CDU und Stadtwerke Wolfsburg:"Hallo, liebe Kandidaten"

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Ein Info-Blatt befeuert die Affäre über Wahlkampfhilfe für die Wolfsburger CDU. Der Pressesprecher der Stadtwerke Wolfsburg bot der Partei seine Dienste an - während seiner Kernarbeitszeit. Er soll auch Christian Wulff im Landtagswahlkampf geholfen haben.

Jens Schneider

Pünktlich zur Sitzung kam wieder ein brisantes Papier zu Tage. Am Mittwochmorgen wurde in Wolfsburg ein "Info-Blatt" bekannt, das die Affäre um die Stadtwerke und die CDU in Niedersachsen weiter befeuern sollte. Sein Inhalt könnte als Beleg für den Vorwurf erscheinen, dass die Christdemokraten zumindest in Wolfsburg die Logistik und vor allem den damaligen Pressesprecher der Stadtwerke, Maik Nahrstedt, intensiv für ihre politischen Kampagnen genutzt haben. "Hallo liebe CDU-Kandidaten", so wendete sich das Papier aus dem Mai 2001 an die Bewerber im Kommunalwahlkampf und offerierte eine professionelle Pressearbeit über das Diensthandy von Nahrstedt - während seiner Kernarbeitszeit.

Der frühere Pressesprecher Maik Nahrstedt brachte den Vorwurf auf, die Wolfsburger Stadtwerke hätten CDU-Wahlkämpfe unterstützt. (Foto: dpa)

Entsprechend aufgeladen begann am Mittwochmorgen die Stimmung vor der außerordentlichen Sitzung des Aufsichtsrats der Stadtwerke Wolfsburg. Der Aufsichtsrat sollte vor allem über die Zukunft des beurlaubten Chefs der Stadtwerke, Markus Karp, entscheiden. Einflussreiche Mitglieder des Gremiums hatten seine Entlassung gefordert. Der Betriebswirt, Marketing-Experte und einstige Wahlkampfleiter des heutigen Bundespräsidenten Christian Wulff soll demnach der Drahtzieher einer langjährigen, illegalen Kooperation zwischen der Pressestelle der Stadtwerke und der CDU gewesen sein. Er habe dafür gesorgt, dass der Pressesprecher Nahrstedt während der Arbeitszeit bei den Stadtwerken für die CDU im Oberbürgermeister-Wahlkampf 2001 und auch im Landtagswahlkampf von Christian Wulff 2002/2003 arbeitete. So hat es Nahrstedt, der früher ein Freund von Karp war, selbst behauptet. Karp bestreitet die Vorwürfe.

Ziemlich erbittert standen sich bei der Aufsichtsratssitzung zwei Lager gegenüber. In dieser Pattsituation beschloss das Gremium, dass Karp zunächst weiter beurlaubt bleibt. Zum Interims-Chef von außen wurde der 65-jährige Wolfgang Wilken ernannt, zunächst für sechs Monate. Bis dahin könnten, so die Hoffnung, Staatsanwaltschaft und Wirtschaftsprüfer Licht in die dubiose Affäre bringen, in der neben Karp und dem Kronzeugen Nahrstedt auch gegen den Wolfsburger Oberbürgermeister Rolf Schnellecke ermittelt wird. Gegen ihn läuft auch ein Disziplinarverfahren; Schnellecke sieht sich als Opfer "schmutziger Angriffe".

Unruhe im Unternehmen

Die Aufklärung wird sich schon deshalb kompliziert gestalten, weil sich mindestens zwei Konflikte überlagern. Der Vorstandschef Karp hat innerhalb der Stadtwerke mit seiner Strategie für das Unternehmen viel Unruhe ausgelöst und sich offenbar Feinde gemacht: Schon im letzten Jahr wurde die Firma durch eine Serie von anonymen Briefen aufgewühlt, in denen Karp mit sehr privaten Einzelheiten aus seinem Leben und Unternehmens-Interna angeschwärzt wurde. In dieser Zeit zerbrach die Freundschaft zwischen Karp und Nahrstedt, über den es heißt, dass er zu den wenigen zählte, die entsprechende Details aus Karps Privatleben kannten.

Gegen Nahrstedt wird nicht nur deshalb ermittelt, sondern inzwischen auch wegen angeblicher Unregelmäßigkeiten etwa im Umgang mit VIP-Karten für den VFL Wolfsburg. Auch intern prüften die Stadtwerke Betrugsvorwürfe. Ihm wurde fristlos gekündigt. Danach formulierte er seine Vorwürfe gegen Karp.

Während Karp nicht in der Öffentlichkeit spricht, zeigt sich Nahrstedt offensiv. Am Mittwoch beteiligte er sich an einer Demonstration von Stadtwerke-Mitarbeitern. Seine Motive und seine tatsächliche Rolle bleiben unklar. So sind E-Mails aufgetaucht, die seinen Darstellungen widersprechen. In diesen Schreiben - etwa aus dem Jahr 2006- an "liebe CDU-Freunde", legte Nahrstedt viel Wert darauf zu betonen, dass er nur vor Arbeitsbeginn und dann wieder nach Feierabend zu erreichen sei. Das klingt ganz anders als die am Mittwochmorgen bekannt gewordene CDU-Info von 2001.

"Ich kann mich an so ein Schreiben nicht erinnern", sagt die CDU-Kreisvorsitzende Angelika Jahns und wundert sich, warum noch immer Papiere auftauchen, wo doch längst alles bei der Staatsanwaltschaft liegen müsste. Die hatte letzte Woche 16 Häuser durchsucht. Jahns hegt Zweifel an der Echtheit des Papiers. Aber sie sagt auch: "Ich hätte natürlich eingegriffen, wenn ich damals von solchen Vorgängen gewusst hätte."

© SZ vom 30.09.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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