CDU unter Propaganda-Verdacht:Althaus und die verräterische "Botenmitteilung"

Illegale Wahlkampfhilfe für die CDU? Kurz vor der Landtagswahl bringt die umstrittene Zeitschrift Tolles Thüringen Ministerpräsident Althaus in Bedrängnis.

Michael König, Berlin

Katharina Althaus trägt auf dem Titelfoto der Zeitschrift Tolles Thüringen eine fliederfarbene Sommerbluse, sie ist umgeben von blühenden Blumen. Es ist ein schönes Bild. Die Geschichte, die sich um die Zeitschrift entwickelt, wird hingegen immer hässlicher.

Tolles Thüringen, Foto: Screenshot

Seichtes Heimatblatt oder illegale Wahlkampfhilfe für die CDU? Der Magazin

Tolles Thüringen

sorgt vor der Landtagswahl für Misstöne.

(Foto: Foto: Screenshot sueddeutsche.de)

Kurz vor der Landtagswahl wollen die Grünen einen neuen Hinweis darauf gefunden haben, dass sich hinter dem vermeintlich überparteilichen Medium illegale Wahlwerbung der CDU verbirgt. Sie fordern Aufklärung von Ministerpräsident Dieter Althaus (CDU), dem angesichts schlechter Umfragewerte bei der Wahl am Sonntag der Verlust seiner Mehrheit droht.

Mitte August wurde Tolles Thüringen kostenlos an eine Million Haushalte in ganz Thüringen verteilt. Die Titelgeschichte des 44 Seiten starken Heftes ist ein "Exklusiv-Interview zu Gerüchten, Hoffnungen, Wünschen und zum Leben als First Lady" mit Katharina Althaus. Auf sechs Seiten wird die Gattin des Ministerpräsidenten Dieter Althaus (CDU) zu brisanten Themen wie der Zahl von Schuhen in ihrem Kleiderschrank befragt.

Wenig Platz für die Opposition

Dieter Althaus ist auf zehn Fotos zu sehen: Tolles Thüringen zeigt ihn bei seiner Verlobung, bei seiner Hochzeit, beim Wandern in Peru, bei einer Privataudienz beim Papst, im Garten seines Hauses und gemeinsam mit dem früheren Ministerpräsidenten Bernhard Vogel (CDU).

Vogel wird im hinteren Teil des Heftes in einem zweiseitigen Interview dazu befragt, ob Dieter Althaus seine Erwartungen erfüllt habe ("Ja. Ich würde ihn wieder vorschlagen.") und wodurch sich Althaus ausgezeichnet habe ("Indem er mit voller Kraft und mit beiden Händen die Führungsaufgabe aufgegriffen und wahrgenommen hat.")

Der Spitzenkandidat der Linken, Bodo Ramelow, muss mit einem halbseitigen Interview Vorlieb nehmen. Die Überschrift: "Bis auf die Möbel wird alles anders". Den übrigen Parteien wurde noch weniger Platz eingeräumt. Die thüringische Opposition wirft den Machern des Blattes Parteilichkeit vor - und der CDU verdeckte Wahlkampfhilfe und illegale Parteienfinanzierung. Schließlich haben etliche Unternehmen, darunter Lotto-Thüringen, in der Publikation Anzeigen geschaltet. Die Bundestagsverwaltung ermittelt, hat aber bislang "keine Anhaltspunkte", wie eine Sprecherin sagt.

"Ungeheuerlicher Verdacht"

Die CDU weist den Vorwurf zurück. Auch die Proximusverlag GmbH, die Tolles Thüringen herausgibt, betont, das Medium sei überparteilich. "Es wirbt weder für die CDU noch für Herrn Althaus, sondern für Thüringen", sagt der presserechtlich verantwortliche Chefredakteur Jochen Dersch. Er sei kein CDU-Mitglied, und von seinen Geldgebern - laut Dersch einige Thüringer Unternehmer und Privatpersonen, die aber anonym bleiben wollten - wisse er es nicht.

Den Grünen ist nun eine "Botenmitteilung" zugespielt worden, darin ein Hinweis an alle Verteiler der Zeitung. Darin heißt es: "Sehr geehrte Zusteller/innen, wir möchten Sie hiermit darüber informieren, dass sie am Mittwoch, den 19.08.09, neben den üblichen Werbungen Wahlwerbungen der Thüringer CDU erhalten. Dabei handelt es sich um eine CDU-Zeitung sowie einen CDU-Flyer."

