CDU und die Debatte um Schwarz-Grün:Bauchgefühl und Taktik

Verdecktes Plakat

Die neue Sympathie in Angela Merkels CDU für die Grünen hat nicht nur strategische Gründe

(Foto: dpa)

"Machbar und sinnvoll": Immer mehr Unionspolitiker können sich eine Koalition mit den Grünen vorstellen. Sowohl in Hessen als auch im Bund treffen sich beide Parteien in dieser Woche zu Sondierungsgesprächen. Doch obwohl es inhaltliche Schnittmengen gibt, dürfte aus Schwarz-Grün in Berlin vorerst nichts werden - denn für Merkel und Seehofer wäre ein solches Bündnis zu mühsam.

Von Robert Roßmann, Berlin

Mike Mohring ist wahrlich keiner linken Auswüchse verdächtig. Der Thüringer CDU-Fraktionschef lobt oft und gern die CSU. Seine Partei könne von der Schwester im Freistaat einiges lernen, findet der 41-Jährige. Mohring engagierte sich lange im konservativen Berliner Kreis. Er hat auch ein Buch zum Thema herausgegeben: "Was heißt heute konservativ?: Freiheit, Verantwortung, Ordnung".

Der Titel ist Programm. Um so erstaunlicher ist es, dass ausgerechnet Mohring jetzt einer der Vorkämpfer für eine Koalition mit den Grünen ist. "Warum Schwarz-Grün machbar und sinnvoll ist" - so hat der Thüringer seine fünfseitige Analyse der politischen Gemengelage überschrieben.

An diesem Montag trifft sich Volker Bouffier in Hessen zum Sondierungsgespräch mit den Landes-Grünen, am Donnerstag kommen Union und Grüne auch auf Bundesebene zusammen. "Schwarz und Grün haben mit den anstehenden Sondierungen die historische Chance, auf beiden Seiten ernsthaft das Tabu abzuräumen", schreibt Mohring. Die Türen für Schwarz-Grün in Deutschland stünden jetzt offen. Es gebe "gute Gründe", das Bündnis nun auch zu wagen.

Mohring ist in der CDU zwar kein Niemand. Er sitzt im Bundesvorstand, außerdem ist er Vorsitzender der Konferenz aller Unionsfraktionschefs aus den Landtagen, dem Bundestag und dem Europaparlament. Mit der Koalitionsfrage wird er trotzdem kaum etwas zu tun haben. Aber seine Haltung steht für viele in der CDU.

Mit den Grünen freundlich umzugehen, ist nur klug

Die stellvertretenden Parteichefs Armin Laschet, Thomas Strobl und Julia Klöckner haben schon am Tag nach der Wahl ernsthafte Gespräche mit Cem Özdemir und den Seinen gefordert. Klöckner hat das in die Formel gepackt, ihr Kopf sage zwar Schwarz-Rot, ihr Bauch aber Schwarz-Grün. Laschet, Strobl und Klöckner führen die Landesverbände NRW, Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz. Zusammen stellen sie mehr als die Hälfte aller Delegierten auf CDU-Parteitagen.

Die neue Sympathie für die Grünen hat natürlich auch taktische Gründe. Es verbessert die Verhandlungsposition mit den Sozialdemokraten, wenn man eine Alternative hat. Außerdem kann sich wegen der Widerstände an der SPD-Basis keiner in der Union sicher sein, dass die Gespräche mit den Sozialdemokraten tatsächlich zu einer großen Koalition führen. Da ist es nur klug, mit den Grünen sicherheitshalber schon jetzt freundlich umzugehen. Wer weiß, ob man sie nach einem gescheiterten SPD-Mitgliedervotum noch einmal brauchen kann? Derlei Überlegungen leiten gerade die Parteivorsitzenden von CDU und CSU, Angela Merkel und Horst Seehofer.

