CDU und CSU:Szenen einer Ehe

Krisen gab es in der Union schon einige - ein Überblick aus vier Jahrzehnten.

Von Peter Fahrenholz

Trennung in Wildbad Kreuth

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(Foto: dpa)

Beinahe wäre es passiert, und die Union wäre tatsächlich auseinandergebrochen. Der größte Konflikt zwischen CDU und CSU bleibt mit dem Namen der oberbayerischen Gemeinde Kreuth verbunden. Dort, im Ortsteil Wildbad, hatte die CSU, getrieben von ihrem Chef Franz Josef Strauß (rechts), im November 1976 die Fraktionsgemeinschaft mit der CDU aufgekündigt und wollte künftig bundesweit antreten. CDU/CSU hatten zuvor mit Helmut Kohl (links) als Spitzenkandidat ganz knapp den Sieg bei der Bundestagswahl verfehlt. Es folgten Tage des Aufruhrs. Strauß machte in einer Rede vor der Jungen Union in der Münchner "Wienerwald"-Zentrale deutlich, was er von Kohl und der CDU hielt: nichts. Ein Teilnehmer schnitt den Wutausbruch heimlich mit, der in seiner Brutalität genauso einzigartig ist wie in seiner Fehleinschätzung. Kohl sei "total unfähig", er werde niemals Kanzler werden, polterte Strauß. Kurz danach ruderte die CSU zurück. Strauß scheiterte 1980 als Kanzlerkandidat der Union, danach war der Weg für Kohl frei. Strauß blieb in Bayern und schickte regelmäßig Brandbriefe nach Bonn. "Sehr geehrter Herr Bundeskanzler, lieber Helmut." Kohl ignorierte sie genüsslich.

Frühstück in Wolfratshausen

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(Foto: Stephanie Pilick/dpa)

Strauß hatte sich die Kanzlerkandidatur im Jahr 1980 in einer Kampfabstimmung der Bundestagsfraktion gesichert und damit schon den Keim für seine Niederlage gelegt. Denn im Wahlkampf legten große Teile der CDU die Hände in den Schoß. Angela Merkel schätzte die Stimmung im Jahr 2002 klüger ein, als die meisten Granden der CDU nicht sie, sondern CSU-Chef Edmund Stoiber für den besseren Kanzlerkandidaten hielten. Also trug sie Stoiber, der seinen brennenden Ehrgeiz monatelang nur mühsam hatte zügeln können, bei einem Frühstück in Stoibers Haus in Wolfratshausen die Kandidatur selber an. Aber Merkel zahlte Stoiber diesen Canossa-Gang später kühl zurück. Als sie 2005 Kanzlerin wurde und sich Stoiber nach endloser Ziererei entschlossen hatte, als Wirtschaftsminister nach Berlin zu gehen, ließ sie ihn beim Gerangel um seine Kompetenzen einfach auflaufen. Stoiber floh darauf, zum Entsetzen seiner Parteifreunde, zurück nach München und ruinierte so sein gesamtes Renommee. Auch in der CSU war er damit unten durch. Um zu entscheiden, wer Merkel in größerer Abneigung verbunden ist, Stoiber oder Seehofer, müsste man wahrscheinlich eine Münze werfen. Im Bild: Kanzlerkandidat Stoiber und CDU-Chefin Merkel bei einer Pressekonferenz im August 2002

Geburtsstunde einer Feindschaft

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(Foto: dpa/dpaweb)