Tolles Thüringen - eine "CDU-Zeitung"? In den Augen der Grünen der Beweis für verdeckte Wahlkampfhilfe. Kurz nach der Veröffentlichung forderte der Landesgeschäftsführer der SPD, Jochen Staschewski, Dieter Althaus müsse "den ungeheuerlichen Verdacht aufklären." Und in der Berliner Parteizentrale wies SPD-Wahlkampfmanager Kajo Wasserhövel auf den "Beweis" hin.

Auf der nächsten Seite: Wie die Thüringer CDU auf die Beschuldigungen reagiert - und warum Grünen-Politikerin Rothe-Beinlich von "Stasi-Methoden" spricht.

Druck auf Zusteller ausgeübt

Eindeutig bewiesen ist jedoch noch nichts. Zwar zweifelt niemand die Echtheit der Mitteilung an - fraglich ist hingegen, wer der Urheber der Formulierung "CDU-Zeitung" ist.

Die Botenmitteilung stammt von einem Zusteller aus Nordhausen. Er hat sie der Vorsitzenden der Grünen in Thüringen, Astrid Rothe-Beinlich, gegeben. Auf Anfrage von sueddeutsche.de, sagte der Zusteller, der anonym bleiben möchte, mit der "CDU-Zeitung" sei zweifellos Tolles Thüringen gemeint gewesen - er habe an besagtem Mittwoch in der Stadt Nordhausen nur diese Zeitschrift und einen CDU-Flyer ausgetragen.

Der Geschäftsführer des Proximusverlags, Jochen Dersch, verweist auf das Unternehmen MFT WerbeServices GmbH in Suhl, das mit der Auslieferung betraut war. Dersch zitiert einen Geschäftsführer der Firma: "Irgendein Disponent oder wer auch immer" müsse angesichts des Titelfotos mit Frau Althaus auf den Begriff "CDU-Zeitung" gekommen sein.

Rothe-Beinlich: "Stasi-Methoden"

In Nordhausen hat die Firma Thüringer Direktmarketing (TDM), ein Tochterunternehmen der Zeitungsgruppe Thüringen, die Auslieferung im Auftrag von MFT übernommen. Deren Geschäftsführer Klaus Schrotthofer sagt jedoch, die "Beipackzettel" würden generell "nach Maßgabe der Informationen erstellt, die uns vom Auftraggeber vorliegen."

Schrotthofer gibt den schwarze Peter also zurück an die Firma MFT - die für sueddeutsche.de gestern nicht zu erreichen war.

Auch die Thüringer CDU ist nicht gesprächsbereit. Pressesprecher Heiko Senebald sagt, es gebe in der Angelegenheit "nichts Neues". Schon einmal hätten die Grünen einen vermeintlichen Beweis präsentiert - einen "Handverteilungszettel" für Zusteller. Darauf ist unter "Produkt" der Eintrag "CDU Reg.ausgabe 02 LK NDH (lachs)" vermerkt.

Der in Berlin ansässige Proximusverlag beauftragte daraufhin eine Rechtsanwaltskanzlei, von der Grünen-Vorsitzenden eine Unterlassungserklärung zu bekommen. Angesichts des neuen "Beweises" prüfe der Verlag weitere rechtliche Schritte, sagte Dersch zu sueddeutsche.de.

Astrid Rothe-Beinlich will nicht klein bei geben. Sie spricht von "Stasi-Methoden" und beschuldigt die Firma TDM, Druck auf die Zusteller auszuüben, um den vermeintlichen Skandal zu vertuschen: "Sie wurden aufgefordert, sämtliche Auftragszettel im Original wieder abzugeben. Sie fürchten den Verlust ihres Jobs und Regresszahlungen. Angst macht die Runde." Ein TDM-Sprecher nennt das "absoluten Blödsinn": "Die Zusteller werden weder überwacht, noch bespitzelt, noch mit Regresszahlungen bedroht."

Die Unterlassungserklärung will Rothe-Beinlich nicht unterschreiben. Stattdessen arbeitet sie an einer "umfangreichen Antwort". Die Geschichte um das "Tollhaus Thüringen", wie Rothe-Beinlich ihr Bundesland nennt, könnte noch etwas weiter gehen - sofern die jetzige Opposition daran nach der Landtagswahl noch Interesse hat.

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