CDU und SPD nach der Saarland-Wahl:Strahlende Siegerin mit gedemütigtem Juniorpartner

Die CDU hat gewonnen. Annegret Kramp-Karrenbauer hat alles richtig gemacht und einen deutlichen Sieg eingefahren. Sie wird aller Voraussicht nach erneut Ministerpräsidentin. SPD-Mann Heiko Maas bleibt nur die Rolle des Juniorpartners und die Erkenntnis, dass die Saarländer ihn selbst dann nicht zum Regierungschef wählen, wenn die äußeren Bedingungen beinahe optimal sind.

Detlef Esslinger und Marc Widmann, Saarbrücken

Jetzt ist sie die Heldin. Jetzt hat sie alles richtig gemacht. Jetzt spricht einer ihrer engsten Mitarbeiter vom "besten Plakat aller Zeiten", nämlich dem, das zu Beginn der Kampagne intern besonders umstritten war: eine Frontalaufnahme, auf der sie ziemlich hart erschien. Jetzt kann sie es ja aussprechen, was sie all die Wochen empfand: "Hoffnung", sagt Annegret Kramp-Karrenbauer. Nicht Zuversicht.

Der Wahlkampf hatte ganz generell nicht gut begonnen für sie. Als sie am Dreikönigstag die Koalition mit der FDP und den Grünen aufkündigte, wurde ja auch das Scheitern dieses Experiments offenbar - und mit dem Makel des Gescheiterten hat man es normalerweise schwer in einem Wahlkampf.

Die CDU lag in den Umfragen lange hinter der SPD, nicht deutlich, aber es war ein Rückstand, und das, nachdem sie bei der Wahl 2009 noch um zehn Prozentpunkte vorne gelegen war. Würde Annegret Kramp-Karrenbauer, die von sich selbst sagt, ein auf Sicherheit bedachter Mensch zu sein - würde diese Frau als jene Politikerin in die Geschichte der saarländischen CDU eingehen, die nach einem halben Jahr ihr Amt verzockt hat?

Sie ist ein ganz anderer Typ als ihr Vorgänger. Peter Müller war ein Ministerpräsident, der für Wahlkämpfe wie geboren war. Mit dröhnendem Lachen zog er durch die Fußgängerzonen und über Volksfeste, keine Schulter war vor seiner Pranke sicher.

Bei der CDU: Halle voll - bei der SPD: noch freie Plätze

Kramp-Karrenbauer dagegen? Bei einem ihrer letzten Wahlkampfeinsätze am Samstag durchmaß sie die Saarbrücker Fußgängerzone in knapp 30 Minuten, Müller hätte sich dafür zwei Stunden genommen, mindestens. Mal ging sie auf Leute zu, meistens aber waren es die Leute, die auf sie zukamen - wenn sie sie denn erkannten. Es gab auch die Szene, in der eine Mountain-Bikerin ihr Rad an der Ministerpräsidentin vorbei schob, sich mit einem bestimmten "Vorsicht!" Platz verschaffte, die Ministerpräsidentin sagte "Tschuldigung", die Radlerin nur: "Kein Problem." Annegret Kramp-Karrenbauer geht also, umgeben von einem Tross, durch die Landeshauptstadt - und fällt nicht auf. Wollte man es Parteikollegen verübeln, dass denen da doch ein wenig mulmig war?

Nun sagen sie alle, dass sie gespürt hätten, wie sich die Stimmung in den letzten zehn, vierzehn Tagen gedreht habe. Roland Theis, der Generalsekretär der Saar-CDU, sagt, ihm sei es spätestens nach den Abschlusskundgebungen klar geworden. Bei der CDU - die Halle brechend voll. Bei der SPD - noch freie Plätze. Mit anderen Worten, diese Wahl wurde entschieden wie jede andere auch: darüber, wem es am besten gelingt, zu mobilisieren.

Peter Jacoby ist seit 13 Jahren Finanzminister in dem Bundesland, es gibt vermutlich Jobs, die heiterer sind, aber Jacoby hat ein Gemüt, das nicht zur Verdrießlichkeit neigt. Nun steht er fein lächelnd auf der Wahlparty der CDU und hat eine ziemlich plausible These, warum die CDU besser mobilisieren konnte als die SPD: "Weil wir es waren, die die große Koalition ins Gespräch gebracht haben. Dadurch wurde sie zu einem Projekt, das die Leute mehr mit uns als mit den anderen verbunden haben."

