Nach drei Jahren Ampelregierung bereiten sich nun also die Konservativen vor, im Frühjahr 2025 wieder die Regierungsverantwortung in Berlin zu übernehmen. Außer Olaf Scholz, der beharrlich anderer Meinung ist, sehen viele schon Friedrich Merz als neuen Kanzler. Zumindest die Umfragen geben ihnen momentan recht. Da wäre es doch interessant, mit welchem Programm CDU und CSU die Wähler überzeugen wollen. Wer nicht auf das offizielle Wahlprogramm warten will, das noch aussteht, kann sich zum Aufwärmen das Büchlein von Caroline Bosbach durchlesen. Praktischerweise kandidiert die Tochter von Wolfgang Bosbach, einst Innenpolitik-Hardliner im Bundestag und Talkshow-König der CDU, nun auch für den Bundestag.
Und was soll man sagen: Die drei Jahre Ampel waren zumindest für Caroline Bosbach deutlich zu lang. Hatte sie vor der Bundestagswahl 2021 noch ein Buch geschrieben mit dem Titel: „Schwarz auf Grün. Was die schweigende Mehrheit umtreibt. Für eine neue Politik der Mitte“ (Murmann-Verlag), das noch von einer gewissen Grundsympathie für grüne Kernthemen (aber weit entfernt von einem schwarz-grünen Flirt) getragen war, hat das in diesem Oktober (noch vor dem Bruch der Ampel) erschienene Buch den Titel: „Zeit für Mut. Warum wir Deutschland nicht links liegen lassen dürfen“. Im Grunde ist es eine Abrechnung mit den vergangenen drei Jahren „ideologisch schön gefärbtem links-grünen Bullerbü“.
Kernkraft und Fracking als Zusatzalternativen
Die Fehler von Rot-Grün-Gelb werden dabei scharf und treffend seziert, an vielen Stellen lappt die eigentlich nüchterne Analyse aber immer wieder in sarkastische und teils grenzwertige Beschreibungen. Vor allem beim Thema Identitätspolitik sind die Gräben inzwischen offenbar so tief, dass eine Verständigung kaum mehr möglich erscheint. Thematische Schwerpunkte sind bei Bosbach „gelebte Technologieoffenheit“ im Sinne einer positiven Bewertung von Kernkraft und Fracking und beim Thema Migration eine „gesteuerte und konsequente“ Einwanderungspolitik.
Bosbach kennt sich aus mit Energie, sie arbeitet in diesem Sektor, hier gibt es Zahlen, Zitate und Studien aller Art. Die Wirtschaft liegt ihr am Herzen als Vorsitzende des Jungen Wirtschaftsrats der Union. Mit vielen Zahlen und Fakten argumentiert sie für ihr Credo des Leistungsprinzips, die Soziale Marktwirtschaft und für eine Reform des Bürgergelds. Und sie kennt sich aus bei der Arbeit mit Geflüchteten, weil sie einst selbst in Berlin in einer großen Unterkunft mitgearbeitet hat. Von da ist es für sie jedenfalls kein weiter Weg zur Überzeugung, dass der politische Islam stärker bekämpft werden müsse.
Nach der Lektüre versteht man besser, warum nicht nur Markus Söder eine Koalition mit den Grünen in der nächsten Legislatur für unvorstellbar hält. Es wimmelt nur so von harten Vorhalten: „Ideologie“, „linker Katechismus“, „missionarischer Drang“ oder „Dirigismus“. Wobei man nicht immer genau weiß, wer gerade gemeint ist, Politikerinnen und Politiker der Grünen und SPD bekommen dabei gleichermaßen ihr Fett weg. Außerdem kann man über diesen Satz nachdenken: „Eine Politik, die sich gegen die Mehrheit richtet, kann nicht demokratisch sein.“
Selbstentkernung der Union – war da was?
Interessanter ist, was und wer alles in dem Buch nicht vorkommt. Allen voran war die FDP offenbar nicht in der Ampel mit dabei, sie wird zumindest nie erwähnt. Ebenso wenig ist von AfD oder BSW die Rede. Die Merkel-Zeit scheint auch weit weg zu sein, die Selbstentkernung und die Krise des Konservatismus haben offenbar nie stattgefunden und selbst die Politik der Alternativlosigkeit wird mehr oder weniger deutlich der Ampel zugerechnet.
Bosbach fordert Mut, Geradlinigkeit und Klartext für einen „Politikwechsel“. Darauf also kann sich Deutschland einstellen: auf einen zünftigen Lagerwahlkampf, wenn nicht gar auf eine Zeit für aggressiven Zoff.