässlichen Monstrosität" und Geldverschwendung. "Dies ist ein Denkmal für Chávez, nicht für Bolívar, sagte er dem Guardian. El Libertador benötige keine "weitere Pracht".

Chávez vielleicht schon.

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