Machtkampf in der CDU:Der Ton wird rauer, die Vorwürfe persönlicher

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Friedrich Merz, Annegret Kramp-Karrenbauer und Jens Spahn bei der CDU-Regionalkonferenz in Halle (Foto: Getty Images)
  • An diesem Dienstagabend stellen sich die drei Kandidaten für den CDU-Vorsitz bei der fünften von ingesamt acht Regionalkonferenzen vor - diesmal im baden-württembergischen Böblingen.
  • Die Entwicklung der CDU in diesem Bundesland sollte ihnen eine Mahnung sein. Der Streit um die Nachfolge von Erwin Teufel im Jahr 2004 schlug hier Wunden, die bis heute nicht verheilt sind.
  • Auch unter den Bewerbern für die Merkel-Nachfolge ist der Ton zuletzt deutlich rauer geworden. Für die Partei ist das nicht ungefährlich.

Von Stefan Braun, Böblingen

Ausgerechnet jetzt geht es für die CDU nach Baden-Württemberg. Ins einstige Herzland der Christdemokraten, das heute für die Partei vor allem eines ist: der Beleg dafür, wie es nicht laufen darf in einem Wettkampf um den Vorsitz. Kein Landesverband hat das Negative so sehr erleiden müssen wie der im Südwesten; keiner kann mehr darüber erzählen, wie es sich anfühlt, wenn ein Wettkampf nicht belebt, sondern Wunden aufreißt, die nicht mehr heilen wollen.

Als es im Jahr 2004 darum ging, einen Nachfolger für CDU-Chef und Ministerpräsident Erwin Teufel zu finden, stürzten sich Günther Oettinger und Annette Schavan ins Rennen - und am Ende gab es mit Oettinger zwar einen Sieger, aber keinen Gewinner.

Statt die Partei zu einen, hatte der Wettbewerb sie gespalten. Zu vergiftet war das Duell gewesen; zu groß blieben die Verletzungen vor allem im Lager der unterlegenen Annette Schavan. Einem Lager, zu dem auch Erwin Teufel, Volker Kauder oder der spätere Ministerpräsident Stefan Mappus gehörten.

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Kramp-Karrenbauer erinnert an ihre Verdienste um die Partei, Merz warnt vor übertriebenen Erwartungen und Spahn wirkt ein bisschen zu besserwisserisch. Auf der ersten CDU-Regionalkonferenz bleibt das große Scherbengericht über die Kanzlerin aus.

Von Stefan Braun

Die Folgen sind bis heute zu besichtigen. Da ist zum einen das offensichtliche, nämlich eine dramatische politische Schwäche. Ausgerechnet im einst von der CDU dominierten Südwesten haben die Christdemokraten die Vormacht an die Grünen verloren, zuletzt sind sie unter Mühen Juniorpartner geworden.

Noch gravierender aber ist die Zerstrittenheit, sind die Gräben. Dabei geht es keineswegs nur um eine liberalere oder eine konservativere Ausrichtung der Partei. Es geht um persönliche Verletzungen, um Animositäten, um festgezurrte Strukturen.

Und so müsste diese Geschichte eine einzige große Mahnung für alle sein, die sich an diesem Dienstagabend in Böblingen treffen, weil die Kandidaten im Ringen um die Merkel-Nachfolge nun ausgerechnet hier Halt machen. Auch unter ihnen hat sich der Ton zuletzt verschärft; auch zwischen ihnen und ihren Anhängern ist die Gefahr einer Zuspitzung, einer Vergiftung und Spaltung gewachsen.

Dabei hatte alles ganz harmonisch begonnen. Noch vor zwei Wochen, als Annegret Kramp-Karrenbauer, Jens Spahn und Friedrich Merz ihre Bewerbungstour in Lübeck starteten, entstand zunächst der Eindruck, dass nur der deutlich jüngere Spahn mit Provokationen, Angriffen, Überraschungen aufwarten würde.

Die bisherige CDU-Generalsekretärin Kramp-Karrenbauer, in der Partei nur noch AKK gerufen, und der ehemalige Fraktionschef Merz schienen sich allenfalls mit Samthandschuhen duellieren zu wollen. Mehr noch: Ihre Äußerungen zur mangelnden Debattenkultur in der CDU und zur Stärkung des Rechtsstaats im Kampf gegen mehrfach straffällige Asylbewerber klangen so nah beieinander, dass der Verdacht aufkam, hier gebe es am Ende viel Eintracht und fast gar keine Unterschiede.

Die Unterschiede der Kandidaten sind größer geworden

Selbst beim Blick auf das heikelste Thema, die Bewertung der Flüchtlingskrise, schien sich das nicht zu ändern. Kramp-Karrenbauer lobte die grundsätzliche Entscheidung und räumte ein, dass es danach manchen gravierenden Fehler gegeben habe. Und Merz bezeichnete die erste Entscheidung als "großartige humanitäre Geste", die Deutschland in der Welt zu Recht viel Ansehen eingebracht habe. Erst anschließend seien Fehler gemacht worden; zuvorderst sei nicht klar gemacht worden, dass es sich um eine Ausnahme handeln würde.

Auch hier also gab es keinen tiefen Spalt, sondern Unterschiede allenfalls in Nuancen. Kritik gab es nicht an der Schärfe, sondern wenn überhaupt an den vermeintlich fehlenden Differenzen.