Der bittere Gang von Heiko Maas

Der bittere Gang von Heiko Maas führt am Sonntagabend zuerst durch ein Heer von Fernsehjournalisten. Zwei Wahlen hat er schon verloren, aber diese dritte Niederlage ist die bitterste. Sie schmerzt nicht nur, weil sie so deutlich ist, sondern auch, weil sie überhaupt nicht zu dem Gefühl passt, das er im Wahlkampf von sich und seinen Chancen gewonnen hat: dass es diesmal besser läuft, endlich einmal, dass er diesmal kein Pech mehr hat. 2004, da tobte der Streit um Gerhard Schröders Reformpolitik, im Wahlkampf konnte sich Maas bei den Arbeitern an der Saar kaum mehr blicken lassen. Fünf Jahre später, da setzten ihm Oskar Lafontaine und seine Linkspartei zu, sein alter Ziehvater drängte ihn an den Rand, da blieben nur noch 24,5 Prozent.

Schon damals dachte Maas ans Aufhören, bleich saß er am Tag danach im Landtag und erzählte mit dürrer Stimme, dass er nur noch weitermache, weil ihn so viele aus seiner Partei darum gebeten hatten. Aber nun weiß er es. Nun weiß er, dass die Saarländer ihn selbst dann nicht zum Regierungschef wählen, wenn er in den Umfragen lange vorne liegt, wenn er keine Fehler macht und eine Gegnerin hat, die auch die Herzen nicht im Sturm erobert, allenfalls die Köpfe der Menschen. Der sogar noch ein Skandal um einen überteuerten Museumsbau am Bein hing.

Trotzdem ist er wieder nur zweiter. Wird er sich als Minister zur Verfügung stellen? "Morgen triff sich der Parteivorstand", sagt Maas in dem Gedränge. "Ich würde die SPD auch in die Koalitionsverhandlungen führen wollen, die jetzt anstehen."

Sozialdemokraten fangen erst mal an zu grübeln

Er hätte ja auch sofort eine große Koalition geschmiedet im Januar, als Kramp-Karrenbauer das Jamaika-Bündnis aufkündigte. Er hätte sich das vorstellen können: zunächst einmal zweieinhalb Jahre Minister sein - und sich erst dann dem Risiko der Wahl zu stellen. Aber seine Partei hat ihn nicht gelassen, viele waren so siegesgewiss, sie wollten alles oder nichts, also schickten sie Heiko Maas ein drittes Mal ins Rennen. Und er hat sich noch einmal mit allem, was er hat, hineingeworfen. "Am Schluss", sagt auch er, "hat es an der Mobilisierung gelegen."

Die SPD ist eine Partei, die sich traditionell mit der Macht schwerer tut als die CDU. Wenn Christdemokraten irgendwo ein Amt sehen, dann greifen sie zu. Sozialdemokraten, auch an der Saar, hingegen fangen erst einmal an zu grübeln. Sollen wir wirklich in eine große Koalition?, fragen skeptisch die einen. Wir werden uns doch nicht ernsthaft mit den Linken zusammentun, erwidern empört die anderen. Das Hadern gehört zum Wesen des Sozialdemokraten, und man bekommt einen kleinen Live-Eindruck, wenn man zwei führenden Genossen zuhört, die am Abend vor dem ZDF-Studio das Ergebnis erfahren, den Abstand zur CDU.

"Ich hab' wirklich gedacht, diesmal reicht's."

"Und falls nicht, dass wir wenigstens Kopf an Kopf liegen."

"Also das hier ist ein Desaster."

"Die Differenz, die ist das Schlimme. Da wär's besser gewesen, wir hätten keine Neuwahlen gehabt."

"Aber es waren im Landesvorstand doch nur vier, fünf Leute, die gegen Neuwahlen waren."

Bei der Wahlparty der Genossen tritt dann noch Charlotte Britz auf die Bühne, die Oberbürgermeisterin von Saarbrücken. Manche haben sie vor der Wahl als Gegenspielerin von Heiko Maas gesehen, sogar über einen Putsch wurde gemunkelt, falls es für Rot-Rot reichen könnte. Aber sie schlägt jetzt andere Töne an, vielleicht sind sie gut gemeint. Sie sagt über den Verlierer: "Ich möchte jetzt nicht in seiner Haut stecken. Das ist persönlich nicht einfach für ihn." Mitleid also, na toll. Dann ruft sie den traurigen Mitstreitern zu: "Wir sollten jetzt wirklich nur ein Ziel haben: die SPD zusammenhalten." Der Applaus ist freundlich. Mehr aber auch nicht.

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