Um die irrationale, geradezu hasserfüllte Beziehung zwischen Horst Seehofer und Angela Merkel zu verstehen, muss man ins Jahr 2004 zurückblicken. Damals tobte in der Union ein monatelanger Kampf um eine Gesundheitsreform, der mindestens so erbittert geführt wurde wie der Streit um die Flüchtlingspolitik. Bei Seehofer hat dieser Streit tiefe Wunden geschlagen. Merkel und die CDU wollten, noch ganz berauscht vom neoliberalen Leipziger Parteitag, eine Kopfpauschale in der Krankenversicherung einführen. Seehofer, als Fraktionsvize in Berlin für die Gesundheitspolitik zuständig, lehnte das vehement ab. Sein Parteichef Stoiber knickte aber ein und schloss mit der CDU einen halbscharigen Kompromiss, den Seehofer nicht mittragen wollte. Er trat deshalb, damals tatsächlich, als Fraktionsvize zurück. Der Streit wurde weit unterhalb der Gürtellinie ausgetragen. Auf dem CSU-Parteitag, der dem Kompromiss mit großer Mehrheit zustimmte, mischte sich der damalige CDU-Generalsekretär Laurenz Mayer unter die Journalisten und erzählte jedem, der es höre wollte: Also der Seehofer, der sei doch ein Fall für den Arzt. Gemeint war: Der Mann ist doch nicht mehr ganz dicht. Im Bild: Horst Seehofer, damals noch Gesundheitsexperte seiner Partei

Bayern gegen den Rest der Welt

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(Foto: DPA)

Es musste nicht erst Donald Trump kommen, um vorzuexerzieren, dass die eigenen Interessen vor allen anderen stehen. Für die CSU hat "Bayern first" schon immer gegolten. Ist man im Bund in der Opposition, macht das weiter nichts. Sobald man dort aber mitregiert, müssen die eigenen Leute stets damit rechnen, von München aus unter "friendly fire" genommen zu werden. Besonders heftig war dieser Beschuss bei der Einführung des Euro. Vermutlich hat Edmund Stoiber außer "Äh" keinen Satz so oft gesagt wie "Dreikommanull heißt dreikommanull". Beim Defizit-Kriterium des Maastricht-Vertrages wollte er kein Zehntel Abweichung dulden. Kurzzeitig schien nicht ausgeschlossen zu sein, dass Bayern im Bundesrat gegen den Euro stimmt. Theo Waigel, CSU-Chef und Finanzminister, wäre dann noch am selben Tag zurückgetreten. Stoiber und Waigel waren das, was der Italiener "Separati in Casa" nennt, Getrennte im Haus. Aneinander gefesselt, aber nicht miteinander verbunden. Die Abneigung hält bis heute an, weswegen sie auch niemals als gemeinsame Schlichter irgendeines Streits infrage kämen. Man bräuchte dann vermutlich einen eigenen Schlichter für die beiden. Im Bild: Ausnahmsweise blasen Stoiber (links) und Waigel (rechts) zwar nicht ins selbe aber doch in ein ähnliches Horn.

Münchner Provinzstrümpfe

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(Foto: dpa)

Franz Josef Strauß hat die einzigartige Rolle der CSU als Regionalpartei mit bundespolitischem Anspruch vor vielen Jahren einmal auf die Formel gebracht: In Bonn stehe die Kapelle, in München aber die Kathedrale. Die Folge dieser Gleichung ist eine quasi gegenseitige Geringschätzung zwischen den Landtags- und den Bundestagsabgeordneten der Partei. Die Landtagsabgeordneten halten ihre Bundeskollegen für Bewohner eines fernen Raumschiffs, die von der Stimmung an der CSU-Basis nur wenig mitbekommen und überdies immer wieder einknicken, statt bayerische Belange kraftvoll durchzusetzen. Für die Berliner wiederum sind die Parteifreunde im Landtag "Provinzstrümpfe", die nicht verstehen wollen, dass die Dinge nicht überall so simpel sind wie in Bayern, wo man mit absoluter Mehrheit nach Belieben schalten und walten kann. Lange Zeit konnte sich die Landtagsfraktion mit einem gewissen Recht als Herzkammer der CSU fühlen, denn sie stellte mehrheitlich die erste Garde der Partei. Heute ist die Landtagsfraktion talentmäßig eher eine politische Sahelzone, was für die Kräfteverhältnisse in der CSU aber keine Folgen hat, weil es in der Landesgruppe genauso ist.

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