CDU-Vorstoß ärgert Merkel:Deutsch ins Grundgesetz

Der Parteitagsbeschluss der CDU, der deutschen Sprache Verfassungsrang zu geben, stößt auf scharfe Kritik - nicht nur bei der Opposition. Selbst Parteichefin Merkel ist dagegen.

Die CDU will ein Bekenntnis zur deutschen Sprache ins Grundgesetz aufnehmen. Auf dem CDU-Parteitag in Stuttgart stimmte eine große Mehrheit für einen entsprechenden Antrag des Landesverbands Saar. Gefordert wird ein Zusatz im Verfassungsartikel 22 mit der Formulierung: "Die Sprache in der Bundesrepublik ist Deutsch."

CDU-Vorstoß ärgert Merkel: Will nicht alles ins Grundgesetz schreiben: Bundeskanzlerin Angela Merkel auf dem CDU-Parteitag.

Will nicht alles ins Grundgesetz schreiben: Bundeskanzlerin Angela Merkel auf dem CDU-Parteitag.

(Foto: Foto: Reuters)

Der Parteitagsbeschluss erfolgte gegen den ausdrücklichen Willen von Bundeskanzlerin Angela Merkel. "Ich war dagegen", sagte die CDU-Chefin Merkel dem TV-Sender RTL. "Ich persönlich finde es nicht gut, alles ins Grundgesetz zu schreiben."

Inzwischen hat sich auch der nordrhein-westfälische Integrationsminister Armin Laschet deutlich gegen die Pläne seiner Partei gestellt. "Wir haben 40 Jahre Bonner Republik ohne einen solchen Satz ausgehalten. Und je mehr man da hineinschreibt, je mehr wird das Grundgesetz verwässert und je weniger sind die wirklich klaren, prägnanten Sätze des Grundgesetzes zu erkennen", sagte der CDU-Minister dem Radiosender WDR2.

Das Grundgesetz habe sich bisher durch seine Prägnanz und Präzision ausgezeichnet, so dass "jedes Wort, das im Grundgesetz steht, auch eine Rechtswirkung hat." Daher gehöre in die Verfassung keine Lyrik.

Türkische Gemeinde befürchtet "Assimilierungsdruck"

Der Zentralrat der Muslime nannte das Vorhaben "lächerlich und kleinlich" und warf der CDU einen Rückfall in die Debatte über eine deutsche Leitkultur vor. "Diese Diskussion hat unendlich viel Schaden angerichtet und schien längst überwunden", sagte der Zentralrats-Vorsitzende Ayyub Axel Köhler der Neue Presse.

Köhler verwies zudem auf die dänische und die sorbische Minderheit in Deutschland. Auch diesen Bevölkerungsgruppen würde mit einer Verankerung der deutschen Sprache in der Verfassung "vor den Kopf gestoßen".

Der Bundesvorsitzende der Türkischen Gemeinde in Deutschland, Kenan Kolat, fand es "schwierig" nachzuvollziehen, "warum auf einmal die Notwendigkeit gesehen wird, die deutsche Sprache ins Grundgesetz aufzunehmen." Dass die Amtssprache in der Bundesrepublik Deutsch ist, werde von niemanden in Zweifel gezogen. Festgeschrieben sei dies unter anderem im Verwaltungsverfahrensgesetz, der Abgabenordnung sowie im Sozialgesetzbuch.

Kolat erklärte außerdem: "Worin besteht eigentlich der Handlungsbedarf? Das alles lässt nichts Gutes ahnen. Erneut bedienen einige Politiker in der CDU vorhandene Ängste und Klischees gegenüber Migrantinnen und Migranten."

Die Formulierung lasse befürchten, "dass andere Sprachen als die deutsche Sprache verboten werden könnten, was in einigen Schulen in der Bundesrepublik bereits beschlossen wurde". Die Türkische Gemeinde verstehe dieses Vorhaben als "Assimilierungsdruck". Dies sei mit demokratischen Gepflogenheiten nicht vereinbar.

Lesen Sie im zweiten Teil wie SPD, FDP und die Grünen reagierten

Deutsch ins Grundgesetz

Der SPD-Fraktionsvorsitzende Peter Struck stimmte zwar einem Verfassungsrang für Deutsch grundsätzlich zu. "Wir würden natürlich eine solche Maßnahme mittragen. Es spricht ja gar nichts dagegen festzustellen, dass unsere Sprache Deutsch ist", sagte er in Berlin. Er schränkte jedoch ein, für eine Erweiterung der Verfassung gebe es viele andere, wichtigere Bereiche und verwies auf Kinderrechte und "Sport als wichtiges Lebensgut".

