CDU:Eine Partei twitterisiert sich

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Bei der Werte-Union und der Union der Mitte wird scharf gezwitschert. (Foto: dpa)

Werte-Union gegen Union der Mitte: Die beiden Gruppen fallen ständig durch gegenseitige öffentliche Verachtung auf. Die Umgangsformen in der CDU verfallen, die Partei leidet darunter.

Kommentar von Robert Roßmann, Berlin

Carsten Linnemann hat in dieser Woche nicht nur eine Debatte über den Umgang mit Kindern ohne Deutschkenntnisse angestoßen. Die Reaktionen auf seinen Vorschlag haben auch offenbart, welche Umgangsformen in Teilen der CDU inzwischen herrschen. Es gibt gute Gründe gegen Linnemanns Vorschlag, Kinder notfalls später einzuschulen. Aber der Ton, in dem der CDU-Politiker von Parteifreunden angegangen wurde, war erstaunlich. "Populistischer Unfug", klagte die Kieler Bildungsministerin Karin Prien. Und Katja Leikert, stellvertretende Chefin der Unionsfraktion, schimpfte, man dürfe "das Ausländerding nicht auf dem Rücken von kleinen Kindern" betreiben. All das wurde von der "Union der Mitte" auf Twitter genüsslich retweetet.

In der CDU hat man lange - zumindest in der Öffentlichkeit - Umgangsformen gewahrt. Im Vergleich zur politischen Konkurrenz ging es in der Partei gesittet zu. Doch damit ist es seit einiger Zeit vorbei. Vor allem die Anhänger der Union der Mitte und der Werte-Union beharken sich in einer Weise, die an die Auseinandersetzungen zwischen Realos und Fundis in der Anfangszeit der Grünen erinnert. Das schadet inzwischen der gesamten CDU - auch weil der rüde Ton bereits auf andere Debatten übergreift, wie jetzt im Fall Linnemann. Umso erstaunlicher, dass die Parteiführung tatenlos zusieht. Im Adenauer-Haus hätten sie zwar gerne, dass die Union der Mitte sich auf Twitter mäßigt. Und Annegret Kramp-Karrenbauer hat über die Werte-Union einmal geätzt, jeder in der CDU vertrete Werte, dafür brauche es keine eigene Union. Aber etwas gegen die Gruppen unternommen hat die Parteispitze bis heute nicht.

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Ja, eine Volkspartei braucht unterschiedliche Strömungen, um die ganze Breite potenzieller Wähler erreichen zu können. In der CDU zeigen der Arbeitnehmer- und der Wirtschaftsflügel samt ihrer Chefs Karl-Josef Laumann und Carsten Linnemann, dass man trotz oft gegenteiliger Ansichten fair miteinander umgehen kann. Das gilt auch für die Junge Union und die Seniorenunion. Werte-Union und Union der Mitte fallen aber ständig durch gegenseitige öffentliche Verachtung auf. Die beiden Gruppen verbreitern nicht das politische Angebot der CDU, sondern sie schrecken die Klientel der jeweils anderen Seite ab.

Das schadet der CDU auch deshalb, weil die Werte-Union und die Union der Mitte in der Öffentlichkeit bereits als die Flügel der CDU wahrgenommen werden. Dabei sind beide gar keine Vereinigungen der Partei. Dass sie in der öffentlichen Wahrnehmung trotzdem so präsent sind, mag auch an Journalisten liegen, die die Gruppen wegen ihrer gegensätzlichen Positionen gerne erwähnen. Es liegt aber auch an der Selbstdarstellung der beiden Gruppen. So bezeichnet sich die Werte-Union als "der konservative Flügel der Union", obwohl sie nur ein Verein ist. Und die Union der Mitte vergisst gerne darauf hinzuweisen, dass sie lediglich ein lockerer und relativ kleiner Gesprächskreis von CDU-Politikern ist, der vor allem aus einem Twitter-Account besteht.

Im Fall der Werte-Union und ihres Aushängeschildes Hans-Georg Maaßen mag sich die CDU-Spitze auch deshalb davor scheuen, einen härteren Kurs einzuschlagen, weil ihr das bei den anstehenden Wahlen in Ostdeutschland schaden könnte. Aber derlei taktisches Verhalten hat noch keiner Partei auf Dauer geholfen.

© SZ vom 08.08.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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