Sondertribunal für Sierra Leone:"Unschuldige wie Vieh behandelt"

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Schlussphase im Kriegsverbrecherprozess gegen Liberias Ex-Präsidenten Charles Taylor: Der Staatsanwalt hält ihn in allen Punkten für schuldig. Der Angeklagte selbst sorgt jedoch für einen Eklat.

Im sogenannten Blutdiamanten-Prozess fordert die Staatsanwaltschaft die Verurteilung Taylors als Kriegsverbrecher. Der 62-Jährige liberianische Ex-Präsident sei als Hauptprofiteur des Bürgerkrieges im Nachbarland Sierra Leone in allen elf Punkten der Anklage schuldig, erklärte Staatsanwältin Brenda Hollis in ihrem Schlussplädoyer.

Liberias Ex-Präsident Charles Taylor wartet in Leidschendam bei Den Haag auf den Prozessbeginn. (Foto: AFP)

Taylor ist der erste ehemalige afrikanische Staatschef, der wegen Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit vor einem internationalen Gericht zur Verantwortung gezogen wird. Hollis warf Taylor erneut vor, blutrünstige Rebellen in Sierra Leone "erschaffen und kontrolliert" zu haben. Für Waffenlieferungen habe er sich von den Mörderbanden der Revolutionären Vereinigten Front (RUF) mit geraubten Rohdiamanten bezahlen lassen. "Charles Taylor trägt die größte Verantwortung für die furchtbaren Verbrechen, die dort begangen wurden", sagte die Juristin aus den USA vor dem Sondertribunal für Sierra Leone (SCSL) in Leidschendam bei Den Haag. Aus Sicherheitsgründen wird der Prozess gegen Taylor nicht in Sierra Leone geführt, sondern wurde zuerst in die Räumlichkeiten des Internationalen Strafgerichtshofs im niederländischen Den Haag verlegt, im vergangenen Jahr ins Gebäude des Sondertribunals für den Libanon im Vorort Leidschendam-Voorburg.

"Unschuldige Menschen wurden wie Vieh behandelt", sagte Hollis, während der wie immer elegant gekleidete Angeklagte scheinbar regungslos zuhörte. Mit Taylors Billigung habe die RUF Dorfbewohner terrorisiert, unzähligen Menschen Gliedmaßen abgehackt, junge Mädchen zu Sexsklavinnen gemacht und Teenager zwangsweise und mit Hilfe von Drogen als Kämpfer eingesetzt. Taylor bezeichnete in dem Verfahren, das im April 2006 eröffnet worden war, die Anklage als "Sammlung teuflischer Lügen".

Die Schlussphase des Prozesses gegen Liberias Ex-Präsidenten begann jedoch mit einem Eklat: Taylors Verteidiger Courtenay Griffiths stürmte aus dem Gerichtssaal im Den Haager Vorort Leidschendam, nachdem das Gericht ein von ihm verspätet eingereichtes Dokument nicht zugelassen hatte. Nach einer kurzen Pause blieb auch der Angeklagte selbst trotz einer gegenteiligen Anweisung der Richterin Teresa Doherty der Verhandlung fern. Auf die Frage der Richterin nach dem Verbleib Taylors, sagte eine Angestellte des Gerichts, dieser sei sehr aufgebracht gewesen und hätte etwas Ruhe gebraucht. Doherty erklärte daraufhin.

Taylor habe bewusst gegen die Anweisung verstoßen, im Gericht zu verbleiben, und ordnete die Fortsetzung der Sitzung an. Auf der Tagesordnung vom Dienstag stand das Schlussplädoyer der Anklage, am Mittwoch soll dann die Verteidigung ihr Schlussplädoyer halten. Am Vormittag hatte Taylors Anwalt Griffiths argumentiert, dass es den Prozess unfair mache, wenn ein Dokument nicht zugelassen werde. Da Doherty die Zulassung des verspätet eingereichten Dokuments jedoch ablehnte, verließ der Anwalt den Gerichtssaal, da er es als "nicht angemessen" empfinde, weiter an dem Verfahren teilzunehmen. Vor dem Gerichtssaal bezeichnete er den Prozess dann als "vollständige Farce".

In dem seit 2008 laufenden Verfahren geht es um Taylors mutmaßliche Unterstützung für die Rebellenbewegung Revolutionäre Front im Nachbarland Sierra Leone, die Kindersoldaten in den Kampf geschickt und mit deren Hilfe Taylor reiche Diamantenschätze eingefahren haben soll.

Dem Bürgerkrieg in Sierra Leone waren nach UN-Schätzungen bis Ende 2001 etwa 250.000 Menschen zum Opfer gefallen.

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