Süddeutsche Zeitung

Ceta:"Ich fürchte einen Imageschaden für Belgien und die EU"

Kommt Ceta doch noch? Mit am Verhandlungstisch sitzt Oliver Paasch, der die Deutschsprachige Gemeinschaft Belgiens vertritt. Er fürchtet ein Scheitern, sieht aber auch "große Fortschritte".

Interview von Daniel Brössler, Brüssel

In Belgien müssen alle Landesteile Ceta, dem Freihandelsabkommen der EU mit Kanada, zustimmen - auch die Deutschsprachige Gemeinschaft (DG) mit ihren 76 000 Einwohnern im Osten Belgiens. Mit am Tisch bei den Verhandlungen in Brüssel sitzt Oliver Paasch, der Ministerpräsident der DG.

SZ: Herr Paasch, kann Europa aufatmen? Wird Belgien Ceta zustimmen?

Oliver Paasch: Ich stelle fest, dass wir große Fortschritte erzielt haben in den letzten Wochen, Tagen und auch Stunden - und dass wir einer Einigung sehr, sehr nahe sind. Es bleiben noch einige Fragen zu klären in Bezug auf das Investitionsgericht und das Kapitel Landwirtschaft. Mein Eindruck ist: Wir sind nah dran.

Welche Probleme gab es zuletzt noch?

Offen war, nach welchen Regeln das (im Abkommen vorgesehene; Anmerkung der Redaktion) Investitionsgericht wird funktionieren können. Unsere Position in Belgien war immer, dass es unabhängige Richter sein müssen. Beim Thema Landwirtschaft konnten viele Bedenken aus dem Weg geräumt werden. Entscheidend ist für uns die Reziprozität. Im Abkommen gab es Schutzmechanismen für Kanada, die es nicht für die Europäische Union gab. Hier in der Deutschsprachigen Gemeinschaft, aber auch in der Wallonie, haben wir eine sehr starke Landwirtschaft, die sich bedroht fühlt durch das Abkommen. Es muss klargestellt werden, dass es keinen Grund gibt, sich da Sorgen zu machen.

Der Eindruck, nur die Wallonie habe ein Problem mit Ceta, war falsch?

Mehrere Regionalparlamente haben Vorbehalte formuliert. Das gilt auch für die Deutschsprachige Gemeinschaft. Der belgische Außenminister kann nicht unterschreiben, wenn es keinen innerbelgischen Konsens gibt. Das ist die belgische Verfassung. Ich sage für meinen Teil, dass wir nun weitgehend unsere Bedingungen erfüllt sehen durch die Zugeständnisse, die es gegeben hat. Wenn das alle so sehen, werden wir eine Unterschriftsvollmacht erteilen können.

Können Sie den Ärger darüber verstehen, dass einzelne belgische Regionen die ganze EU blockieren?

Ich befürchte natürlich einen Imageschaden für Belgien und auch für die Europäische Union, wenn es jetzt nicht zu einer Einigung kommt. Das ist völlig klar, weil die EU dann eine Handlungsunfähigkeit demonstriert hätte. Auf der anderen Seite gehört Belgien zu den Gründerstaaten der Europäischen Union. Belgien hat einige Verdienste im europäischen Integrationsprozess. Die Stimmung ist eine sehr pro-europäische in allen Regionen im Vergleich zu dem, was man aus anderen Mitgliedstaaten hört. Aber Belgien hat nun mal ein sehr kompliziertes Verfassungssystem. Die Verfassung sieht vor, dass die Gliedstaaten zustimmen müssen, sobald ihre Zuständigkeiten tangiert werden. Das gehört nun mal zur Demokratie, dass man sich in einem Rechtsstaat an seine Verfassung hält. Alles andere wäre ja undemokratisch gewesen.

Gibt es am Donnerstag einen EU-Kanada-Gipfel mit Unterschrift?

Es kommt auf den Inhalt und nicht auf das Timing an. Ich glaube, es ist wichtiger, einen guten Vertrag abzuschließen, der den hohen Standards genügt, die wir setzen wollen.

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