Doch bei den Christdemokraten gibt es viele, die ein Bündnis mit den Grünen auch sachlich für geboten halten. "Die inhaltlichen Übereinstimmungen finden sich unter anderem in einer nachhaltigen Haushaltspolitik, der Bewahrung der Schöpfung, dem Schutz unserer natürlichen Lebensgrundlagen und einer erfolgreichen Energiewende, die den Bürger trotzdem nicht über Gebühr belastet", schreibt Mike Mohring. Zudem sei bei den Grünen nach dem schlechten Wahlergebnis "ein Kurswechsel in der Steuerpolitik" zu erwarten. Auch die Grünen wüssten, dass Wahlen "in der Mitte und nicht an den Rändern" gewonnen würden.

Den Befürwortern von Schwarz-Grün macht aber auch die Lage der Liberalen Sorge. "Die FDP ist inhaltlich und personell entleert", sie habe "ihre Wurzeln in der Mitte der Gesellschaft vernachlässigt", sagt Mohring. Es sei unklar, "welchen Zeitraum die Liberalen für eine Erneuerung brauchen". Ohne die FDP hätte die Union in den kommenden Jahren aber nur noch eine Option, um zu regieren: ein Bündnis mit der SPD. Die Folge könnte entweder "eine Ära der großen Koalitionen sein, die beiden Volksparteien nicht guttun würde". Falls sich die SPD aber gegen Bündnisse mit der Union entscheide, drohten der CDU in den Ländern und im Bund "sogar viele Jahre Opposition".

In der CSU wollen sie von solchen Argumenten nichts hören. Das liegt nicht nur an der kommoden Situation der Christsozialen, sie regieren im Freistaat wieder mit absoluter Mehrheit. Deutschland brauche angesichts der anstehenden Aufgaben eine große Koalition, heißt es in München. Die Energiewende, die Neuordnung der Bund-Länder-Finanzen oder die Euro-Rettung könnten nur mit einer stabilen Mehrheit und verlässlichen Partnern gelingen. Die Grünen seien wegen des Führungswechsels aber noch nicht einmal richtig sprechfähig. Außerdem seien die designierten Chefs von Partei und Fraktion, Simone Peter und Anton Hofreiter, zu unerfahren, um das wichtigste Land Europas mitzuregieren.

Am Ende entscheiden Merkel und Seehofer über die Koalition

Auf die beiden - und den Altvorderen Jürgen Trittin - würde es aber ankommen, schließlich stünden die drei für die linke Mehrheit bei den Grünen. Hofreiter mag sich als Verkehrspolitiker Meriten erworben haben, heißt es bei der CSU. Bekannt sei er aber bestenfalls wegen seiner Haarpracht. Und Simone Peter habe es bisher doch nur einmal bundesweit in die Schlagzeilen geschafft: Als sie sich mit ihrem Kollegen in der zweiköpfigen Landtagsfraktion im Saarland ewig nicht einigen konnte, wer Fraktionschef wird.

Den SPD-Vorsitzenden Sigmar Gabriel halten Merkel und Seehofer dagegen nicht nur für einen satisfaktionsfähigen, sondern auch für einen verlässlichen Partner. In der vergangenen Woche überschütteten sich Seehofer und Gabriel geradezu mit Komplimenten. Die drei Parteichefs haben sich in der letzten großen Koalition schätzen gelernt. Und wie wichtig das persönliche Verhältnis zwischen den Protagonisten an der Spitze ist, haben ja schon alle bisherigen Regierungen bewiesen.

Doch das stärkste Argument für eine große Koalition ist für die meisten in der Union immer noch der Bundesrat. Die neue Regierung wird vor gewaltigen Herausforderungen stehen. Eine schwarz-grüne Koalition könnte in der Länderkammer aber nur auf die Stimmen aus Bayern bauen. Die Union müsste also erst mühsam mit einem grünen Koalitionspartner einen Kompromiss erzielen - und dann auch noch mit der streitbaren Hannelore Kraft als Koordinatorin der SPD-regierten Länder verhandeln.

Für Merkel und Seehofer ist das keine attraktive Aussicht. In der Union werden am Ende nicht die stellvertretenden Parteichefs oder gar die Basis die Entscheidung treffen, sondern Merkel und Seehofer. Das Ergebnis dürften deshalb Koalitionsverhandlungen mit der SPD sein.

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