Das ist vorbei, vor allem beim Blick auf die zwei bisher aussichtsreichsten Kandidaten. Die Unterschiede sind größer und die Töne rauer geworden. Das begann mit einem Auftritt von Merz bei Anne Will, in dessen Verlauf er plötzlich von der "Grenzöffnung" und vom "Rechtsbruch" sprach, um Minuten später zu erklären, dass er nicht mehr die Schlachten der Vergangenheit schlagen wolle.

Ob aus Unwissenheit oder mit Absicht hatte Merz so zwei der umstrittensten Schlachtrufe der Merkel-Gegner in die Debatte eingebracht - und bei allen AKK-Anhängern den Eindruck bestätigt, er stehe in der Flüchtlingspolitik eben doch auf der ganz anderen Seite.

Dass Merz die Vokabeln auf den nächsten Regionalkonferenzen nicht mehr verwendete, änderte an diesem Bild nichts. Im Gegenteil: Als er mit Blick auf eine europäische Vereinheitlichung des Asylrechts das deutsche mit einem Gesetzesvorbehalt (zur etwaigen Einschränkung) versehen wollte, hagelte es Kritik von allen Seiten. Und weil Merz ist wie er ist, widersprach er zwar der Botschaft, er wolle das Asylrecht abschaffen, hielt intellektuell aber an seiner Aussage fest. Die zweite Provokation auf dem gleichen Feld - das hat das Bild vom harschen Merz verfestigt.

Der Wettstreit hat sich auf einem für die CDU gefährlichen Terrain festgesetzt

Und dann kam auch noch seine Erklärung, die Partei habe den Aufstieg der AfD "achselzuckend" hingenommen. Mindestens die erweiterte Führung musste diese Formulierung gegenüber dem Deutschlandfunk als Provokation erleben, zumal Merz sein Urteil kollektiv aussprach. Jeder Christdemokrat konnte sich also angesprochen fühlen.

Und so kam, was fast zu erwarten gewesen war: Kramp-Karrenbauer holte zur Revanche aus. In einem Interview bezeichnete sie die Kritik von Merz als "Schlag ins Gesicht für jeden", der sich für die Partei in den vergangenen Monaten und Jahren gegen Falschbehauptungen, Anfeindungen und offene Hetze zur Wehr gesetzt habe. Im Übrigen, so Kramp-Karrenbauer weiter, sei es aus ihrer Sicht schlicht "naiv" zu glauben, man könne mal eben auf die Bühne treten, ein paare Worte gegen die AfD sagen und die Partei auf diese Weise wieder zurückdrängen.

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Der Vizechef der CDU kritisiert die anhaltende Debatte über Zuwanderung bei den Christdemokraten. Seine Partei solle auf andere Themen setzen, um Wähler zurückzugewinnen.

Damit ist der Wettstreit in eine neue Phase getreten. Und er hat sich fürs erste auf einem Terrain festgesetzt, das für die CDU besonders gefährlich werden könnte. Denn erste Umfragen zeigen, dass zu Beginn des Wettstreits CDU und CSU gewinnen konnten, während die AfD zurückfiel - und schon jetzt, zwei Wochen und einen heftigen Asylstreit später, deuten die Umfragen darauf hin, dass dieser Trend schon wieder vorbei ist.

So unangenehm das aus Sicht der CDU sein dürfte, so merkwürdig ist bislang, dass andere Aussagen von diesem Konflikt vollkommen überlagert werden. So hat Kramp-Karrenbauer bei ihren Äußerungen im Kampf gegen straffällige und vor allem gewaltbereite Asylbewerber scharfe Töne angeschlagen, die einem Horst Seehofer viel Kritik eingebracht hätten. Unter anderem erklärte sie, dass syrische Straftäter sofort nach Syrien abgeschoben werden sollten. Außerdem sollte gegen sie eine lebenslange Einreisesperre nicht nur nach Deutschland, sondern nach ganz Europa verhängt werden.

Gleichzeitig mühte sich Merz vergeblich, sich einen neuen, einen moderneren Anstrich zu geben. Er erklärte zwar, dass sich bei der Homo-Ehe seine Position gewandelt habe und er selbst beim Adoptionsrecht erkenne, dass schwule Paare Kinder sehr wohl sehr fürsorglich großziehen würden. Selbst bei der Frauenquote zeigte er sich offen - und verband das mit der Forderung, die öffentliche Verwaltung müsse dabei mit gutem Beispiel vorangehen.

Hängen geblieben ist davon so gut wie gar nichts. Merz freilich sollte sich darüber nicht wundern. Seine anderen Aussagen überlagerten immer wieder tagelang alles.

Und Jens Spahn? Der Dritte im Bunde? Er provozierte von Anfang an und war der erste, der den Unmut über den UN-Migrationspakt aufgriff. Doch seit sich am Wochenende die beiden anderen beharkten, ist er in Sachen Flüchtlingspolitik weitgehend still geblieben - und hat stattdessen in einem Interview sehr ausführlich über die Nöte, Zwänge und bevorstehenden Aufgaben beim Thema Digitalisierung gesprochen.

Spahn, so könnte man sagen, ist unter den drei Kandidaten derjenige, der immer wieder versucht, einen neuen Trend zu setzen. Ganz gleich, wo das endet.

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