Die CDU indes sieht keine Gefahr, dass Bevölkerungsgruppen ausgegrenzt werden, die eine andere Muttersprache haben. Die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, CDU-Staatsministerin Maria Böhmer, sagte der Nachrichtenagentur dpa: "Deutsch ist das Band, das uns verbindet." Sprache sei die Grundlage für den Zusammenhalt in der Gesellschaft. Das gelte auch für die Integration von Migrantinnen und Migranten. Die Grünen und die Türkische Gemeinde in Deutschland äußerten scharfe Kritik an dem Plan.

Der Bundesvorsitzende der Grünen, Cem Özdemir, kritisierte den Beschluss in der Frankfurter Rundschau als "fragwürdige Bekenntnisrhetorik". Bei den wirklich wichtigen Fragen, wie der Finanz- und Wirtschaftskrise, "eiern sie nur verdruckst herum und finden keine klare Linie". Auch schlüssige Antworten auf die Bildungsmisere in Deutschland bleibe die CDU schuldig.

Westerwelle: "Deutsch an Schuilen ist wichtiger"

Für die FDP ist die CDU-Forderung ein populistisches Ablenkungsmanöver. Nach wie vor weigere sich die CDU, ein Staatsziel Kultur in die Verfassung aufzunehmen, sagte der FDP-Kulturpolitiker Christoph Waitz in Berlin. Die FDP-Bundestagsfraktion plädiere seit Jahren dafür. Dazu gehöre dann selbstverständlich auch die deutsche Sprache. Bereits jetzt sei in mehreren Paragraphen geregelt, dass Deutsch die Amtssprache in Deutschland ist.

Kritik kam auch von FDP-Chef Guido Westerwelle: "Viel wichtiger als Deutsch im Grundgesetz ist Deutsch an den Schulen", sagte Westerwelle dem Hamburger Abendblatt.

Die CDU-Delegierten stellten sich mit ihrem Votum nach einer Intervention des saarländischen Ministerpräsidenten Peter Müller ausdrücklich gegen den Vorschlag von CDU-Generalsekretär Ronald Pofalla. Dieser hatte angeregt, den Antrag an die CDU/CSU-Bundestagsfraktion zu überweisen.

Pofalla erklärte, der Antrag sei in der Sache völlig unstrittig. Es sei aber sinnvoller, ihn an die Fraktionen zu überweisen, um sämtliche Begehren zu einer Verfassungsänderung zu bündeln. Dem widersprach Müller. Das Bekenntnis zur deutschen Sprache sei in der Verfassung "richtig aufgehoben", es sei mit anderen Begehren zu einer Verfassungsänderung auch nicht vergleichbar, sagte der CDU-Politiker. Müller bat um Zustimmung des Parteitages, "um damit ein klares Zeichen für die deutsche Sprache zu setzen".

Bundestagspräsident Norbert Lammert wies darauf hin, dass die meisten Verfassungen der EU-Staaten ein solches Bekenntnis zur Sprache enthalten. Wenn Deutschland dem folge, sei das eine "schiere Selbstverständlichkeit" und habe nichts mit einem latenten Nationalchauvinismus zu tun.

Die Frage war auch schon im Zusammenhang mit der Föderalismusreform besprochen worden. In der Debatte hatte CDU-Generalsekretär Ronald Pofalla darum gebeten, von einem entsprechenden Beschluss jetzt abzusehen und den Punkt später zusammen mit anderen möglichen Verfassungsergänzungen zu diskutieren.

Saarlands Ministerpräsident Peter Müller meinte hingegen, die Partei müsse sich klar dazu bekennen, "was den Staat ausmacht". Neben der Flagge gehöre dazu auch die deutsche Sprache. Am Ende widersetzten sich die Delegierten im Sinne Müllers der Parteiführung und stimmten erstmals auf dem Parteitag gegen sie.

"Das höchste Kulturgut"

Die Formulierung soll nach dem Beschluss in den Artikel 22 Grundgesetz aufgenommen werden. Darin ist bisher Berlin als Hauptstadt festgeschrieben. Ferner heißt es in Absatz 2: "Die Bundesflagge ist schwarz-rot-gold."

Auch der Vorsitzende der Senioren-Union, Otto Wulff, verteidigte den Beschluss: "Sprache ist doch das höchste Kulturgut. Was spricht dagegen, dieses Kulturgut in der Verfassung festzuschreiben?", sagte er. Die Franzosen etwa hätten überhaupt kein Problem, ihre Kulturgüter ähnlich hochzuhalten.

Die dem CDU-Bundesvorstand angehörende ehemalige Ausländerbeauftragte von Berlin-Tempelhof-Schöneberg, Emine Demirbüken-Wegner, meinte, dass die Bedeutung der deutschen Sprache auch von Migranten immer mehr anerkannt werde. "Wir sind weiter als viele denken."

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