Süddeutsche Zeitung

Astrid Hamker:Stammgast im Zentrum der Macht

Der Wirtschaftsrat besitzt einen exklusiven Zugang zum CDU-Vorstand - die Partei fühlt sich dem Verband "im engen Austausch verbunden". Ein Unding, sagen Kritiker.

Von Robert Roßmann, Berlin

Wegen der schweren Niederlagen der CDU in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz ist weitgehend untergegangen, dass der Bundesvorstand der Partei am Montag nicht nur über Konsequenzen aus den Wahlen gesprochen, sondern auch einen "Verhaltenskodex" beschlossen hat. "Dem Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in die Politik im Allgemeinen und unsere Partei im Besonderen fühlen wir uns als Mitglieder der CDU in hohem Maße verpflichtet", heißt es in dem Kodex.

Die Masken- und die Aserbaidschanaffäre haben die Partei schwer erschüttert, sie will jetzt Vertrauen zurückgewinnen. Unter anderem sollen Abgeordnete keine Geldspenden mehr annehmen dürfen. Außerdem sollen die Parlamentarier sämtliche Nebentätigkeiten offenlegen, also auch die unentgeltlichen.

Die CDU will sich des Vorwurfs erwehren, manchen Unternehmen und Lobbyisten zu nahe zu stehen. Die Partei setzt deshalb auf mehr Transparenz, mögliche Interessenskonflikte sollen ausgeschlossen werden. Umso erstaunlicher ist es, dass an dieser Vorstandssitzung auch die Unternehmensvertreterin Astrid Hamker teilgenommen hat.

Die Präsidentin hat ein ständiges Rederecht

Hamker ist Gesellschafterin bei der Piepenbrock Unternehmensgruppe. Vor allem aber ist sie Präsidentin des Vereins "Wirtschaftsrat der CDU". Das ist trotz des Namens keine Gliederung der Partei, sondern ein unternehmerischer Berufsverband, der nach eigener Aussage die Interessen der Wirtschaft "gegenüber Politik, Verwaltung und Öffentlichkeit" vertritt. Denn die Mitglieder des Wirtschaftsrates wüssten, "dass sie die Gestaltung der Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung nicht allein der Politik überlassen dürfen", heißt es auf der Homepage des Vereins. Hamker ist kein gewähltes Mitglied des CDU-Vorstands, aber sie darf als Präsidentin des Wirtschaftsrats qua Amt als "ständiger Gast" an allen Vorstandssitzungen teilnehmen, samt Rederecht.

"Ein Lobbyverband mit Sitz im Parteivorstand ist ein Unding", sagt deshalb Christina Deckwirth, Sprecherin von Lobbycontrol. Der Wirtschaftsrat stehe "für einseitigen Lobbyismus im Machtzentrum der CDU". Mit seinen exklusiven Verbindungen in die Partei verfüge er "dort über eine besondere Machtstellung - von solchen privilegierten Zugängen können andere gesellschaftliche Gruppen nur träumen".

Dass Hamker ihren Zugang tatsächlich nutzt, zeigte sich auch in der Vorstandssitzung am Montag. Hamker sagte Teilnehmern zufolge, sie höre aus der Wirtschaft, dass viele sich Richtung FDP orientieren würden, wenn die CDU sich nicht auf ihren Markenkern Wirtschaft besinne. Deshalb müsse die CDU hier schnell zu einer klaren Programmatik kommen.

Was für eine Programmatik der Wirtschaftsrat schätzt, zeigte er am Dienstag. Man wende sich "entschieden gegen jedwede Zusatzbelastungen der Unternehmen, die weitere Arbeitsplätze bedrohen - dazu gehören zusätzliche Steuern und Abgaben genauso wie die erneute Erhöhung der Klimaziele", hieß es in einer Stellungnahme. Vizepräsident des Wirtschaftsrats ist übrigens Friedrich Merz, der nach seinen Niederlagen im Ringen um den Parteivorsitz jetzt für die CDU in den Bundestag einziehen will.

Die CDU-Spitze scheint die besondere Rolle des Wirtschaftsrats in der Partei aber nicht zu stören. Die Süddeutsche Zeitung hatte bereits im vergangenen Jahr bei der Parteiführung nachgefragt, warum sie dem Wirtschaftsrat den Namenszusatz "der CDU" nicht untersage und Hamker sogar an ihren Vorstandssitzungen teilnehmen lasse. Darauf antwortete ein CDU-Sprecher: "Der Wirtschaftsrat der CDU ist seit seiner Gründung 1963 der CDU im engen Austausch verbunden, es gibt keinen Anlass, dieses Verhältnis grundsätzlich in Frage zu stellen." Daran hat sich offensichtlich bis heute nichts geändert.

"Techtelmechtel zwischen Wirtschaftslobby und Partei"

Und wie rechtfertigt der Wirtschaftsrat seinen Sonderstatus in der CDU? Astrid Hamker sei als Gast in den Parteivorstand "eingeladen, um ihren unternehmerischen und wirtschaftspolitischen Sachverstand in den über 60-köpfigen Bundesvorstand einzubringen", sagt ein Sprecher auf Nachfrage der SZ, "das hat mit Lobby nichts zu tun."

Lobbycontrol-Sprecherin Deckwirth sieht das völlig anders. "Wir fordern die CDU auf, die Macht des Wirtschaftsrats in ihren eigenen Reihen zu beschränken, die CDU muss sauber zwischen Lobbyorganisation und Parteigremien trennen", sagt Deckwirth. Denn das bisherige "Techtelmechtel zwischen Wirtschaftslobby und Partei" schade der Demokratie.

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