CDU-Vorsitz:Ein Orakel mit 1001 Delegierten

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Diese Woche entscheidet sich, wer Chefin oder Chef der CDU sein wird. Für den Parteitag in Hamburg gibt es keine Wahlempfehlung, die Entsandten sind frei in ihrer Entscheidung. Und so ist das Stimmungsbild unklar.

Von Stefan Braun, Berlin

In den Hamburger Messehallen entscheidet sich in dieser Woche, wer künftig Chef der CDU sein wird. Bislang stehen drei Kandidaten zur Wahl: Annegret Kramp-Karrenbauer, Friedrich Merz und Jens Spahn. Schon seit Wochen touren sie durch die Republik, um bei den Parteimitgliedern für sich zu werben. Entscheiden müssen aber letztlich die 1001 Delegierten, die nun in Hamburg zum Bundesparteitag zusammenkommen. Fragen und Antworten zu einer wichtigen Abstimmung.

Die drei Kandidaten für den CDU-Vorsitz haben sich bei acht Regionalkonferenzen präsentiert. Was haben diese Großveranstaltungen gebracht?

Die Regionalkonferenzen hatten zwei Ziele: ein erstes Stimmungsbild zu ermitteln, und sie sollten den Kandidaten wie den Mitgliedern die Möglichkeit bieten, sich vorzustellen - mit den Positionen auf der einen und den Erwartungen auf der anderen Seite. Letzteres haben sie weitgehend erfüllt, Ersteres hat nicht zu einem eindeutigen Ergebnis geführt. Die Applaus-Bekundungen haben keine eindeutigen Mehrheitsverhältnisse abgebildet. Entscheiden müssen nun die Delegierten auf dem Bundesparteitag der CDU, der vom 6. bis 8. Dezember in Hamburg stattfindet.

In Umfragen ist eine knappe Mehrheit der Parteimitglieder für Kramp-Karrenbauer. Ist sie die Favoritin?

Die Noch-Generalsekretärin hat den Umfragen zufolge zwar im Großen und Ganzen die Nase vorn. Ein klares Votum der Basis aber ist nicht herauszulesen. Deutlich wurde bei den Regionalkonferenzen, dass Jens Spahn als jüngster Kandidat dieses Mal voraussichtlich keine Chance haben wird. In manchen Landesverbänden wie Baden-Württemberg oder Hessen gab und gibt es eine leichte Präferenz für Friedrich Merz. Die Stimmung auf den Regionalkonferenzen ist aber das eine, der Parteitag mit den Delegierten etwas ganz anderes.

Schon mal die Siegerpose üben: Friedrich Merz (rechts) mit Annegret Kramp-Karrenbauer und Jens Spahn auf dem Podium in Leipzig. (Foto: Jens Schlueter/ Getty Images)

Woher kommen die Delegierten ?

Der Bundesparteitag besteht aus 1001 Delegierten. 1000 davon entsenden die 17 Landesverbände der Partei. Wie viele Delegierte ein Landesverband schicken kann, hängt von der Mitgliederzahl und vom Wahlergebnis bei den jüngsten Bundestagswahlen ab. Als Delegierte dürfen außerdem noch die Ehrenvorsitzenden der Partei und jeweils ein Abgesandter anerkannter Auslandsverbände teilnehmen. Da es derzeit keinen Ehrenvorsitzenden und nur einen Auslandsverband in Brüssel gibt, werden in Hamburg also 1001 Delegierte über die neue Parteiführung entscheiden.

Wie viele Stimmen braucht eine Kandidatin oder ein Kandidat, um gewählt zu werden?

Das Parteistatut bestimmt: "Bei allen Wahlen ist die Mehrheit der abgegebenen gültigen Stimmen erforderlich." Die neue Chefin oder der neue Chef braucht also mehr als die Hälfte der Delegiertenstimmen. Wird diese Mehrheit nicht erreicht, kommt es zu einer Stichwahl zwischen den beiden Bewerbern mit den meisten Stimmen.

Dürfen die Delegierten abstimmen, wie sie wollen, oder müssen sie die Meinung der Parteimitglieder berücksichtigen?

Es gibt kein imperatives Mandat. Alle Delegierten sind frei in ihrer Entscheidung. Sie werden auf Kreis- und Landesparteitagen gewählt. Oft sind es Personen, die Ämter in der Partei ausüben, oder Abgeordnete aus Kreistagen, Landtagen oder dem Bundestag, es können aber auch einfache Mitglieder sein. Eine Besonderheit bei diesem Parteitag: Die meisten Delegierten sind schon vor Merkels überraschendem Rückzug gewählt worden. In manchen Kreisverbänden etwa in Baden-Württemberg gab es daraufhin spontan neue Delegiertenwahlen und vereinzelt auch Probeabstimmungen. In diesen, so ist aus dem Südwesten zu hören, lag Merz so gut wie immer vorne.

Können die Landesverbände Druck ausüben auf ihre Delegierten?

Früher war es durchaus üblich, dass ein Landesvorstand seinen Entsandten vor dem Parteitag Empfehlungen auf den Weg gab. Diesmal aber ist es spannend: Die Vorsitzenden der großen Landesverbände wollen auf eine Wahlempfehlung verzichten. Offenkundig ist ihre Sorge groß, dass das in der Mitgliederschaft Ärger auslösen könnte. Hinzu kommt, dass selbst die Landeschefs bis jetzt kaum eine Prognose wagen und es sich wahrscheinlich mit keinem der aussichtsreichsten Kandidaten verscherzen möchten. Nur Tobias Hans aus dem Saarland unterstützt bislang offen die ebenfalls aus dem Saarland stammende Annegret Kramp-Karrenbauer.

Derzeit ist immer nur von drei Kandidaten die Rede - gab es nicht noch andere Bewerber?

Im Vorfeld des Parteitags hatten sich gleich mehrere Außenseiter zu Wort gemeldet, unter anderen der Jurastudent Jan-Philipp Knoop, der Staatsrechtler Matthias Herdegen und der Unternehmer Andreas Ritzenhoff. Keiner der Bewerber verfügt bislang aber über die nötige Nominierung durch ein Parteigremium, etwa durch einen Kreisverband. Herdegen hat seine Bewerbung inzwischen zurückgezogen.

Hat der intensive Kampf um den Vorsitz der CDU nun genutzt oder geschadet?

Die Wahl war diesmal spannender, und das hat vielen Menschen gefallen, nicht nur innerhalb der Partei - auch die Umfragewerte sind leicht gestiegen. Aber der Wettkampf war auch eine Belastung. Immer häufiger war in der Partei in den vergangenen Tagen die Sorge zu hören, dass nach dem Wahltag am 7. Dezember schwere Zeiten ins Haus stehen könnten. Diese Furcht macht sich nicht so sehr an den drei Kandidaten fest. Bislang gehen die meisten davon aus, dass die Verlierer sich benehmen können. Größer ist die Befürchtung, dass deren Anhänger im Schmollwinkel versinken. Dann wäre der neue Frühling der Partei ein sehr kurzer Frühling geblieben.

© SZ vom 03.12.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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